'Stochastische Unabhängigkeit'

Ich gebe unumwunden zu, dass mir die Stochastik an der Mittelschule, wo ich mich vor 20 Jahren damit herumschlagen musste, herzlich nicht geheuer war, und da mich meine Berufswahl weit von diesem Thema entfernt hat kam ich bisher mit dieser Haltung gut über die Runden :smile: Jetzt hat meine 13 Jährige das selbe Problem :smile: und sie haut mir die Wikipedia um die Ohren. Ich zitiere mal aus dem Artikel über „Stochastische Paradoxa“:

„Doch nicht nur die bedingte Wahrscheinlichkeit, die in der ein oder anderen Form der erwähnten Paradoxa eine Rolle spielt, verleitet bisweilen zu Trugschlüssen; auch der Begriff der stochastischen Unabhängigkeit läuft der Intuition oft zuwider. Als Beispiel sei das folgende einfache Spiel genannt: ein gewöhnlicher, sechsseitiger Würfel wird zweimal hintereinander geworfen und die Augenzahlen addiert. Das Spiel ist gewonnen, falls die Summe der Augen eine gerade Zahl ist, andernfalls verliert der Spieler. Nun ist der Ausgang des Spiels (also ob das Ereignis „Spiel gewonnen“ eintritt oder nicht) vom Ausgang des zweiten Wurfs unabhängig. Obwohl sich dieses Ergebnis anhand der Definition der stochastischen Unabhängigkeit leicht nachprüfen lässt, ist es insofern verblüffend, als dass der zweite Wurf das Spiel ja endgültig entscheidet“

Mir scheint das eher ein wenig Wortklauberei und Definitionssache, und ich neige dazu, die Aussage als blanken Unsinn abzutun, wie jeder leicht nachprüfen kann, indem er den 1. Wurf macht und dann darauf wartet, dass er ohne den 2. zu machen (da dieser ja angeblich keinen Einfluss hat) herausbekommt, ob er gewinnt oder verliert. Ich könnte auch mit der Aussage leben, dass der 1. und der 2. Wurf gleich viel Einfluss auf das Endergebnis haben, und das Endergebnis von beiden Würfen bestimmt ist, da ja die SPielregel 2 Würfe vorschreibt, dass aber die Wahrscheinlichkeit, beim 2. Mal gerade oder ungerade zu werfen nicht davon abhängig ist, ob man beim 1. Mal gerade oder ungerade geworfen hat. Es ist aber wohl kaum so einfach, dass das Beispiel einfach darauf aufgebaut ist dass jemand die Begriffe der „Unabhängigkeit“ des Endergebnisses und der Unabhängigkeit der beiden Einzelwurfergebnisse so verquickt dass die provokante These vom Paradoxon entsteht. Meine Kleine wollte es genau wissen, und ich wollte sie nicht auf eine Vermutung hin in die falsche Richtung schicken. Ich konnte aber keine Definition des Begriffs „Stochastische Unabhängigkeit“ finden.

Kan mich jemand erhellen was es mit diesem Paradoxon auf sich hat? Ist es überhaupt eins? Ich fand das andere Beispiel (den Kometeneinschlag) deutlich paradoxer :smile:

Thx

Armin.

Fehlte noch:

http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Wahrsche…

Hi,

ohne das Ergebnis des ersten Würfels zu kennen, kann aus der Punktzahl des zweiten nicht auf den Ausgang des Spiels geschlossen werden. Es sind also immer zwei von den drei Ereignissen unabhängig, alle drei zusammen trivialerweise voneinander abhängig.

Ciao Lutz

Hi Lutz,

ohne das Ergebnis des ersten Würfels zu kennen, kann aus der
Punktzahl des zweiten nicht auf den Ausgang des Spiels
geschlossen werden. Es sind also immer zwei von den drei
Ereignissen unabhängig, alle drei zusammen trivialerweise
voneinander abhängig.

Danke für Deine Antwort, aber sie trifft m.E. nicht zu. Originaltext:

„Nun ist der Ausgang des Spiels (also ob das Ereignis „Spiel gewonnen“ eintritt oder nicht) vom Ausgang des zweiten Wurfs unabhängig.“

Das passt nicht zu Deiner Deutung, denn wenn man diese Anwendet gilt sie genau so auch für den 1. Wurf. Da per Spielregel beide zusammen über Sieg oder Niederlage entscheiden ist es unmöglich, das Endergebnis zu benennen ohne beide Würfe zu kennen. Das ist in der Tat trivial, weil Spielregel.

Der Text den ich da zitiert habe und den ich nicht verstehe sagt aber was Anderes. Er kapriziert sich auf den 2. Wurf. Wenn man den Text liest, bekommt man den Eindruck, die Stochastik würde behaupten, dass es egal ist, ob man beim 2. Wurf gerade oder ungerade würfelt, dass also bereits nach dem 1. Wurf fest steht, ob man gewinnt oder verliert. Und das ist - nach Lebenserfahrung - wohl definitiv Unsinn.

Also ist entweder der Text missverständlich formuliert um ein Paradoxon herbeizureden das gar keins ist, oder man wendet ein stochastisches Prinzip („Stochastische unabhängigkeit“) auf ein nicht passendes Beispiel an?

Ciao Lutz

Es wird wohl die triviale, evtl. missverständliche Lesart gemeint sein. „Ausgang des zweiten Wurfs“ bezieht sich allein auf den zweiten Würfel, nicht auf die zeitliche Abfolge der Würfe.

Bzw. bei der genannten Betrachtung ist gemeint, den „Ausgang des zweiten Wurfs“ ohne Kenntnis des „Ausgang des ersten Wurfs“ zu betrachten.

Es sagt ja keiner, dass Wikipediatexte pädagogisch bzw. didaktisch wertvoll wären.

Gruß, Lutz

‚Re^4: fast beereits einer Meinung :smile:
Hi Lutz,

Es wird wohl die triviale, evtl. missverständliche Lesart
gemeint sein. „Ausgang des zweiten Wurfs“ bezieht sich allein
auf den zweiten Würfel, nicht auf die zeitliche Abfolge der
Würfe.

Dazu neige ich im Moment auch, und war immer dieser Meinung (siehe 1. Posting). Eventuell spielt man hier auf die bei Spielen mit höherer Folge von Spieldurchgängen (Roulette) oft gehörte Irrmeinung ab, dass nach 10 Mal rot mit höherer Wahrscheinlichkeit beim 11. Mal schwarz kommen müsse, sodass also bei einem ungeraden 1. Wurf beim Zweiten mit höherer Wahrscheinlichkeit eine gerade Zahl kommen müsste und umgekehrt. Auch beim Lotto soll es ähnliche Überlegungen geben die leute dazu bringen, sich die Lottozahlen bis ins letzte Jahrtausend aufzulisten und dann Zahlen zu tippen, die bisher „seltener“ gezogen wurden.

Dann würde man aber wohl den Text in etwa so schreiben: die Wahrscheinlichkeit, beim 1. Wurf gerade oder ungerade zu würfeln ist 50/50, und die Wahrscheinlichkeit, beim 2. Wurf eine passende (gerade oder ungerade) Zahl zu würfeln so dass man gewinnt ist wieder 50/50. Der zweite (dritte, vierte, x-te) Wurf verändert also bei dieser Spielregel, die nur zwei Endzustände betrachtet (Gesamtsumme ist gerade oder ungerade) nichts an der Gewinnchance, aber das hat ja auch niemand behauptet, also wo ist das Paradoxon?

In dem Text steht aber etwas völlig Anderes, und eigentlich ist er so formuliert als handle es sich bei dem Beispiel um ein in Stochastikerkreisen lang und breit diskutiertes Paradoxon, und nicht einfach nur um einen schlecht formulierten Text, der noch dazu von einem selbst stammt. Ich habe in solchen Fällen eher Vertrauen zu den Wikipedia Autoren als zu mir.

Können wir daher dieses Thema wirklich mit der Erklärung „schlechter Text“ abtun? Haben wir wirklich verstanden was der Autor da gemeint hat?

Armin.

Naja,

es wird darauf angespielt, dass der zweite Wurf der „alles Entscheidende“ ist. Aber ohne Kenntnis bzw. in der Gesamtheit der Möglichkeiten des ersten Wurfes kann man aus dem zweiten nicht auf das Ergebnis schließen.

Warum eigentlich Würfel, Münzwurf wäre doch viel angebrachter.

Gruß, Lutz

–> das Würfelbeispiel ist kein Beispiel für ein „echtes“ Paradoxon, an dem man sich das Hirn verrenken kann. Da ist das Kometeneinschlags-Paradoxon schon von anderem Kaliber, daran hatten wohl auch die Mathematik-Genies zu ihrer Zeit ihre Freude.

War nett mit Dir zu diskutieren, guten Abend, und danke für die Denkanstöße.

Armin.