Stimmumfang

Hallo!
War neulich beim HNO, um mir nach einer Erkältung attestieren zu lassen, dass im Hals wieder alles ok ist und ich sangesmäßig wieder unbesorgt loslegen kann.

Ich sagte der Ärztin, ich wäre Alt (na gut, ein alter Alt :smile:, aber meine Lehrerin und ich würden daran arbeiten, die Stimme weiter nach oben auszubauen, und meinte im Spaß: „Natürlich werde ich nie ein Sopran.“ Sie sofort, natürlich nicht, das ist unmöglich, wegen der Stimmbänder etc. p.p.

Jetzt möchte ich’s aber wissen: Man hört öfter, dass eine Sängerin „umgeschult“ hat, von Mezzo nach Sopran, und ich glaube mich zu entsinnen, dass ich letztens im Interview gehört habe, dass auch ein Alt sich zum Sopran hat ausbilden lassen, sogar in fortgeschrittenem Alter. Auch umgekehrte Fälle gibt es.

In welchem Ausmaß ist es nun eigentlich möglich? Gibt es Leute, die mittellange Stimmbänder haben, die sich nach beiden Seiten „dehnen“ lassen, und bei denen es nur einer entsprechenden Schulung bedarf, um die Stimmlage zu verändern?

Gruß,
Eva

Hallo Eva,

das ist eine interessante Frage. Meine Mutter hatte eine eigentlich hervorragende Gesangsausbildung - bis auf den traurigen Umstand, daß sie zum Sopran geschult wurde, eigentlich aber zumindest Mezzo war. Eine wunderschöne Stimme wurde dadurch zerstört.

Das ist so lange her, daß ich mir nicht sicher war, ob es inzwischen neue Methoden und/oder neue Erkenntnisse gibt.

Ich fand eben diese interessante Seite:
http://www.gesanglehrer.de/de/pdf/jones/Stimmfach.pdf

Es ist also offenbar bei einem Wechsel des Stimmfaches nach wie vor große Vorsicht geboten.

Hoffentlich trägt noch jemand eigene Erfahrungsberichte bei.

Grüße,
MrsSippi

Hallo Eva,

(Jetzt möchte ich’s aber wissen: Man hört öfter, dass eine
Sängerin „umgeschult“ hat, von Mezzo nach Sopran, und ich
glaube mich zu entsinnen, dass ich letztens im Interview
gehört habe, dass auch ein Alt sich zum Sopran hat ausbilden
lassen, sogar in fortgeschrittenem Alter. Auch umgekehrte
Fälle gibt es.)

Also, mal abgesehen, dass im Profibereich nicht so große Unterschiede im Umfang und den Spitzen bestehen:
Sopran (a)c1 - a2 (c3, f3)
Mezzo g-f2
Alt f-f2 (h2)
Tenor (B) c-a1 (c2)
Bariton A-g1
Bass: (D) E- e1(f1)
ist es auch eine Frage des Wohlfühlens und der Stimmfarbe. Also, quasi die Lage, in der man Geld verdient. Das ist natürlich etwas pauschal gesagt,aber auch Sopräne können tief singen und Altistinnen hoch, es klingt halt nur nicht so gut wie bei der Konkurrenz.
Im Hinblick auf die Stimmphysiologie ist es so, dass die Dicke der Stimmbänder das Stimmfach bestimmen (dramatisch, lyrisch oder auch: Wagner oder Mozart). Die Stimmbänder können auch unterschiedlich lang sein. Es gibt zwei (Haupt-)Bewegungen, die dafür sorgen, dass der Ton höher wird.Einfacherweise ist es etwa so, dass die Stimmlippen in den Spannapparat ), wie zwei Gummibänder, die über einen Ring gespannt sind, eingehängt sind. Der Ringknorpelbogen kippt an den Schildknorpel und Muskeln (Vokalis und Konsorten) sorgen für die Feineinstellung durch Spannungen, dadurch werden die Stimmlippen gespannt. Irgendwann ist Ende, da der Ringknorpel am Schildknorpel aufliegt. Dann ordnen sich die Muskeln neu und bilden neue Spannungen, die den Ton höher machen. Vergleichbar mit einem Gummiband, das man fest irgendwo zwischen/um etwas (z.B um Gläser) einspannt. Je weiter die beiden Endpunkte auseinanderstehen, desto höher der ton des schwingenden Gummibandes. Das sind die Knorpel. Wenn man manuell mit den Fingern die Gummibänder weiter zieht, dann werden sie, ohne dass man die Gläser weiter auseinanderstellt, auch höher (Muskeln). Lange Rede, kurzer Sinn, man kann die MSuskeln, die die Stimme erhöhen, trainieren (Christa Ludwig sprach in einem Meisterkurs vor zwei Jahren von einem Ganzton pro Jahr, den man sich antrainieren kann)Also, ist auch der Trainingszustand der Muskeln dafür verantwortlich, wie hoch du kommst (es kommt eben nicht immer auf Länge an…) Irgendwann sind, wie beim Sportler, allerdings auch Grenzen erreicht. Das hängt aber auch mit der Dicke der Stimmbänder und anderen Faktoren zusammen. Mit Schulung kann man eine Menge erreichen, aber bitte vorsichtig und nie mit Gewalt, die Präferenzen des Schülers berücksichtigen
und professionelle Unterstützung suchen!
Zum NAchlesen auch sehr empfehlenswert: „Die Sängerstimme“ von Wolfram Seidner und Jürgen Wendler, gar nicht so teuer
Gruß, nille14
PS: Ich war auch mal ein Alt und singe jetzt beides, Alt und Mezzofach

Hallo!
Da kann ich nur überwältigt Danke sagen, eine wunderbare, erschöpfende Antwort auf meine Frage!

PS: Ich war auch mal ein Alt und singe jetzt beides, Alt und
Mezzofach

Meine Stimme hat sich auch schon ganz schön nach oben entwickelt, nachdem ich anfangs ein sehr tiefer Alt war. Ist die Arbeit etlicher Jahre bei einer tollen Lehrerin, die nicht nur selber Sängerin ist, sondern Gesangspädagogik studiert hat, mit allen Nebengebieten u. Fortbildungskursen, die es da noch gibt. Bei ihr ist eine Stimme wirklich in besten Händen. Das empfohlene Buch werde ich mir dennoch anschaffen.

Wünsche ein schönes Wochenende,
Eva

das ist eine interessante Frage. Meine Mutter hatte eine
eigentlich hervorragende Gesangsausbildung - bis auf den
traurigen Umstand, daß sie zum Sopran geschult wurde,
eigentlich aber zumindest Mezzo war. Eine wunderschöne Stimme
wurde dadurch zerstört.

Hallo, MrsSippi!
Fast wäre es mir so ergangen. Habe völlig unbeleckt - immer nur Rock & Pop gesungen - bei meiner Lehrerin angefangen, die mich als „tief“ einstufte, einfach mal so als Arbeitsgrundlage und sehen wir mal, wie sich das entwickelt. Hat mich zum HNO geschickt, um vorsichtshalber nachschauen zu lassen, ob der Stimmapparat in Ordnung und belastbar ist. Alles ok.

Dann hat die Lehrerin die Musikschule verlassen und ich musste bleiben, wegen Vertrag, und bei ihrem Nachfolger weitermachen, der mich - oh Wunder! - gleich als Sopran erkannte und die Tonleitern hinaufjagte. Wenn ich vom Unterricht nach Hause kam, konnte ich nur noch flüstern. Habe zum frühestmöglichen Termin gekündigt und fahre jetzt in den Nachbarort zu Privatstunden bei meiner ersten Lehrerin, schon seit sechs Jahren.

Ich singe zwar nicht professionell, sondern nur zum Spaß, obwohl ich im Rahmen von Konzerten der Gesangsklasse schon ein paar Mal auf der Bühne gestanden habe, aber mich schaudert’s, wenn ich denke, wie kaputt heute meine Stimme wäre, wenn ich auf der Musikschule geblieben wäre. War ein privates Institut, und in dem Zusammenhang habe ich mal eine Frage: Wenn an einem solchen Institut der Lehrer wexelt und man merkt, mit dem oder der Neuen kommt man nicht zurecht, grade auf einem so sensiblen und intimen Gebiet wie der Stimmausbildung, wie kann es sein, dass man durch einen Vertrag gezwungen wird, sich evtl. die Stimme ruinieren zu lassen? Zwei Kolleginnen haben nämlich seinerzeit den Vertrag vorzeitig gekündigt, die Sache ging vor Gericht und sie haben verloren.

Gruß,
Eva

Den sehr ausführlichen Kommentaren zur Sache möchte noch ich eine Erfahrung aus der Laien-Chorarbeit hinzufügen: dort reihen sich Sängerinnen und Sänger, wenn sie die freie Auswahl haben, gerne in die Stimmgruppe ein, in der sie sich gerne sähen. Sie sind dann auch ganz schwer zu überzeugen, dass sie stimmlich eigentlich besser in einer anderen Stimme aufgehoben wären und dort auch dem Chor mehr helfen würden. Als Chorleiter drückt man sich gerne vor Zwangsversetzungen, weil das die Motivation leicht beschädigt und als Bestrafung empfunden wird.

Will sagen, die meisten Laiensänger haben kein sehr gutes Gefühl, was eigentlich ihre beste Stimmlage ist, sondern ordnen sich mehr nach Rollen zu (Sporan: tendentiell extrovertiert und laut; Alt: ruhige, bescheidene Zeitgenossinnen; Tenor: wir sind Raritäten; Bass: nein, so hoch komme ich nicht). Ist auch kein richtiges Problem, so lange man Gemeinde- und Vereinsarbeit macht und nicht in den Leistungsbereich kommt.

Vor einer Weile habe ich diese Art der Selbsteinschätzung aber mal in einem selbst getexteten Chor-Kanon karrikiert, den wir auch aufgeführt haben. Die einzelnen Stimmen hatten folgenden Text:

(Sopran): Ganz wie mehr Geld der Kleptomane brauchen Höhe die Soprane, die Töne hell. die Augen weit, so singen sie in Ewigkeit.

(Alt): Altistinnen meiden Extreme, sie gönnen andern die Probleme. Wo andre nach den Tönen ringen, sie ganz entspannt die ihren singen.

(Tenor): Sieht man ein paar in Sängerkreisen den Mund noch weiter auf sich reissen als alle andern in dem Chor, so heißt diese Gruppe der Tenor, Tenor, Tenor ----

(Bassisten): Wie des Teufels Flammenlohe meiden Bässe alles hohe. Tief im Trüben gehn sie fischen, dubiose Töne mischen.

In diesem Sinne beste Grüße
Wolfgang Barina

Hallo Eva,

was Du da berichtest, finde ich unglaublich!
Wie gut, daß Du davongekommen bist und Deine Stimme verschont wurde.

Wenn an einem
solchen Institut der Lehrer wexelt und man merkt, mit dem oder
der Neuen kommt man nicht zurecht, grade auf einem so
sensiblen und intimen Gebiet wie der Stimmausbildung, wie kann
es sein, dass man durch einen Vertrag gezwungen wird, sich
evtl. die Stimme ruinieren zu lassen? Zwei Kolleginnen haben
nämlich seinerzeit den Vertrag vorzeitig gekündigt, die Sache
ging vor Gericht und sie haben verloren.

Das kann ich Dir nicht beantworten, denke aber, daß die beiden anwaltlich schlecht beraten wurden.
Stell das doch mal im Rechtsbrett zur Diskussion - die Experten da könnten das doch als abstrakten Fall erörtern, wär interessant, zu welchem Ergebnis sie kommen.

Weiterhin viel Spaß bei der Sangeskunst!
Grüße,
MrsSippi

Hallo, Wolfgang!

Großartig! Und wahr Deine Beobachtungen! Aber auch Chorleiter in Nöten reihen gern mal Sangesfreudige in die Gruppe ein, wo’s an Stimmen fehlt, oder „verhören“ sich beim Vorsingen und denken, na, die ist Sopran usw. Meine Lehrerin kriegt öfter mal so ins falsche Fach gelenkte Stimmen zum Korrigieren. Ich interessiere mich auch für den Eintritt in einen bestimmten Chor und auf Nachfrage meinte eine Bekannte, die bereits dort singt:„Ganz dringend brauchen wir Tenöre! Singst Du denn auch Tenor?“ Altistinnen übernehmen zwar öfter mal einen Tenorpart im Chor, und ich habe auch von Natur aus eine besonders tiefe Lage, die mir das problemlos ermöglichen würde, aber ich will das nicht, sonst komme ich aus der Lage nie wieder raus, und meine Lehrerin hat mir auch sehr abgeraten.

Was die Selbsteinschätzung angeht: Ich weiß, ich bin Alt mit einer durchaus ansprechenden Höhe, und bin auch zufrieden, aber in meiner Kehle und meinem Kopf fühlt es sich oft an, als warteten die ganz hohen Töne nur darauf sich loszureißen und jubelnd hervorzubrechen; als wäre in mir noch eine ganz andere Stimme drinnen, die sich endlich Gehör verschaffen will. So kann man sich irren…

Deinen Kanon finde ich großartig! Eine kleine Anmerkung aus meinem Fach:

(Alt): Altistinnen meiden Extreme, sie gönnen andern die
Probleme. Wo andre nach den Tönen ringen, sie ganz entspannt
die ihren singen.

Entspannt sollte man beim Singen immer sein (jedoch die Unterspannung meiden :wink:, aber Altistinnen haben auch ihre prekären Stellen, wo’s nämlich über den „Bruch“ geht. Das möglichst wenig hörbar zu meistern, macht auch Altistinnen gelegentlich etwas nervös…

Herzliche Grüße und viel Freude bei der Chorarbeit!
Eva

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