Hallo, Herr Hauser,
Soweit ich weiß, gibt es bei Grundlagenbescheiden keine
Verjährungsfrist.
Das ist nicht ganz richtig. Auch hinsichtlich der Änderung eines Folgebescheides nach Ergehen eines Grundlagenbescheides gibt es eine Verjährungsfrist. Diese reicht maximal zwei Jahre über die normale Verjährungsfrist hinaus (§ 171 Abs. 10 Satz 1 AO).
Sie haben leider nicht geschrieben, wann Ihnen der Schwerbehindertenbescheid erteilt worden ist; ich gehe allerdings davon aus, dass dies jetzt im Jahr 2011 war.
Wenn das der Fall ist, können auch die Einkommensteuerbescheide 1995 bis 2000 bis zum Jahr 2013 geändert werden. Das Finanzamt ist wegen der bindenden Wirkung des Grundlagenbescheides gem. § 175 Abs. 1 AO auch zur Durchführung der Änderung verpflichtet.
Allerdings führt das Finanzamt hier eine verwaltungsinterne (und deshalb für Sie rechtlich nicht verbindliche!) Vorschrift ins Feld, die wortgleich von verschiedenen Oberfinanzdirektionen erlassen worden ist. Ich beziehe mich exemplarisch auf die Verfügung der OFD Niedersachsen vom 17.9.2010 (S 0353 - 9 - StO 144). In dieser Verfügung wird zwar die grundsätzliche Änderungsmöglichkeit aufgrund Grundlagenbescheides bejaht (Ziff. 8.2 der Verfügung), gleichzeitig wird jedoch behauptet, die Änderung könne abgelehnt werden, wenn ihr der Rechtsgrundsatz der Verwirkung entgegenstehe. Das heißt auf deutsch: Wenn die Jahre, für die geändert werden müsste, zu weit zurückliegen, dürfe einfach aufgrund Zeitablaufs (Achtung: Nicht verwechseln - das hat nichts mit Verjährung zu tun!) die Änderung versagt werden, um „den Rechtsfrieden zu wahren“. Diesen perversen Gedanken versucht die Finanzverwaltung damit zu legitimieren, dass sie sagt, selbst bei Steuerhinterziehung gilt eine maximal zehnjährige Festsetzungsverjährungsfrist, und dass diese nicht länger sei, sei schließlich auch nur dem Gedanken an den Rechtsfrieden geschuldet. Für eine Änderung aus anderen Gründen dürfe deshalb nichts anderes gelten (Ziff. 8.3 der Verfügung).
Wohlgemerkt: Aus dem Wortlaut des Gesetzes lässt sich eine solche Auffassung nicht herleiten.
Das hat auch das Niedersächsische Finanzgericht so gesehen. In seinem Urteil vom 16.09.2010 (Az. 16 K 295/09) hat es unmissverständlich als Leitsatz festgestellt: „Bei Erlass eines Grundlagenbescheides scheidet eine Verwirkung der Steuerfestsetzung aus.“
Auf dieses Urteil sollten Sie sich auf jeden Fall berufen. Sie haben meines Erachtens einen Rechtsanspruch auch auf Änderung der Bescheide 1995 bis 2000 und sollten diesen auch im Einspruchsverfahren gegen die Ablehnung der Änderung bzw. im Klageverfahren auf Verpflichtung des Finanzamts zur Vornahme der Änderung unbedingt verfolgen.
Es mag sein, dass die Daten der Jahre vor 2001 beim Finanzamt nicht mehr vorhanden sind. In diesem Fall können Sie aber, wie von Ihnen vorgeschlagen, dem Finanzamt die Steuerbescheide dieser Jahre präsentieren und auf deren Grundlage die Änderung verlangen.
Mit freundlichem Gruß
Uwe Szymborski
Steuerberater