Statistische Aussagekraft einer Messreihe prüfen

Hallo,

habe ein Problem, weiss aber nicht wirklich wie ich es lösen kann und google gibt nix her.

Ich habe eine Messreihe mit n=50 durchgeführt. Jetzt suche ich eine Berechnungsmethode, die mir Auskunft gibt, dass meine Ergebnisse stabil sind. D.h. n=50 ausreichend ist und ich nicht weitere Messungen machen muss. Das Problem ist, ich habe keine Grenzen! Also fällt Prozessfähigkeitsberechnung mit cpk und Co. schon weg. Ich habe nur 50 Messungen, die eben schwanken.
Teilweise schwankenden diese Ergebnisse recht stark, so dass ich mir nicht sicher bin, dass meine Anzahl groß genug war.

Wie kann ich das prüfen. Welches Verfahren/Methode/Formel muss ich anwenden?

Gauß und Stabw. sagt wie sehr die Ergebnisse schwanken, aber gibt mir eben keine qualitative Aussage ob meine 50 Messungen ausreichen.

Vielen herzlichen Dank

Baba

Hi,

das kommt drauf an, was du unter „stbail“ verstehst.
die schwankungen haben zwei quellen: die der unabhängigen Stichproben selber und die des Testsystems. Letztere kann man gut evaluieren, indem man genormete Proben nimmt und jeweils 10 oder mehr (technische) Replikate unter denselben Bedingungen misst.
Erstere ist eben einfach naturbedingt und deren schätzungen wird umso präziser, je kleiner die Testschwankung ist und je mehr unabh. samples du verwendest.
Viele Grüße,
JPL

Hallo,
es kommt bei den Stichproben auch darauf an, wieviele Parameter geändert werden. Ist es durchgehend nur einer (z.B. Temperatur) und das Testsystem eher fehlertolerant, sollten 50 Messwerte ausreichen.
Beschreibe am besten auch einmal in kurzen Stichworten deinen Versuchsaufbau.
Viele Grüße
PEter

Vielen Dank für die Nachricht!

In meinem Fall kann ich leider auf kein Normproben zurückgreifen. Hier gibt es leider nix. Ebenso gibt es keine Literaturangaben, aus denen man ableiten kann, wie sich mein System verhalten soll.

Ich habe grob eine Faustregel in Erinnerung, dass man ab n>7 (bei einer Verteilung nach Gauß) in einen Bereich kommt, der langsam als aussagekräftig bezeichnet werden kann (massive Streuung nicht berücksichtig).
Das Problem ist, so einen Daumenwert liest ein Prof nicht gerne. Irgendwie muss ich belegen, dass mein Aufbau und mein Umfang ausreichend ist und eine Erweiterung der Anzahl (z.B. n=100 oder n= 2000) nur die Häufigkeit des Auftretens der Messwerte erhöhen würde, aber nicht oder unwesentlich meine Verteilung beeinflussen würde.

Gibt es hier eine Auswertungsmöglichkeit? Irgendeine Fehlerbetrachtung… etc?
Auch bei Umfragen kann dieses Problem auftreten. Woher weiß einer zum Beispiel, dass er genug Leute befragt hat? Das sein Ergebnis repräsentativ ist?

Viele Grüße

Ich habe eine Scheruntersuchung von gelöteten Kondensatoren durchgeführt.

Eine Versuchsreihe besteht aus 300 Messungen. Je Schergeschwindigkeit habe ich 50 Bauteile (immer die selben Kondensatoren mit dem selben Verfahren und nach dem selben System gelötet) geschert.

Dann habe ich die Schergeschwindigkeit gewechselt und mit der neuen Versuchsreihe bei n=50 weitergemacht. Eben bis ich alle Schergeschwindigkeiten (insgesamt 6 verschiedene) bzw. Messungen durchgeführt habe.

Dann das Ganze bei unterschiedlicher Anzahl von Thermoschocks wie auch zwei verschiedene Lotpasten. Unter dem Strich habe ich etwa 3200 Messwerte.

Und untersuchen möchte ich, ob meine 50 Messungen bei der jeweiligen Schergeschwindigkeit ausreichend war! Oder ob mein System dann zu stark schwankt

Hallo,

nochmal: Das hängt davon ab, was du als „stabil“ ansiehst. Das kann die kein Mathematiker/Statistiker beantworten, sondern nur ein Fachmann auf dem Gebiet der Scheruntersuchung von gelöteten Kondensatoren.

Das gilt im Übrigen aus für die „Representativität“ von Umfragen. Es gibt mehr oder weniger representative Studien. Representativität ist keine Ja/Nein-Sache, sondern eine beliebige Größe irgendwo zwischen 0% und 100%. Es ist oft schon schwer bis unmöglich den Wert der Repräsentativität einer Studie überhupt zu ermitteln, und sebst, wenn man ihn kennt, muss man noch entscheiden, ob der Wert für die eigenen Ansprüche/Folgerungen nun groß genug ist oder nicht.

Doch zurück zu deinem Thema: Von dem, was du so schreibst, könnte ich vermuten, dass du letzlich daran interessiert bist, ob sich das Scherverhalten gelöteter Kondensatoren hinsichtlich der verschiedenen Thermoschocks wie auch der verschiedenen Lotpasten unterscheiden.

Da jede Einzelmessung (durch statistische Fehler/Schwankungen in der Kondensatorproduktion und der Messung) einen anderen Messwert ergibt, misst man viele Kondensatoren. Die vielen Messwerte streuen dann, und zwar um einen für den Kondensatortyp und Herstellungsprozess typischen Wert: den Erwartungswert.

Den Erwartungswert schätzt du durch den Mittelwert der Stichprobe. Je größer die Stichprobe, desto näher liegt der Mittelwert am (wahren aber unbekannten) Erwartungswert. Bei Stichproben > 30-50 gilt nach dem zentralen Grenzwertsatz, dass die Mittelwerte, die man aus solchen Stichproben erhält ihrerseits um den Erwartungswert streuen, aber mit einer geringeren Standardabweichung und außerdem mit einer Verteilungsform, die der Normalverteilung ähnelt. Die Standardabweichung solcher Mittelwerte, die man zu erwarten hat, nennt man „Standardfehler“. Er berechnet sich aus der Standardabweichung (der Messwerte) geteilt durch die Wurzel des Stichprobenumfangs. Damit ist schonmal klar: Je größer die Stichprobe, desto kleiner der Standardfehler des Mittelwertes.

Da man nicht nur die Streuung, sondern auch die Form der Verteilung soclher Mittelwerte kennt, kann man daraus ein Intervall berechnen, welches den Erwartungswert mit einer vorgegeben Sicherheit einschließt. Ein Solches Intervall heißt „Konfidenzintervall“.

Man kann das aus Tabellen zur Normalverteilung entnehmen oder von Computerprogrammen berechnen lassen. Eine gewünschte Sicherheit muss man aber angeben. Üblich sind Sicherheiten von 95%, aber es werden mitunter auch 99 oder 99,9%ige Sicherheiten gewählt - je nach fachlichem Anspruch.

Das 95%-Konfidenzintervall reicht von 2 Standardfehlern unter dem Mittelwert bis zu 2 Standardfehlern über dem Mittelwert. Beispiel: Dein Mittelwert aus 50 Messungen sei 18, die Standardabweichung sei 5. Als Standardfehler ergibt sich dann 5/Wurzel(50) = 0,7. Das 95%-KI geht dann von 18-2*0,7 bis 18+2*0,7 bzw von 16,6 - 19,4. Der Erwartungswert liegt also mit einer Sicherheit von 95% in diesem Intervall.

Für ein 99%-KI muss man lt. Normalverteilungstabelle statt der 2 einen Faktor von 2,6 nehmen, und das 99,9%-KI erhält man mit einem Faktor von 3,3. Je größer die Sicherheit sein soll, desto breiter wird also das KI.

Für deine Analyse wäre es jetzt zB. klasse, wenn du sagen könntest, wie groß ein technisch/wirtschaftlich RELEVANTER Unterschied in den Erwartungswerten sein muss. Dann kann man die Stichprobengröße so wählen, dass die KIs kleiner werden als dieser Unterschied, den man sehen können möchte, wenn er denn da ist. Wie man DAS rechnet, DA kann dann ein Statistiker helfen!

VG
Jochen

Guten Morgen Jochen,

vielen herzlichen Dank für Deine ausführliche Beschreibung. Ich denke, das hilft mir weiter. Werde Deine Anregungen ausrechnen und dann weiter schauen…

Ein „stabiles“ System zu errechnen habe ich mir nicht so verzwickt vorgestellt. Aber im Grunde logisch… Naja… wieder was gelernt.

Vielen Dank und schönes Wochenende

VG

Baba

Hi,

Ich habe grob eine Faustregel in Erinnerung, dass man ab n>7
(bei einer Verteilung nach Gauß) in einen Bereich kommt, der
langsam als aussagekräftig bezeichnet werden kann (massive
Streuung nicht berücksichtig).
Das Problem ist, so einen Daumenwert liest ein Prof nicht
gerne.

Das ist auch kein Wunder, weil es iel zu vage ist.
WENN du Normalverteilung voraussetzen kannst, dann kannst du aber berechnen, um wie viel sich der Standardfehler des Mittelwertes verrringert, wenn du statt 50 51 Proben nimmst oder 100 oder 200. Das kannst du in Bezug zum Aufwand setzen und erhäls so eine Kosten/Nutzen-Abschätzung. Z.B.: wenn man den von 50 auf 100 Proben geen würde, dann wäre die SE-Verrringerung 10 Einheiten (15%), kosten aber 20 Arbeitsstunden á 25€, also 15% Verbesserung für 500€ - ist es das Wert?

Irgendwie muss ich belegen, dass mein Aufbau und mein
Umfang ausreichend ist und eine Erweiterung der Anzahl (z.B.
n=100 oder n= 2000) nur die Häufigkeit des Auftretens der
Messwerte erhöhen würde, aber nicht oder unwesentlich meine
Verteilung beeinflussen würde.

Naja, mehr ist immer besser. Je nach tatsächlicher Verteilung kann dann auch noch einen ziemlichen Unterschied machen. Jetzt im nachhinein ist das aber müssig und mühselig. Für eine simple Schätzung des MW reichen 50 Werte durchaus, für eine Verteilungsanpassung oder Tolerance intervals könnten es gerne mehr sein.

Gibt es hier eine Auswertungsmöglichkeit? Irgendeine
Fehlerbetrachtung… etc?

Dazu brauchst du aber einen Normwert …

Auch bei Umfragen kann dieses Problem auftreten. Woher weiß
einer zum Beispiel, dass er genug Leute befragt hat? Das sein
Ergebnis repräsentativ ist?

siehe Jochens kommentar.

Viele Grüße
JPL

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Hallo,

deine 50 Messungen pro Schergeschwindigkeit waren sicher ausreichend. 100 oder 150 Messungen würden den annähernd gleichen Mittelwert und die ähnliche Standardabweichung bringen, falls sich keine systematischen Fehler in die Produktion eingeschlichen haben.

Wenn du zu starke Ausreißerwerte, besonders nach unten, haben solltest, würde ich mir das Herstellungsverfahren
„(immer die selben Kondensatoren mit dem selben Verfahren und nach dem selben System gelötet)“
näher ansehen.

Das „selbe Verfahren“ ist nicht immer das selbe.
Hast du die Proben aus dem Lötautomaten am Anfang, am Ende oder am Schluß der Charge gezogen?
War die Lötpaste immer gleich temperiert?
Wurde mehr oder weniger Paste pro Lötpunkt abgegeben? usw.

Vielleicht wird vom Hersteller der Kondensatoren oder der Leiterplatten ein Schmieröl verwendet, das die beiden Kondensatordrähte bzw. die punktuellen Kupferanschlüsse auf der Leiterplatte, unsichtbar „versauen“ und den Halt der Kondensatoren verringern.

Um das zu prüfen, kannst du die Kondensatordrähte von 50 Kondensatoren vor der Verarbeitung mit einem acetongetränkten Küchentuch sorgfältig abwischen und die dazugehörenden Lötpunkte auf der Platine mit acetongetränkten Wattestäbchen vorsichtig reinigen.

Sollte das Aceton zu aggressiv sein und auch den Kunststoff der Leiterplatte angreifen, kannst du mit Spiritus verdünnen, etwa 70 Volumen % Aceton und 30 Volumen % Spiritus.
Nach dieser Lösungsmittelbehandlung solltest du die Teile an der Luft über Nacht genügend abtrocknen lassen bevor du sie weiterverarbeitest.

Ich würde mir die Lötstellen nach der Herstellung unter einer Lupe ansehen und mit den Fingern an den Kondensatoren ziehen um die Sitzfestigkeit zu prüfen. Vielleicht sind da manche Lötstellen schon locker und „kaltgelötet“.

Du schreibst in deinem ersten Posting:
„Das Problem ist, ich habe keine Grenzen!“
Da fällt mir ein, daß man bei solchen Materialtests auch einen 0-Wert haben sollte. Setze doch einige Kondensatoren ein ohne sie festzulöten und spanne sie danach in die Prüfmaschine.

Viel Erfolg

watergolf

Hallo watergolf,

vielen Dank für die vielen Ideen!

Die Kondensatoren werden von einem Bestückungsautomaten, nach dem Pastendruck, bestückt. Im Anschluss daran durch einen Reflowofen gefahren. Die Schmelztemperatur habe ich bereits mittels TGA bzw. DSC Untersuchung „exakt“ bestimmt. Das Ofenprofil ist dokumentiert und liegt etwa 20°C über dem Schmelzpunkt der Lote. Die Charge der Bauteile ist nicht bekannt. Die Bauteile kommen aus einem „Gurt“ und sind Massenware. Auch der Pastendruck müsste relativ ähnliche Mengen an Paste drucken. Ich denke über die Einflüsse muss ich mir weniger Sorgen machen.
Ebenso bereiten mir Ausreißer nach unten mache kaum Sorgen. I.d.R. treten Ausreißer - wenn welche auftreten - oberhalb des MW bzw. Medians auf. Die Kondensatoren sind def. ausreichend angelötet. Auch die Position ist gut. Zum Einen weil die Automaten eine recht gute Positioniergenauigkeit haben und zum Anderen weil die Bauteile sich selbst zentrieren. Liegt u.a. an den Pads, nur in dem sich das Lot verflüssigen kann.

Hier mal ein Link zu meinen Kondensatoren. http://de.farnell.com/productimages/farnell/standard…
Hierbei handelt es sich um einen 0805 Kondensator. Wie beschrieben – Massenware und ziemlich günstig ,-))

Nullwert lässt sich sehr wahrscheinlich nicht ermitteln, da ich die Leiterplatte, inkl. Kondensator, hochkant einspanne. Die Gravitation müsste ausreichen, damit die Bauteile abfallen. Wäre aber eine interessante Idee, die ich noch mal versuche irgendwie zu realisieren.

Die Hersteller der Pasten fügen den Lotpasten ein Verdicker, Lösungsmittel und Aktivator bei. Bestandteile sind geheim und mir nicht bekannt. Lassen sich auch nicht mittels Infrarotspektroskopie ermitteln. Liegt daran, um markante Stoffe zu überdecken, werden weitere Mittel hinzugegeben, die eine ähnliche Wellenlänge habe und in der IF-Untersuchung folglich dominant sind.

Vielen Dank! Ich bin wirklich gespannt welche Note am Ende auf meinem Zettel steht ,-))

Viele Grüße

Baba

Hallo Baba,

das ist wieder so ein typischer Fall von scheibchenweiser Faktenbekanntgabe.
Ich dachte als Bastler natürlich an die Kondensatoren mit zweifachem Drahtanschluß.
Die Verwendung von SMD-Kondensatoren in deinem Anwendungsfall verändert, auch statistisch, einiges.
Einen 0-Wert, an den ich dachte, kann man mit dieser Bauform kaum machen.
In dem gesamten Montier- und Lötverfahren sind so viele Faktoren die sich alle ändern können und das Meßergebnis beeinflussen werden.

Über deine Note brauchst du dir keine Sorgen zu machen.
Falls es sich um kein Studium der Verfahrenstechnik handeln sollte, wird dir der Professor keine Vorwürfe machen können, wenn die Meßwerte – aus welchen Gründen auch immer – schwanken. Du hattest lediglich die Funktion des Meßknechtes.

Wenn der Professor etwas mosern sollte, was er ja machen wird um seine Wichtigkeit zu demonstrieren, schlägst du ihm eine 100 Prozent-Kontrolle vor.
Das sah ich einmal in einem lustigen Kurzfilm für die zerstörende Festigkeits-Prüfung nach der Fabrikation von Ton-Gartenzwergen.

Ich prophezeie dir eine gute Note. Andernfalls gehst du „bis nach Karlsruhe“.

Viele Grüße

watergolf