Hallo,
eine Lehre habe ich vorher nicht gemacht, ein Praxissemester gabs auch nicht.
Versuche gab es natürlich, ich erinnere mich auch noch sehr gut an den Versuch „Synchron- und Asynchronmaschine“.
Über eine eventuelle Verbindung des Sternpunktes mit dem Neutralleiter haben wir uns da allerdings keine Gedanken gemacht. Daß das nicht nötig ist, war klar. Ob es Sinn machen würde…? Darüber macht man sich erst Gedanken, wenn man selber davor steht. Aber Gott sei Dank, das Studium sollte schon dafür sorgen, DASS man sich Gedanken macht - dann ist die Hälfte zur Lösung schon geschafft. Besser als es dann einfach nach gut dünken zu machen.
Grundlegende, berufsbezogene Fachbücher hat man! Und zwar
gekaufte!
Ich habe viele Fachbücher, in die ich tatsächlich in manchen Fällen auch noch mal reinsehe. Aber der Umgang mit dem 400V-Drehstromnetz ist für einen Dipl.-Ing. Elektrotechnik nicht direkt berufsbezogen.
Ich kann Dir die Verluste auf den Freileitungen berechnen und solche Scherze, daß ist dann schon eher on topic.
Ihr Hochschulabsolventen nehmt doch für euch ‚Fachkompetenz‘ in
Anspruch! Wo kommt die denn her???
Meine Fachkompetenz liegt in ganz anderen Gebieten. Ich projektiere keine Hausinstallationen. Damit habe ich beruflich überhaupt nichts zu tun. Schließlich ist es normal, daß sich der Dipl.-Ing. spezialisiert und in Bereiche vordringt, von denen im Studium nicht zu träumen war.
Der Umgang mit unserer Stromversorgung hat alleine private Gründe bei mir. Und dort liegt meine Fachkompetenz dadrin, daß ich weiß, was ich weiß - und daß ich auch weiß, was ich nicht weiß und dann nachlese oder auch nachfrage. Und daß ich überhaupt darüber nachdenke, warum ich etwas so und nicht anders mache. Und gerne etwas dazulerne.
Allerdings stellt mich da die Antwort „steht so in der Norm“ nicht zufrieden. Nicht jede Norm ist das Papier wert, auf dem sie steht.
Ich möchte dann auch bitte wissen warum.
Ich verstehe das Studium als Anleitung, selber zu denken. Sich Gedanken zu machen. Wissen, worüber man nachdenken muß, wo man das Nachlesen kann oder wie man die richtigen Fragen stellt. Und sich nicht stur an irgendwelche Regeln zu halten.
Mir ist auch der Arzt lieber, der sich nicht zu stolz ist zuzugeben, daß er sich da nicht auskennt und das dicke Medizinbuch aus dem Regal holt, als der Arzt, der mir lieber irgendwelchen Mist erzählt in der Annahme, ich würde davon eh nichts verstehen, mir keine Gedanken darum machen und könne das eh nicht kontrollieren.
In diesem Sinne sehe ich meine Fachkompetenz als Anwendung des gesunden Menschenverstandes. Ich kann nicht alles fachbezogene wissen - aber ich kann mir in kurzer Zeit (hoffentlich) das Wissen aneignen, um fachbezogene Probleme zu lösen. DAS sehe ich als den zentralen Punkt des Studiums an: Nicht wissen, was in der Norm steht (natürlich kann das nicht schaden), sondern Probleme lösen zu können. Durch eingenes Denken. Die Norm nicht nur anzuwenden, sondern auch zu verstehen.
Und dabei dazulernen. Gibt es etwas schöneres? 
Wie heißt es so schön: Wer nicht fragt bleibt dumm. Ich frage lieber.
Aber jetzt wirds bald esoterisch :o)
Gruß,
Martin