Studieren in Ostdeutschland?!

Nur 4% der westdeutschen Abiturienten nehmen an einer ostdeutschen Universität/Hochschule ein Studium auf. Umgekehrt jedoch zieht es 22% der ostdeutschen Abiturienten zum Studieren gen Westen!

Worin liegen die Gründe für dieses Verhalten? Liegt es daran, dass die westdeutschen SchülerInnen nicht nach Ostdeutschland wollen, weil er zu unattraktiv erscheint? Ist es ein Imageproblem?

Gleichzeitig jedoch werden ostdeutsche Universitäten und Hochschulen regelmäßig gelobt für ihre gute Ausstattung, sowie das Betreuungsangebot und die Ausbildung im Gesamten. Hinzu kommt, dass in den Neuen Bundesländern keine Studiengebühren erhoben werden und die Lebenshaltungskosten insgesamt bedeutend niedriger sind.

Ich selber bin vor einigen Jahren von Baden-Württemberg nach Thüringen gegangen, um dort an der TU Ilmenau zu studieren. Die Folge: Top Ausbildung, keine überfüllten Hörsäle, Arbeiten mit den modernsten Techniken und private Abende mit Dozenten und Professoren. Dennoch werde ich in meinem freundes- und Bekanntenkreis immer noch angeschaut, wenn ich erzähle, dass Ilmenau in Ostdeutschland liegt.

Wie passt das alles zusammen? Ich verstehe es nicht!

In diesem Zusammenhang ganz interessant ist die „Hochschulinitiative Neue Bundesländer“, die in diesen Tagen die Imagekampagne „Studieren in Fernost“ gestartet hat: http://www.studieren-in-fernost.de

Hintergrund ist der so genannte „Hochschulpakt 2020“ zwischen Bund und Ländern, der die ostdeutschen Bundesländer dazu verpflichtet, mehr Studienanfänger aus dem Westen zu gewinnen.

Die Kultusministerien aus Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt & Thüringen haben deswegen nun die Kampagne „Studieren in Fernost“ gestartet, wo diese Ziele in den nächsten 5 Jahren angegangen werden sollen.

Offiziell starten soll das ganze im Laufe des Aprils mit einer eigenen Suchmaschine und Filmen, die die ostdeutschen Unis vorstellen. Bereits jetzt erschienen ist ein Trailer dazu:

http://www.studieren-in-fernost.de

http://www.youtube.com/watch?v=VyLNn9dnov8

Hallo,

ich habe als „Gruffti“ (54 Jahre) ein Zusatzstudium in Jena absolviert. Ausstattung, Betreuung war (fast) immer gut.
Wie immer gibt es auch Ausnahmen, manche Herren Prof. sind extrem schwer zu erreichen, aber im Vergleich zu meinem Studium 1973 ff in Kiel war es sehr toll.

Nur Mut!

Gruß Volker

Hallo,

Nur 4% der westdeutschen Abiturienten nehmen an einer
ostdeutschen Universität/Hochschule ein Studium auf. Umgekehrt
jedoch zieht es 22% der ostdeutschen Abiturienten zum
Studieren gen Westen!

Worin liegen die Gründe für dieses Verhalten? Liegt es daran,
dass die westdeutschen SchülerInnen nicht nach Ostdeutschland
wollen, weil er zu unattraktiv erscheint? Ist es ein
Imageproblem?

Ich glaube tatsächlich, es ist ein Typ- und Imageproblem.
Nach einer Studie waren ca. 2/3 bis 3/4 aller Westdeutschen noch nie in Ostdeutschland und haben auch kein Interesse daran. Weil es sie nicht interessiert oder weil sie nicht in die „Ostzone“ wollen? Weil auch immer noch das Bild von den armen (blöden) Ossis umgeht? Umgekehrt sind Ostdeutsche wesentlich „reisefreudiger“ und aufgeschlossener bezüglich westlicher Regionen. Das schlägt sich eben auch in der Studienortwahl nieder.

Beatrix

Also ist dies Werbung???
Hallo, also Werbung auch für nichtkommerzielle Projekte ist eigentlich hier nicht allzugern gesehen. Nur so als vorwarnung, falls dieser Artikelbaum im Nirvana verschwindet.
Gruß Susanne

Liebe Susanne,

vielen Dank für den Hinweis. Du hast natürlich vollkommen Recht. Allerdings geht es mir hier nicht in erster Linie um Werbung, sondern ganz ehrlich um die aktive Auseinandersetzung mit dem Thema Studieren und Leben in Ostdeutschland und die Diskussion, worauf diese genannten Fakten zurückzuführen sind.

Wie gesagt, liegt mir dieses Thema sehr am Herzen, da ich selber als Westdeutscher wegen meines Studiums nach Ostdeutschland gegangen bin und hier Verhältnisse an meiner Uni vorgefunden habe, die mich ziemlich beeindruckt haben.

Mir geht es hier also zum einen um die Auseinandersetzung mit dem Thema und gleichzeitig auch um eine Diskussion, inwiweit eine solche Kampagne wie „Studieren in Fernost“ sinnvoll oder aber sinnfrei ist!

Grüß Dich.

Ich selber bin vor einigen Jahren von Baden-Württemberg nach
Thüringen gegangen, um dort an der TU Ilmenau zu studieren.
Die Folge: Top Ausbildung, keine überfüllten Hörsäle, Arbeiten
mit den modernsten Techniken und private Abende mit Dozenten
und Professoren. Dennoch werde ich in meinem Freundes- und
Bekanntenkreis immer noch angeschaut, wenn ich erzähle, dass
Ilmenau in Ostdeutschland liegt.

Wie passt das alles zusammen? Ich verstehe es nicht!

Ehrlich, wundert Dich das?

Die meisten westdeutschen Mitbürger haben bis jetzt noch nicht mitbekommen, daß z.B. alle Ostdeutschen seit der Wiedervereinigung auch den Solidaritätszuschlag zahlen.

20 Jahre nach der Wende!

Für deutsch-deutsche Geschichte interessiert sich in den alten Ländern keiner.
Den Kalten Krieg „gewonnen“ - und Ende.

Sich benommen wie Graf Koks, und alles falsch gemacht, was falsch gemacht werden konnte im Angliederungsprozeß der DDR.
Antidemokratisch unter dem Gewand der repräsentativen Demokratie über die Köpfe von 17 Millionen Menschen hinweg entschieden.

Das Außerkrafttreten des Grundgesetzes, was die 60 Millionen Mitbürger im Westen gleich mit auf den Plan gebracht hätte, umging die inzwischen als durch und durch verbrecherisch entlarvte Regierung Kohl mittels politischer Winkelzüge.

Höchstens das Geplärre um die Aufbauhilfen Ost kocht periodisch hoch und ergeht völlig unkritisch auf Stammtischgehabe, daß man in den neuen Ländern unweigerlich und zurecht den Eindruck bekommt, daß die politische Indoktrination nicht in der DDR sondern vielmehr in der BRD geklappt hat.

Ob daß das Einheitsschulsystem war (ist), die Polikliniken, das Rentensystem, der normale DDR-Alltag abseits von Mauer und Stasi u.v.m… Die pure Ignoranz. Vielfach gepaart mit famoser Unbildung. Blankes Desinteresse an deutsch-deutscher Geschichte; die Allgemeinbildung hört an der Haustürschwelle auf…

Ernsthaft, wer kennt bitte schön Ilmenau nicht?
Die 1894 gegründete technische Hochschule in Ilmenau, das Technikum, ist so dermaßen weltberühmt – schon vor über 100 Jahren kamen Menschen bis aus Japan zum Studium.
Goethe war Ilmenau eng verbunden.

Ilmenau, Dresden und mehrere andere ostdeutsche Hochschulen, gerade die naturwissenschaftlich-technischen, genießen international und traditionell hohes Ansehen. Und zwar schon ewig.

Sachsen und Thüringen bestritten vor über 130 Jahren 70% der Industrieleistung und des maschinellen Fortschritts des Deutschen Reiches als in Bayern noch auf dem Bärenfell geschlafen wurde. Die herausragende Stellung des gegenwärtigen Ostdeutschlands endete *nach* dem 2. Weltkrieg, hauptsächlich wegen der enormen Reparationen und Demontagen, die die Sowjetunion der DDR abverlangte.
Beispielsweise sind bis zum heutigen Tag in Sachsen noch nicht alle ehemals demontierten Eisenbahngleise wieder auf zweispurige Strecken ausgebaut - so haben die Sowjets im kulturellen und industriellen Herz Deutschlands geplündert.

Und dann der Anschluß der neuen Länder 1990. Anstatt langfristig die Region wirtschaftlich aufzubauen, stülpte der Westen dem sozialistisch verwalteten Osten stur 1:1 sämtliche Bürokratie über, Gesundheitssystem, Bildungssystem, Verwaltungssystem, Grundgesetz, Sozialversichungssystem, deindustrialisierte bis 1994 im Eilzugtempo die Region auf 20% des Niveaus von 1988, erdrosselte den aufkeimenden Mittelstand, ließ auch keinen neuen zu(*) –
und dergleiche Westen wundert sich dieser Tage proletenhaft, warum Ostdeutschland hinter Polen zurückgefallen ist.
Oder wo das Geld hinverschwunden ist.
Wie dumm kann ein Volk denn sein?

Oder ist gerade dieses Verhalten - abseits der überragend gescheiterten Spitzenmanager und Banker - nicht der beste Beweis gegen das gegliederte Schulsystem?

Ignoranz, Uneinsichtigkeit, Überheblichkeit, Schuld auf andere schieben, Geschichtsverdrängung, Desinteresse, Bildungslücken von hier bis Jerusalem

Und dann das beste: Die vielen Arbeitslosen im Osten sind nur zu faul zum Arbeiten und die Arbeitslosenquoten von 20, 25, 27 Prozent sind gar nicht wahr.

Die Reaktion Deines Freundeskreises paßt doch perfekt in das Bild, wie die Deutschen innerdeutsch miteinander umgehen.

Viele Grüße

(*) Der Mittelstand trägt erfahrungsgemäß zu allergrößten Teilen die Volkswirtschaft.