Stoibers Wirtschaftskompetenz

hi,

ich habe ja nun viel gelesen, daß Bayern ein so erfolgreiches und hochentwickeltes Land ist, daß der Ministerpräsident deswegen unbedingt auch Bundeskanzler werden muss.

Nun wird ja auch immer die wirtschaftliche toll dastehenden Unternehmen in München zitiert, die ja der Ministerpräsident akquirierte um seinen Freistaat voranzubringen.

allerdings hab ich den Eindruck, daß die Wirklichkeit ihn einholt.

EPCOS: Der Kurs sinkt und sinkt und der Laden soll aus dem DAX fliegen.

gruss
winkel

Hallo,

was - bitte genau und konkret die Maßnahme(n) benennen - soll Herr Stoiber oder beliebige Politiker/Parteien beliebiger Farben für irgend ein Unternehmen getan haben? Mit verschenktem Grund und Boden, mit Bereitstellung spezieller und kostenloser Infrastruktur und mit Subventionen oder Bürgschaften umwerben die Länder diverse Großunternehmen. Hunderte Millionen oder gar Milliardenbeträge führen dann zum Abwerben eines Betriebes aus einem anderen Bundesland. Dabei ergeben sich regelmäßig ausreichend Gelegenheiten, in die Kameras zu grinsen und die eigenen Wohltaten für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes zu beweihräuchern.

Tatsächlich beschränken sich die Fähigkeiten sämtlicher Ministerpräsidenten (und -innen) darauf, zu wissen, wie man Wirtschaft schreibt. Von der Bedeutung des Wortes existiert in diesen Kreisen nicht der Schatten einer Ahnung. Falls doch, werden die Kenntnisse sorgsam versteckt. Nicht einen einzigen schuldenfreien Landeshaushalt gibt es in dieser Republik. Nicht vorhandenes Geld wird mit vollen Händen ausgegeben. Wenn es nicht reicht, werden eben mehr Schulden gemacht. Die Unterschreitung der Neuverschuldung des vergangenen Jahres reicht schon für feierliche Pressekonferenzen mit stolzgeschwellter Brust. Mit der Sache angemessenem Sprachgebrauch müßte man aber feststellen, daß Schulden und Zinslasten wieder mal gestiegen sind. Keiner weiß, wie die Schulden je zu bezahlen sind und keinen scheint es zu interessieren. Nach Betrachtung der Landeshaushalte - aller Landeshaushalte! - kann ich nur zum Ergebnis kommen, daß dort wirtschaftliche Stümper am Werk sind. Von meinem Lebensmittelpunkt her beobachte ich die finanzielle Entwicklung der Nordländer am intensivsten. Da hörte ich doch kürzlich Frau Simonis über zu wenig Personal in ihren Ämtern klagen. Ich dachte wirklich, die Dame hätte getrunken…

So viel zur Wirtschaftskompetenz der Dame und der Herren. Auf die Idee, Maßnahmen zur drastischen Senkung der Abgabenlast zu treffen, scheint niemand kommen zu wollen. Ich rede nicht von Zehntelprozenten, ich rede von zig Prozent. Dafür muß sich die öffentliche Hand aus allen irgend verzichtbaren Bereichen zurück ziehen, damit einher gehend Deregulierung und Verkleinerung des Bediensteten-Apparates. Das geht nicht von heute auf morgen, aber jeder noch so bescheidene Anfang oder wenigstens Gedankenansatz fehlt. Wir brauchen die Abschaffung des Meisterzwangs, um arbeitswilligen Menschen eine selbständige Tätigkeit zu ermöglichen. Von mir aus dürfen solche Leute ohne Meisterbrief nicht ausbilden, aber laßt arbeitswillige Menschen endlich arbeiten und verschont sie von verzichtbarer Bürokratie. Weshalb muß jeder Miniladen einen Arbeitsmediziner oder einen Vertrag mit einem solchen haben? Weshalb bekommen Betriebe des produzierenden Gewerbes jährlich Fragebögen vom statistischen Landesamt mit so sinnigen Fragen, wie „wieviele Festmeter Holz schlagen Sie jährlich ein?“ Oder „Welchen Grundstoff verarbeiten Sie hauptsächlich?“ Was soll z. B. der Inhaber eines Elektronikbetriebes auf diesen Schwachsinn antworten? Wir brauchen eine massive Vereinfachung des Steuersystems. Es geht nicht an, daß man viel Geld für Berater ausgeben muß, um die Steuerschuld zu ermitteln. Wir brauchen bei öffentlichen Vorgängen für jedermann transparente Entscheidungen. Große Teile des öffentlichen Beschaffungs- und Auftragswesens sind ein einziger Korruptions- und Bakschisch-Sumpf. Ich weiß, wovon ich rede, kann mir aber heute solche Äußerungen unter vollem Namen leisten, weil ich auf diesen Ausschreibungsmist nicht mehr angewiesen bin. Wir brauchen Kostentransparenz und Eigenverantwortung im Gesundheitswesen. Das wirkt Wunder auf die Kosten.

So lange diese Dinge nicht geändert sind oder wenigstens in Angriff genommen, behaupte ich, daß an der Spitze sämtlicher Bundesländer Taube sitzen, die ein Konzert dirigieren wollen.
In dieser Inkompetemnz unterscheiden sich Amtsinhaber und Kandidat absolut nicht, wie es mir überhaupt schwer fällt, Unterschiede auszumachen.

Gruß
Wolfgang

Hallöchen,

EPCOS: Der Kurs sinkt und sinkt und der Laden soll aus dem DAX
fliegen.

und dann noch Kirch und EM-TV. Uiuiui, mit Bayern geht es bergab, und wenn der Stoiber nach Berlin kommt, bricht da auch alles zusammen.

Mal ernsthaft: Was willst Du uns mit diesem Beispiel sagen?

Nun ist es ja nicht so, daß ich der größte Anhänger Stoibers wäre oder die relativ gute Wirtschaftslage Bayerns an der Person Stoiber festmache, aber für Unternehmen, die weltweit agieren, spielt die Wirtschaftspolitik in Bayern bestenfalls eine marginale Rolle. Der ganzen Branche geht es weltweit nicht besonders, da ist es doch nur logisch, daß sich Epcos der Situation nicht entziehen kann und der Börsenkurs dies widerspiegelt.

Die wirtschaftliche „Kompetenz“ einer Regierung besteht darin, die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft attraktiv zu gestalten und so die Ansiedlung von Unternehmen zu begünstigen. Dies scheint ja geklappt zu haben, denn damit ein bayerisches Unternehmen aus dem Dax fliegen oder pleite gehen kann, muß es zunächst einmal in Bayern sein.

Gruß
Christian

Hallo Winkel,

Diese wirtschaftwissenschaftlich äußerst weitsichtige Feststellung lässt sich wunderbar mit einer Gegenfrage kommentieren: selbst der übersubventionierte VW-Konzern gab eine Korrektur der Gewinnerwartung nach unten ab, wo ist also Schröders Wirtschaftskompetenz als EX-Ministerpräsident von Niedersachsen und als Bundeskanzler nach wie vor Protektor seines alten Arbeitgebers (Schröder saß bei VW im Aufsichtsrat)?

Ich leite hieraus zwei Punkte ab:
1.) Rechtsanwälte sind in den allerseltensten Fällen wirtschaftlichj kompetent.
2.) Internationale Krisen im Halbleiter- und Automobilbereich können von deutscher Lokalpolitik nur unmassgeblich beeinflusst werden.

Grüße,

Mathias

Hallo an alle,

vielleicht zäumen wir das Pferd auch vom falschen Ende her auf.

Wozu braucht ein Politiker überhaupt Wirtschaftskompetenz?
Doch eigentlich nur dazu, seine eigenen Haushalte verantwortlich zu verwalten (siehe Wolfgangs Posting). Also geht es da mehr um kaufmännisches und verwaltungstechnisches Wissen und Können.

Sobald ein Politiker damit wirbt, daß er (oder sie) in der Lage sei, die freie Wirtschaft (positiv?) zu beeinflussen, kommt mir der alte Spruch von Frank Zappa in den Sinn: Politik ist die Unterhaltungsbranche der Wirtschaft.

„Die Wirtschaft“ sind in diesem Fall doch eher „die Arbeitgeber und Finanzgeber“. Also nichts weiter, als eine spezifische Gruppe innerhalb unserer Gesellschaft.
Wieso sollte es wichtig sein, ausgerechnet zu dieser Gruppe einen besonders guten Draht zu haben? Weil diese Gruppe entscheidet, ob in Deutschland noch jemand mit abhängiger Arbeit seinen Lebensunterhalt bestreiten kann? Und muß man sich als Politiker deshalb mit der freien Wirtschaft besonders gut stellen und ihr jeden Wunsch von den Augen ablesen, um wählbar zu sein? Macht man sich mit einem solchen Verhalten nicht vielmehr zum Büttel der freien Wirtschaft? Und daß die abhängig Beschäftigten gerade deshalb einen Politiker wählen sollen, weil er NICHT ihre Interessen vertritt, sondern die ihres „Gegenspielers“, will mir nun wirklich nicht einleuchten.

Die These: „Geht es den Arbeitgebern gut, schaffen diese wiederum Bedingungen, in denen es den Arbeitnehmern gut geht, und alle sind glücklich.“ ist ja nun augenscheinlich widerlegt worden.
Die großen Konzerne zahlen so gut wie keine Steuern und müßten doch am meisten von der guten Infrastruktur (Verkehrswege, stabile Demokratie und gut ausgebildete Arbeiter) in Deutschland profitieren - trotzdem ziehen sie Arbeitsplätze ins Ausland ab. Die mittelständischen Betriebe, die sich an Abgaben dumm und dämlich zahlen, an der Bürokratie verzweifeln und von der schlechten Zahlungsmoral in Deutschland betroffen sind, bemühen sich, nach wie vor Lehrlinge auszubilden und tragen damit noch zur Infrastruktur bei, als von ihr zu profitieren.

Ich stimme Wolfgang insofern zu, als er in seinen Änderungsvorschlägen die Wünsche der verschiedenen „arbeitenden Gruppen“ innerhalb unserer Gesellschaft berücksichtigt.

Das wäre auch mein Ansatz, die Kompetenz eines Politikers zu beurteilen. Ob er in der Lage ist, die widerstreitenden Interessen in einer Gesellschaft zu erkennen (es gibt da übrigens noch die Nicht-mehr-, Noch-nicht- oder Niemals-Erwerbsarbeitenden), und Entscheidungen zu treffen, die diese Interessen lenkend -soweit nötig- ausgleichen. Daß ein Politiker die Interessen EINER Gruppe erkennt und bedenkt, macht ihn für mich noch lange nicht kompetent. Egal, wie mächtig diese Gruppe nun sein mag.

Wichtig zur Beurteilung der Kompetenz ist für mich auch noch, ob ein Politiker kommunikationsstark ist, d.h. ob er allen gesellschaftlichen Gruppen erklären will und kann, warum seine Lenkungsentscheidungen vonnöten sind und in dieser Weise getroffen werden.
Mir steht der Sinn nämlich nicht nach einem „starken Mann“, der über meinen Kopf hinweg entscheidet und keinen Rechtfertigungsdruck empfindet (siehe Kohl als ultimative Vaterfigur - „Ich weiß besser als Ihr, was für Euch gut ist.“). Vielmehr möchte ich mit meiner Wahlentscheidung einzelne Entscheidungsbefugnisse an Politiker delegieren, die (im Gegensatz zu mir) sich den ganzen Tag darüber ihre Gedanken machen und daraufhin bessere Entscheidungen treffen können als ich.

Was wir wohl alle vermissen, sind Politiker, die (heute sagt man) „visionär“ sind. Wir wünschen uns doch alle „Lenker und Entscheider“, die vorausschauend handeln, die Problemstellungen der Zukunft erkennen und im Vorfeld behandeln; Und nicht solche, die von der Realität überrascht werden und dann wie die Feuerwehr reagieren müssen. Solche Politiker sind in der derzeitigen Landschaft aber nicht zu sehen und würden von einer Gesellschaft, die „spürbare Ergebnisse“ nach 100 Tagen sehen will, auch nicht gewählt.

Oder sehe ich das falsch?