Stochastik Urnenmodell

In unserem Matheunterricht in der Schule, haben wir zum Einstieg in die Stochastik bzw. in das Urnenmodell eine Aufgabe bekommen, die wir bis jetzt nicht gelöst haben. (Klingt unglaublich, aber wahr: auch mit Hilfe des Matheleherers nicht!!!)

In einem Topf liegen 100 durchnummerierte Kugeln (0, 1, 2, …, 99, 100). Aus diesem Topf wird eine Kugel gezogen.
a) Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Zahl auf der gezogenen Kugel GENAU eine 1 enthält. (19%)
b) Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Zahl auf der gezogenen Kugel MINDESTENS eine 1 enthält. (20%)

Die Lösugnen habe ich jetzt durch einfaches stupides Zählen der Möglichkeiten erhalten.

Gibt es für diesen Aufgabentyp auch die Möglichkeit dies rechnerisch (wenn möglich mit Grundlage des Urnenmodells) zu lösen?

Vielen Dank im Voraus,
Thomas

Hey Thomas,

also erstens: Wenn ihr die Kugeln von 0 - 100 durchnummeriert, dann habt ihr schon mal 101 Kugeln und nicht 100.

Zweitens: Deine Wahrscheinlichkeiten stimmen nicht. Stupides Zählen der Möglichkeiten ist ein wichtiges Hilfsmittel in der Stochastik: Nennt sich auch Laplace´sche Wahrscheinlichkeit.
Anzahl der günstigen Fälle geteilt durch die Anzahl der möglichen Fälle.
In eurem Fall:

a)

Anzahl der günstigen Fälle = Anzahl der Kugeln mit genau einer 1= 11

Anzahl der möglichen Fälle = Anzahl aller Kugeln= 101

Daraus folgt: Die Wahrscheinlichkeit ist 11 / 101 = 10,9%

b)

Es kommt nur noch ein günstiger Fall dazu (die 11), also 12

Damit kommt für die Wahrscheinlichkeit raus: 12 / 101 = 11,9%

Gruß René

Korrektur
Hey Thomas,

eine kleine Korrektur:

deine Rechnungen waren korrekt - bis auf die Tatsache, dass es eben 101 Kugeln sind und nicht nur 100.

Habe 8 günstige Fälle jeweils vergessen:
Nochmals genau:

Ereignis A: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass genau eine 1 vorkommt?

A = {1, 10, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 21, 31, 41, 51, 61, 71, 81, 91, 100}

P(A) = \frac{|A|}{|\Omega|} = \frac{19}{101} \approx 18,1 \varkappa

Ereignis B: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens eine 1 vorkommt?

A = {1, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 21, 31, 41, 51, 61, 71, 81, 91, 100}

P(A) = \frac{|B|}{|\Omega|} = \frac{20}{101} \approx 19,8 \varkappa

Ich hoffe diesmal stimmt alles :wink:

Gruß René

1 „Gefällt mir“

Ja, entschuldige. Sind nicht von 0 - 100 durchnummeriert, sondern von 1 - 100 (also doch 100 Kugeln).

Aber gibt es eine andere Möglichkeit, bis auf das Zählen. Denn angenommen es sind nicht 100, sondern ggf. 1.000 oder gar 10.000 Kugeln und etwas „anspruchsvollere günstige Möglichkeiten“, dann zählt man ja morgen noch?!

Ansonsten schon einmal vielen Dank für die Antworten.

Hallo Thomas!

Aber gibt es eine andere Möglichkeit, bis auf das Zählen. Denn
angenommen es sind nicht 100, sondern ggf. 1.000 oder gar
10.000 Kugeln und etwas „anspruchsvollere günstige
Möglichkeiten“, dann zählt man ja morgen noch?!

Du musst ja nicht jede Kugel einzeln zählen, beim Zählen darfst Du schon nachdenken. Nichtsdestoweniger ermittelst Du die Zahl der günstigen Ereignisse, also zählst Du.

a) Für Kugeln 0-9 (einstellige Zahlen): Es gibt eine Kugel mit genau/mindestens einer 1.

b) Kugeln 0-99 (höchstens zweistellige Zahlen): Für jede Zehnerstelle außer der 1 (das sind dann 9 verschiedene: 2-9 und 0) gibt es nach a) genau eine Kugel, die genau/mindestens eine 1 enthält: 01,21,31 u.s.w. – macht insgesamt 9 Kugeln.
Bei der 1 als Zehnerstelle gibt es 10 Kugeln, die mindestens eine 1 enthalten (nämlich alle). Wenn die Kugel höchstens eine 1 enthalten soll, darf die Einerstelle nicht 1 sein, diese 1 Möglichkeit fällt also weg, es bleiben 9.
Zusammen ergeben sich also unter den zweistelligen Zahlen 18, die genau eine 1 enthalten, und 19, die mindestens eine 1 enthalten.

c) Kugeln 0-999 (höchstens dreistellige Zahlen): Für jede Hunderterstelle außer 1 gibt es gemäß b) 18 bzw. 19 Kugeln, die genau bzw. mindestens eine 1 enthalten. Insgesamt macht das 9*18=162 bzw. 9*19=171 Kugeln.
Bei der 1 als Hunderterstelle gibt es 100 Kugeln, die mindestens eine 1 enthalten. Soll die Kugel höchstens eine 1 enthalten, müssen wir alle, die in den letzten zwei Stellen noch (mindestens) eine 1 enthalten, abziehen. Nach b) sind dies 19, es bleiben also 81.
Zusammen gibt es 243 bzw. 271 Kugeln mit genau bzw. mindestens einer 1.

d) Kugeln 0-9999: Für die Tausenderstellen außer 1 jeweils 243 bzw. 271 Kugeln, insgesamt also 9*243=2187 bzw. 9*271=2439.
Bei der Tausenderstelle 1 noch einmal 1000 bzw. 1000-271=729.
Insgesamt also 2916 bzw. 3439.

Und so weiter. (Rechnung ohne Gewähr, Fehler schleichen sich schnell ein.)
Man könnte jetzt versuchen, eine allgemeine Formel für diese jeweiligen Anzahlen herzuleiten. Das würde man zunächst rekursiv machen (a_n: genau eine 1, b_n: mindestens eine 1; n steht für die Anzahl möglicher Ziffern):
a_1 = b_1 = 1.
a_n = 9*a_{n-1} + 10^{n-1} - b_{n-1}.
b_n = 9*a_{n-1} + 10^{n-1}.
Und schließlich sieht vielleicht jemand (ich nicht) ein Prinzip, nach welchem man dann das a_n direkt ausrechnen kann, ohne vorher alle a_k für k

Hallo Immo,

Man könnte jetzt versuchen, eine allgemeine Formel für diese
jeweiligen Anzahlen herzuleiten. Das würde man zunächst
rekursiv machen [,]

rekursiv? Nie gehört :wink: Jedenfalls geht das auch problemlos direkt. Wie sich die fraglichen, genau eine Eins enthaltenden Zahlen klassifizieren lassen, hast Du ja schon erläutert. Für die Stellenzahl n = 4, also die Grundmenge 0, …, 9999 könnte man sie z. B. so darstellen:

1 –\> 1
F1 –\> 8
1Z –\> 9
FZ1 –\> 8 · 9
F1Z –\> 8 · 9
1ZZ –\> 9 · 9
FZZ1 –\> 8 · 9 · 9
FZ1Z –\> 8 · 9 · 9
F1ZZ –\> 8 · 9 · 9
1ZZZ –\> 9 · 9 · 9

(F = Ziffer für führende Stelle = 2...9 = acht Stück,
Z = Ziffer für nicht führende Stelle = 0, 2...9 = neun Stück)

Hinter die Pfeilen habe ich die jeweiligen Anzahlen notiert. Die Summe der Anzahlen für die vierstelligen Zahlen ist somit

8\cdot9\cdot9 + 8\cdot9\cdot9 + 8\cdot9\cdot9 + 9\cdot9\cdot9
:=:
(3\cdot8 + 9)\cdot9^2

und die Verallgemeinerung auf die Summe der Anzahlen bzgl. aller k-stelligen Zahlen lautet

\Big(8 (k-1) + 9\Big):9^{k-2}

und somit ist die gesuchte Gesamtsumme der Zahlen gegeben durch

\sum_{k=1}^{n}\Big(8 (k-1) + 9\Big):9^{k-2}
= \sum_{k=0}^{n-1}(8 k + 9):9^{k-1}

(man beachte, dass es in beiden Summen auch für den Startindex stimmt: (8 · 0 + 9) 9–1 = 1).

Die Summe kann komplett aufgelöst werden mit einem verblüffend einfachen Ergebnis, nämlich

n:9^{n-1}

(n = 1: 1
n = 2: 18
n = 3: 243
n = 4: 2916
n = 5: 32805
n = 6: 354294)

Die Wahrscheinlichkeit, beim zufälligen Herausgreifen einer Zahl aus den ersten 10n Zahlen (0, …, 10n – 1) eine zu erwischen, die genau eine „1“ enthält, ist also

p = \frac{n:9^{n-1}}{10^n} = \frac{n}{10-1} \Big(1 - \frac{1}{10}\Big)^n

Diese Wahrscheinlichkeit ist maximal für n = 9 und 10 und hat dort den Wert ≈ (1 – 1/10)9 ≈ 0.38742.

Gruß
Martin

PS: Kann man vielleicht sogar „n 9n–1“ anhand irgendeines cleveren Schemas direkt sehen? Ich habe darauf keine Antwort.

2 „Gefällt mir“

1 –> 1
F1 –> 8
1Z –> 9
FZ1 –> 8 · 9
F1Z –> 8 · 9
1ZZ –> 9 · 9
FZZ1 –> 8 · 9 · 9
FZ1Z –> 8 · 9 · 9
F1ZZ –> 8 · 9 · 9
1ZZZ –> 9 · 9 · 9

(F = Ziffer für führende Stelle = 2…9 = acht Stück,
Z = Ziffer für nicht führende Stelle = 0, 2…9 = neun Stück)

Hallo Martin!

PS: Kann man vielleicht sogar „n 9n–1“ anhand
irgendeines cleveren Schemas direkt sehen? Ich habe darauf
keine Antwort.

Klar doch (und im Nachhinein ärgert es mich, dass ich das nicht gleich gesehen hab):
Man muss einfach nur Dein Schema

1 –> 1
F1 –> 8
1Z –> 9
FZ1 –> 8 · 9
F1Z –> 8 · 9
1ZZ –> 9 · 9
FZZ1 –> 8 · 9 · 9
FZ1Z –> 8 · 9 · 9
F1ZZ –> 8 · 9 · 9
1ZZZ –> 9 · 9 · 9

(F = Ziffer für führende Stelle = 2…9 = acht Stück,
Z = Ziffer für nicht führende Stelle = 0, 2…9 = neun Stück)

so abwandeln, dass man auch die 0 als führende Stelle zulässt, also z.B. die Zahl 9 als 0009 schreibt.
Dann lassen sich die Zahlen mit maximal 4 Stellen und genau einer 1 wie folgt fassen:

ZZZ1 -\> 9³
ZZ1Z -\> 9³
Z1ZZ -\> 9³
1ZZZ -\> 9³
 ----
 4·9³

Wie man sieht, bekommt man für maximal n Stellen auch n mögliche Positionen für die genau eine 1, und für diese möglichen Positionen jeweils 9^(n-1) Möglichkeiten, die anderen Positionen zu besetzen.

Wenn das nun so einfach geht, kann man vielleicht auch eine Formel für die Anzahl der Zahlen mit mindestens einer 1 bei maximal n Stellen auf dieselbe Weise finden?

ZZZ1 -\> 9³
ZZ1X -\> 9² · 10
Z1XX -\> 9 · 10²
1XXX -\> 10³

(Z = Ziffer 0 oder 2 ... 9;
 X = Ziffer 0 ... 9)

Die Gesamtsumme ist also

\sum_{k=0}^{n-1} 9^k\cdot10^{n-k-1}

– leider ohne Binomialkoeffizienten.
Wolframalpha kennt aber trotzdem einen algebraischen Ausdruck für die Summe, und zwar

10^n-9^n.

Jetzt, da ich versuche, auch diese Formel direkt zu sehen, fällt mir noch eine andere Möglichkeit ein, die gesuchte Anzahl zu bestimmen: Maximal n-stellige Zahlen gibt es 10^n, und davon enthalten 9^n keine 1 (da ich für jene Zahlen ja nur neun mögliche Ziffern zur Verfügung habe). Es bleiben also 10^n-9^n Möglichkeiten für n-stellige Zahlen mit mindestens einer 1.

Liebe Grüße
Immo

1 „Gefällt mir“

Maximal n-stellige Zahlen gibt es 10^n, und davon enthalten 9^n keine 1

Hallo Immo,

you’ve got it :smile: Dank Dir für’s Weiterdenken. Da sieht mans mal wieder: Richtiger Durchblick ⇒ alles grandios einfach. Jetzt dürfen wir das Problem wohl wirklich als gelöst betrachten.

Mit bestem Gruß
Martin