Steigende Preise führen nicht zu steigenden Preisen?

Hallo,

wenn man auf steigende Preise spekuliert und damit Geld gewinnt - dann bedeutet dies auch, dass die Preise gestiegen sein müssen. Eigentlich sehr simpel.

Am Ende zahlt der Endverbraucher den Gewinn der Spekulanten mit.

Das ist nicht tragisch, wenn es um Luxussportwägen oder Uhren geht - aber es kann für einige Menschen tödlich sein, wenn es um Lebensmittel geht.

Aber vielleicht ist es ja auch ganz anders, wie die Allianz behauptet:
„Wir sind überzeugt, dass wir Nahrungsmittelpreise nicht treiben“, beteuert ein Sprecher. Die von Oxfam kritisierten Fonds würden Termingeschäfte auf die Preisentwicklung von Lebensmittel abschließen, also Wetten auf die Zukunft. Das schlage nicht auf die Preise von Weizen, Mais und anderen gehandelten Nahrungsmitteln selbst durch.

Für wie intelligent hält die Allianz die Öffentlichkeit? Wieso ist das Thema angesichts 800.000.000 Menschen die an Hunger leiden nicht stärker in den Medien und der Politik präsent?

Gruß
Desperado

Ich kenne hier einige Menschen mit sehr simplen Denkstrukturen …

… die Suchen die Schuld für ihre Unzufriedenheit bei „Großkonzernen“, der jeweiligen Regierung, Ausländern, religiösen Gruppen …

… vielleicht richtet sich die von Dir bemängelte Aussage an Menschen, die intellektuell mit so leichtem Gepäck unterwegs sind. Die glaube dann eben, dass man sie für dumm zu verkaufen versuche.

Ja, das stimmt. Das heißt aber nicht, dass die Preise nicht gestiegen wären, wenn „man“ nicht auf steigende Preise spekuliert hätte.

Um ein Analogon zu formulieren: wenn ich mit meiner Frau darauf wette, dass das Haus des Nachbarn in drei Jahren 50.000 Euro mehr wert ist also heute und das dann eintritt, gibt es keinen Zusammenhang zwischen eingetretener Wertsteigerung und unserer Wette. Dennoch hat einer von uns beiden die Wette und damit den Wetteinsatz gewonnen.

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Das ist natürlich extrem schädlich, wenn Landwirte schon bei der Aussaat wissen, welchen Erlös sie bei der Ernte erzielen werden.

Mit weniger Planungssicherheit würden die Landwirte bestimmt gerne deutlich mehr Lebensmittel produzieren. Oder?

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Vornehmlich, weil der Welthunger nichts mit den Lebensmittelpreisen zu tun hat.

Die meisten Regionen, die von Hunger geprägt sind, sind gleichzeitig Regionen, die politisch instabil sind oder aus anderen Gründen keine geordneten Strukturen aufweisen oder am Welthandel teilnehmen. Kriege, Krisen und fehlende Strukturen sind Hauptfaktoren von Hunger.

Armut kann zwar auch eine der Ursachen für Hunger sein, aber Hunger tritt vor allem in den Ländern auf, in denen nicht genügend Lebensmittel produziert werden - aus welchen Gründen auch immer.

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Wo Du mit Zahlen um Dich wirfst:

  • Um welchen Teil würde die Weltmarktpreis für die verschiedenen Getreidesorten fallen, wenn man sie nicht mehr in Termingeschäften handeln dürfte?
  • Um welchen Teil würde die Weltmarktpreis für die verschiedenen Getreidesorten fallen, wenn man nicht mehr Pflanzen anbaut, um sie zu Brennstoff zu verarbeiten?
  • Um welchen Teil würde die Weltmarktpreis für die verschiedenen Getreidesorten fallen, wenn die fleischverzehrende Bevölkerung ihren Verzehr um sagen wir mal 10% einschränken würde?

Als Person mit wissenschaftsbasierter Ausbildung und Arbeit wirst Du das doch sicher in Relation zueinander bringen können.

Auch für den Verbraucher wäre es bestimmt super, wenn die Getreidemühlen ihre Einkaufspreise für Getreide nicht über Börsen wie die MATIF absichern würden. Dann gibt es endlich mal marktgerechte Preise im Supermarkt, in den Bäckereien und Restaurants und nicht dieses widerliche, spekulationsgebügelte Einerlei.

Hier werden aber schon einigermaßen kühne Thesen verbreitet. Fakten spielen dabei offenbar keine wesentliche Rolle.
Man könnte sich ja mal anschauen, was diejenigen so erzählen, die sich damit auskennen. Selbstverständlich haben Lebensmittelpreise einen hohen Einfluss auf den Welthunger. Wer mehr als die Hälfte seines Einkommens für Lebensmittel ausgeben muss, reagiert „sensibler“ auf eine Preissteigerung von 30%, als jemand, bei dem der Anteil für Lebensmittel bei 10% und niedriger liegt.

Und selbstverständlich spielen dabei auch Lebensmittelspekukationen eine große Rolle. Es werden teilweise mehr als zwei Drittel der Transaktionen für Lebensmittel aus rein spekulativen Gründen getätigt. Natürlich ist dabei ein Wetten auf bestimmte Preise kein direkter Effekt. Nur wird ja nicht irgendwo in einem abgeschotteten Casino gewettet, sondern es wetten die gleichen Protagonisten, die auch handeln. Diese Phänomene sind länger bekannt und werden von zahlreichen Institutionen so gesehen, so u.a. Der Weltbank.

Last not least zu den Ursachen von Hunger, die sich zu einem großen Teil natürlich auch gegenseitig beeinflussen. Monokausal ist da nichts. Aber Klimaveränderungen und Wetterphänomene stehen immer weiter oben. Krieg ist ebenfalls ein gewichtiger Faktor. In Somalia hungern die Menschen, weil sie mit Wetter bedingten Ernteausfällen zu tun haben und wegen des Krieges teilweise weder Felder bestellen noch handeln können.
Natürlich ist Korruption in vielen Ländern ein wichtiger Faktor. Wer dann aber unterschlägt, dass auch unser verschwenderischer Umgang insbesondere (nicht nur) durch unseren Fleischkonsum, einen großen Anteil hat, hat ein ziemlich kleines Guckloch. Ein Blick auf den Welthungerindex zeigt jedenfalls auch, dass das alles so eindimensional nicht ist.

https://www.weltagrarbericht.de/themen-des-weltagrarberichts/spekulation-mit-lebensmitteln.html

Das Problem ist so ein bisschen, dass in dem Artikel eigentlich gar nicht so genau steht, wie Spekulation die Preise treibt. Gut, dass wir hier bei wer-weiss-was.de sind und dazu ein bisschen was erklären können.

Wohlan: bei Termingeschäften an Warenterminbörsen beinhalten die Geschäfte mit Lebensmitteln nur in den allerwenigsten Fällen (weniger als 5%) beim die Lieferung von Ware am Fälligkeitstermin. Vielmehr werden sondern Differenzen zwischen Termin- und Tagespreis in Geld glattgestellt.

Verkaufe ich also heute eine Tonne Weizen an der MATIF per Dezember 2024 für 250 Euro, bekommt der Käufer bei Fälligkeit von mir also nicht eine Tonne Weizen auf den Hof gekippt, sondern die Differenz zum Tagespreis wird in Euro ausgezahlt. Ist der Weizen teurer als 250 Euro, zahle ich die Differenz an den Käufer des Futures, ist der Tagespreis niedriger als 250 Euro, bekomme ich die Differenz zum Tagespreis.

Der Käufer des Futures hat also kein Interesse daran, ein Termingeschäft für einen völlig absurden Preis abzuschließen, weil er dann mit einer hohen Wahrscheinlichkeit Verluste macht. Davon, dass die schiere Spekulation die Preise erhöht, kann vor dem Hintergrund also gar keine Rede sein.

Natürlich kann man trotzdem spekulieren, wenn man bspw. auf Ernteausfälle hofft und auf steigende Preise wetten möchte. Das hat aber keinen Einfluss auf den tatsächlichen Tagespreis beim Liefertermin, denn der wird ja von der tatsächlichen Ernte bestimmt.

Gehe ich also bspw. als Mühle von steigenden Preisen aus, kaufe ich schnell Futures zu einem vermeintlich niedrigen Preis. Finde ich einen Verkäufer, der mit mir dieses Geschäft machen will, weil er bspw. mit nicht ganz so hohen Preisen rechnet, kann ich so den Weizenpreis absichern.

Durch unser Geschäft wird zwar u.U. der Terminpreis steigen, aber ganz sicher nicht der Tagespreis. Ist bei Fälligkeit der Tagespreis dann doch nicht so hoch wie ich befürchtet hatte, dann muss ich als Käufer des Futures die Differenz zwischen vereinbartem Preis und Tagespreis an den Verkäufer zahlen, aber das mache ich gerne, weil mir das Geschäft geholfen hat, meinen Preis nach oben abzusichern. Der Kaufpreis für den Future zzgl. Zahlung des Ausgleichs zwischen Tagespreis und Terminpreis war insofern quasi Prämie für den Versicherungsschutz vor höheren Preisen und mir die Sache insofern auch wert.

Fällt die Ernte hingegen tatsächlich schlecht aus und der Preis steigt deswegen durch die Decke, hat meine Spekulation auf die schlechte Ernte am Ende auch keinen Einfluss auf den Tagespreis. Der Tagespreis bestimmt am Ende nur, wer (d.h. Käufer oder Verkäufer des Futures) an wen (Verkäufer oder Käufer des Futures) wie viel (Differenz zwischen Tages- und Terminpreis) als Ausgleich zu zahlen hat.

Verkäufer von Futures sind Produzenten von Getreide. Käufer sind z.B. Mühlen, die ihrerseits schon auf Monate und Jahre Mehl und andere Getreideprodukte verkaufen und für die Ermittlung des Verkaufspreises eine sichere Kalkulationsgrundlage brauchen. Genau diese Grundlage liefern Terminbörse.

Ob nun neben den Mühlen und den Erzeugern noch andere Parteien handeln, die mit Weizen an sich nichts am Hut haben (=Spekulation), hat keinerlei Einfluss auf die Menge und die Qualität der tatsächlichen Ernte und allein diese beiden Faktoren bestimmen den Tagespreis und damit auch, was das Endprodukt im Laden oder auf dem Markt kostet.

Was es natürlich in gewissen Grenzen gibt, ist eine gewisse Rückkopplung zwischen Preis und Erzeugung, d.h. hohe Terminpreise können zu mehr Produktion führen (weil sich die ja angesichts der höheren Preise zu lohnen scheint) und niedrigere Preise zu weniger Produktion. Das ist allerdings ein Problem, das es immer schon gab und (deswegen auch) über eine eigene Bezeichnung verfügt: Schweinezyklus.

„In gewissen Grenzen“ deshalb, weil ein Reisbauer nicht mal eben auf Orangen umsatteln kann, nur weil der Terminpreis für Reis für den Dezember 2027 so niedrig und der für Orangensaftkonzentrat so hoch ist. Genauso wenig kann ein Landwirt die Produktion auf einmal von Weizen auf Rinder umstellen oder von Mais auf Kakao.

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Wow. Man muss nur ausreichend überzeugt von sich sein. Well done. Egal ob Weltbank, Welternährungsprogramm, egal wer sich damit beschäftigt. Sie sind alle einfach zu doof.

Ganz sicher nicht von der Weltbank. Eine (seit Jahren wiederholte) Kritik vom Bretton Woods Observer ist ja bekanntlich, daß der IMF seine „Marktgläubigkeit“ zurücknehmen solle und stattdessen „ungezügelte Spekulation“ als Hauptursache für stark schwankende Nahrungsmittelpreise benennen möge.

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Ich hatte nicht ohne Grund verlinkt. Aber Ihr wollt ja eh lieber auf Meinungsbasis operieren.,dann lass ich euch mal.

nicht auf die Weltbank/den IMF. deren letzter Bericht zum Thema Nahrungsmittel: https://www.imf.org/en/Blogs/Articles/2022/12/09/global-food-prices-to-remain-elevated-amid-war-costly-energy-la-nina

Das hat nichts mit Überzeugung zu tun, sondern damit, dass ich seit rd. 25 Jahren mit Warentermingeschäften und Trade & Commodity Finance zu tun habe.

Was genau hast Du denn inhaltlich an meinen Ausführungen auszusetzen, außer natürlich, dass Du woanders etwas gelesen hast, dass Dir besser gefällt als das, was ich schrieb?

Eben. Und du erwartest also ernsthaft, dass der Spekulant definieren soll, ob seine Spekulationen schädliche Auswirkungen auf die Preise haben, und nicht etwa jene, die sich mit Ernährungsprogrammen beschäftigen, Volkswirtschaften oder der UN.
Weil die andern halt alle keine Ahnung haben.
https://www.eesc.europa.eu/en/our-work/opinions-information-reports/opinions/food-price-crisis-role-speculation-and-concrete-proposals-action-aftermath-ukraine-war
Oder Olivier de Schutter als UN Sonderbotschafter.
http://www.srfood.org/en/food-commodities-speculation-and-food-price-crises

Ich dachte Du wolltest faktenbasiert argumentieren:

Deine erste Quelle:

Opinion Type Own-initiative opinion

Deine zweite Quelle:
Recommendation 1. und 3. wurden umgesetzt (Dodd-Frank-Act), 5. war bereits umgesetzt, nur nicht unter der Kontrolle der UN sondern der USAID (siehe Bill Emerson Humanitarian Trust)

Rec. 4. ist total unrealistisch, ebenso wie Rec. 2. Eigentlich zeigt Rec. 4 wie sehr Rec. 2 wünschenswert wäre.

„Zu tun haben“ heißt in dem Fall, dass ich über Kredite entscheide, die an Unternehmen vergeben werden, die Warentermingeschäfte durchführen. „Zu tun haben“ heißt weder, dass ich sie durchführe noch, dass ich sie finanziere noch, dass ich anderweitig unmittelbar daran beteiligt bin.

Und wenn man über Kredite entscheidet, sollte man sich idealerweise mit dem Geschäftsmodell des jeweiligen Unternehmens befassen, mit dem Risiko, das von diesem Geschäftsmodell ausgeht und wie das Unternehmen im Detail so tickt.

Du nennst Quellen, weil sie Dir in ihrer Aussage gefallen, aber verstehst aber anscheinend im Grunde gar nicht, was an einer Warenterminbörse so passiert. Schließlich forderte ich Dich ausdrücklich dazu auf, mir zu sagen, was an meiner Darstellung inhaltlich nicht zutrifft:

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Nun ist aber der kritisierte Punkt nicht der, dass die Handelnden beim Warentermingeschäft Verlust machen. Genau da liegt der Punkt. Du erfasst nicht einmal diese Dimension.

Habe ich auch nie behauptet. Der Punkt ist, dass die tatsächliche Ernte den Preis macht und nicht der Preis, auf den spekuliert wird.

Und Du hast nicht ein inhaltliches Argument vorgebracht, sondern wieder nur ad hominem gearbeitet. Das ist halt der Nachteil, wenn man nur irgendwas nachplappert, was man nicht verstanden hat, aber irgendwie gut findet: man kann inhaltlich nicht mithalten und gerät ins Schwimmen, wenn man argumentativ Farbe bekennen muss.

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Nur gut, dass deine ganzen Einwendungen, die du mir gegenüber gemacht hast, vor Abwertung nur so strotzen. Aber du darfst das selbstverständlich.

Auf welchem Niveau wollen wir denn argumentieren, wenn deine Argumentationskette ist: Preisentwicklung durch Spekulation gibt es nicht, weil ich, C_Punkt Kredite auf Warentermingeschäfte vergebe.

Selbstverständlich gibt es diese Entwicklung. Unter anderem das Beispiel Ukraine hat gezeigt, dass die Preiskurven eben nicht mit Nachfrage und Angebot im Einklang standen. In den verlinkten Artikeln wird aufgezeigt, wie komplex die Materie ist. Das reicht davon, dass Länder im großen Stil in der Folge dieser Spekulationen und enormen Preisausschläge Rohstoffe zurückhalten bis hin zu den vielfältigen Gründen für diese Schwankungen. Dann sind wir bei dem Punkt der Psychologie der Börsen. Ein großer Teil dessen, was da an Schwankungen passiert, hat mit objektiven Kriterien eben nichts mehr zu tun. Warum nun sollte Börsenpsychologie ausgerechnet bei Warentermingeschäften auf dem Trockenen liegen?
Und nun wühl weiter in deinem Dreck.