Storm - Die Nachtigall ; wie heißt es richtig

Habe zu dem „obigen“ Gedicht eine Frage. Sorry, ich kann nicht anders, ich muss das ganze Gedicht einmal zitieren (weil es eine Schande wäre, es zu zerstückeln).

Die Nachtigall

Das macht, es hat die Nachtigall
Die ganze Nacht gesungen;
Da sind von ihrem süßen Schall,
Da sind in Hall und Widerhall
Die Rosen aufgesprungen.

Sie war doch sonst ein wildes Blut
Nun geht sie tief in Sinnen,
Trägt in der Hand den Sommerhut
Und duldet still der Sonne Glut
Und weiß nicht, was beginnen.

Das macht, es hat die Nachtigall
Die ganze Nacht gesungen;
Da sind von ihrem süßen Schall,
Da sind in Hall und Widerhall
Die Rosen aufgesprungen.

Neulich wollte ich es mal jemandem schicken, und weil ich ein fauler Mensch bin, dachte, es einfach aus dem Internet abzukupfern. Besser wär’s gewesen, ich hätte mir dir fünf Minuten Zeit genommen…

…denn : in ganz vielen „Orten“ des Netzes fand ich in Strophe zwei an Stelle von …„wildes Blut“ die Wörter „…wildes Kind“. Na ja, dachte ich - 's ist eben Internet. An eine Frau, die einen riesigen Gedichte-pool kompiliert hat, schrieb ich dann und ließ meinem Unmut freien Lauf. Zurück kam ein geharnischt Schreiben, in dem ich gebeten wurde, doch mal „die Quellen“ zu befragen.

Es ist nicht zu glauben - nicht nur bei hausaufgaben.de oder ähnlicher Kulturträger, nein, auch bei etlichen ernst zu nehmenden Editionen ist dieser Lapsus zu finden. (Das es schlichtweg falsch ist, das ergibt sich am einfachsten durch Betrachtung des Reimschemas - aber auch inhaltlich wird imho das Gedicht durch dieses „Kind“ komplett vermasselt.)

So, nun endlich meine Fragen :

  1. Bin ich da einer bösen Selbst-Überschätzung erlegen, und es heißt doch „Kind“ ?

  2. Wenn nicht 1. - wer hat wann dieses „Kind“ in die Literatur eingeschleust,von dem es dann viele, viele abgeschrieben haben ?

Ich kenne dieses Gedicht von Storm durchaus, jedoch war mir nicht bewusst, dass es scheinbar in zwei „Ausgaben“ öffentlich kursiert. Die „wildes Kind“-Variante ist mir bisher noch nicht untergekommen und ich halte sie, genau wie du, für „unecht“. Eben wegen des Reimschemas formal und inhaltlich stört es da eher als dass es sinnvoll erscheint.
Editionsgeschichtlich bin ich gerade bei diesem Fall leider überfragt, könnte mir aber vorstellen, dass es eventuell ein Abschreibfehler war, der nicht wirklich auffiel und so eine 2. Variante entstand. Die Ausgabe letzter Hand müsste doch theoretisch „wildes Blut“ verzeichnet haben… Man müsste in der historisch-kristischen Ausgabe mal nachschlagen, ob da irgendetwas zur Editionsgeschichte vermerkt ist, oder ob du wirklich der Erste bist, dem dieser Lapsus auffiel.


Ich kann’s nicht wirklich glauben, dass ich der erste sei, dem das auffällt…
Wenn das mein Deutschlehrer, Gott hab’ ihn selig, wüsste :wink:
Hätte ich mehr Zeit, wäre ich vielleicht schon weiter mit der G’schichtn.

Im Echtermeyer/Wiese steht Kind, im Conrady Blut, bei Gutenberg sowohl als auch… o tempora, o Baybylon…

Bin doch nicht der erste : Einmal in eine Suchmaschine eingeben

Adoleszenz Johannes Cremerius,Ortrud Gutjahr

bringt einen Text - wohl eher aus der „Psycho-Ecke“, wo jemand diese Untat sehr wohl bemerkt hat.

Morgen werde ich jemanden treffen, der noch einen Echtermeyer von anno tobake hat - mal sehen.

Vielen Dank erstemal für die mutmachende Antwort !

Gruß aus HH - Ekkehard

…obzwar der Kontext, in dem das Gedicht hier durch den Wolf gedreht wird - na ja, wir leben ja (angebl.) in einem freien Land…

ich bin kein fachmann, liebe nur storm. das argument mit dem reimmaß finde ich sehr überzeugend, fundiertes wissen dazu habe ich allerdings nicht.
viel glück bei deiner suche
t.