Steuernachzahlung

Liebe/-r Experte/-in,

Ich habe seit diesem Jahr einen Schwerbehindertenausweiß (50%)rückwirkend bis 1995 ausgestellt bekommen. Ist es richtig, daß das Finanzamt den entspr. Pauschbetrag nur bis zu 10 Jahren in die Vergangenheit berücksichtigen kann und eine Neuberechnung auch nur für die Jahre vornimmt, für die eine Steuererklärung abgegeben wurde?
Schließlich wurde ja von meinem ehem. Arbeitgeber auch in den 90ern jedes Jahr Lohnsteuer ans FA abgeführt, die mit Behinderung niedriger ausgefallen wäre.
Sind die Jahre 1995-2000 also verloren für mich?

Auf eine Zweitmeinung freut sich
Andreas

Hallo, grundsätzlich sieht die Abgabenordnung vor, dass sobald Änderungen eintreten, deren Säumnis Sie nicht zu vertreten haben, wie in Ihrem Fall (spätere rückwirkende Anerkennung), auch rückwirkend Berücksichtigung finden müssen.

In diesem Fall ist keine gesetzliche Begrenzung gesetzt, sprich alle betroffenen Bescheide sind entsprechend zu berichtigen.

Beantragen Sie daher, ggfl., unter Einschaltung eiens Steuerberaters, die Änderung der betroffenen Steuerbescheide.

Die Anträge aber fristgerecht stellen, nach vorne gelten meines Wissens nach, nach der Neuregelung des Sozialgesetzbuches 2000 Verjährungsfristen, vorher 3, dann 4 Jahre.

Bzgl. der Jahre, für die kein Bescheid vorliegt, bzw. keine Erklärung gemacht worden ist, folgendes, der Bundesgerichtshof hat noch in 2009 geurteilt, dass auch Steuererklären für weiter zurückliegende Jahre erfolgen können (hier bis 2003), da an sonsten eine Ungleichbehandlung zwischen den Steuerarten bestanden hätte. Geurteilt mit (Az: VI R 1/09 v.12.11.2009).

Bezogen auf Ihre Situation würde ich alle vorher liegen
Jahre auf gezahlte Einkommensteuer untersuchen und in soweit möglich, auch Steuererklärungen einreichen.

Sollten hierzu dann ablehnende Bescheide erfolgen, sind diese aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung meiner Meinung nach anfechtbar.

Grüße

Al

Hallo Andreas,

Du kannst Deine Steuererklärungen rückwirkend bis 1995 ändern lassen (bzw., soweit noch nicht geschehen, die entsprechenden Steuererklärungen abgeben):

Es handelt sich bei dem Schwerbehindertenausweis um neue Tatsachen, daher ist ein Steuerbescheid nach § 173 Abgabenordnung (AO) zu ändern; daran, daß diese Tatsachen erst nachträglich bekannt werden, trifft Dich kein grobes Verschulden (§ 173 Abs. 1 Nr. 2 AO).

Normalerweise sind hier Verjährungsfristen zu beachten.

Gleichzeitig handelt es sich jedoch bei dem Schwerbehindertenausweis um einen Grundlagenbescheid i.S.d. § 171 Abs. 10 AO, so daß hier eine Ablaufhemmung eintritt. In diesem Fall endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheides. Da Du den Ausweis in diesem Jahr bekommen hast, hast Du noch genügend Zeit, um die bereits ergangenen Bescheide ändern zu lassen bzw. für noch nicht veranlagte Jahre Erklärungen nachzureichen.

Viele Grüße

Merger66

Hallo Andreas,

der Behindertenausweis ist ein ausßersteuerlicher Grundlagenbescheid, der die Finanzverwaltung bindet. Insofern gibt es keine „Verjährung“. Aber das Finanzamt kann nur die Steuererklärungen ändern, die auch eingereicht wurden.

Hier gilt die übliche Festsetzungsfrist:

4 Jahre (oder, wenn keine Steuererklärung abgegeben wurde obwohl Sie dazu verpflichtet gewesen wären, 7 Jahre). Die 4 bzw. 7 Jahre beginnen zu laufen mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Also: Theoretisch könnten Sie noch bis einschließlich heute (31.12.2010) die Steuererklärungen bis einschl. 2006 (bzw. wenn Sie hätten eine abgeben müssen bis einschl. 2003) abgeben.

Aber alle vorliegenden Steuererklärungen bis 1995 zurück müsste das Finanzamt ändern.

Gruß
Ralf