Sturmlandung in Hamburg

Hallo Experten,

in dem Bericht (http://www.bfu-web.de/cln_009/nn_41542/DE/Publikatio…) zu dem Vorfall bei der Landung eines Airbus in Hamburg im März dieses Jahres heißt es mal:

„Die Crew sei zu dem Ergebnis gekommen, daß bei der herrschenden Wettersituation die Stellung „Full flaps“ zu bevorzugen sei.“

Ich hätte gedacht, daß man bei starkem Seitenwird eher weniger Klappen setzt, denn dann hat der Wind ja weniger Angriffsfläche. Andererseits kann man mit mehr Klappen langsamer anfliegen, somit braucht es einen stärkeren Vorhaltewinkel und somit läßt sich eine Abweichung vom Localizer leichter korrigieren.

Oder liege ich mit meinen Ansichten total daneben?

Vielen Dank für die Aufklärung
Martin

Die demonstrierte Seitenwindkomponente ist ein reiner Papiertiger. Hast Du schon mal ein echtes Flugzeug mit gekreuzten Rudern im Slip gelandet? Das ist verdammt heftig und in der Situation hat die Anfängerin das ganz gut gemacht. Besser ging es bei dem Wetter sicher nicht. Bodenwinde(Orografie) können einem den besten Anflug und in diesem Falle gleich den ganzen Tag verderben. Hügel und Gebäude verursachen Rotoren (Wirbel) und Düseneffekte, die man nicht unbedingt messen kann. Es gibt viele Flugplätze, die bei bestimmten Wetterlagen ziemlich heikel sind und selbst nach dem scheinbar sicheren Aufsetzen zu Unfällen führen können, indem sie ein gelandetes Flugzeug außer Kontrolle bringen können. Vielleicht hätte es zu der Situation gar nicht kommen dürfen, aber so sieht das eben aus, wenn man es drauf ankommen lässt. Die Diskussion sollte daher eher lauten, ob die Entscheidung, diese Landebahn auf diesem Flugplatz zu nutzen, die Richtige war, oder ob ein Ausweichen auf einen anderen Flugplatz vielleicht besser gewesen wäre (z.B. Bremen).

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo Martin,

„Die Crew sei zu dem Ergebnis gekommen, daß bei der
herrschenden Wettersituation die Stellung „Full flaps“ zu
bevorzugen sei.“

Ich hätte gedacht, daß man bei starkem Seitenwird eher weniger
Klappen setzt, denn dann hat der Wind ja weniger
Angriffsfläche.

Jein. Die Angriffsfläche spielt erstmal keine Rolle bei einem Verkehrsflugzeug, zumal zwischen Flaps 3 und Full sich die Fläche nicht ändert, sondern nur weiter gewölbt wird.

Andererseits kann man mit mehr Klappen
langsamer anfliegen, somit braucht es einen stärkeren
Vorhaltewinkel und somit läßt sich eine Abweichung vom
Localizer leichter korrigieren.

Nein - wobei ich Deine Argumentation nicht nachvollziehen kann.

Generell fliegen viele Verkehrsflugzeuge mit der maximalen Klappenstellung am besten und stabilsten an, auch wenn geringere Klappenstellungen ebenso zur Landung zugelassen sind. Dazu kommt, daß dies (=Full) das gewohnte Setting ist, mit dem man die meisten Landungen macht - insofern also auch die größte Erfahrung hat.
Auf der anderen Seite ist der Unterschied zwischen Flaps 3 und Full aerodynamisch in erster Linie kein großer Auftriebsgewinn, sondern vorrangig ein Widerstandszuwachs. Bei böigen Winden kann Flaps 3 bevorzugt werden, wenn man Windscherungen erwartet, da der Widerstand hier geringer ist.
Es gibt also viele Gründe für die eine oder andere Variante. Welcher jetzt für die Crew der ausschlaggebende war, kann ich Dir nicht sagen.

Gruß,

Nabla

Hallo Nabla,

Andererseits kann man mit mehr Klappen
langsamer anfliegen, somit braucht es einen stärkeren
Vorhaltewinkel und somit läßt sich eine Abweichung vom
Localizer leichter korrigieren.

Nein - wobei ich Deine Argumentation nicht nachvollziehen
kann.

Ab wann ist es denn falsch?

Nachdem in der anderen Antwort schon das Thema „Slippen“ angesprochen wurde: wann setzt man das ein und wann einen Vorhalt?

Kann man sagen, daß im Reiseflug eher vorgehalten wird und im Anflug eine Mischung von Slip/Vorhalt?

Schönen Sonntag noch
Martin

Hallo Martin,

und somit läßt sich eine Abweichung vom
Localizer leichter korrigieren.

Nein - wobei ich Deine Argumentation nicht nachvollziehen
kann.

Ab wann ist es denn falsch?

Falsch ist Deine Folgerung. Ein Vorhaltewinkel hat keinen Einfluß auf die Korrektur einer Localizerabweichung. Im Grunde ist er sogar eher kontraproduktiv, da das unbewußt wahrgenommene Bild der Außensicht „falsch“ ist (z.B. Landebahn optisch zu weit links/rechts) und zu instinktiven Korrekturen in die falsche Richtung führen kann.

Nachdem in der anderen Antwort schon das Thema „Slippen“
angesprochen wurde: wann setzt man das ein und wann einen
Vorhalt?

„Slippen“ ist im Grunde ein Flugzustand, der in den Betriebshandbüchern von Verkehrsflugzeugen nicht existiert. „Slippen“ nutzt man viel in Segelflugzeugen um überschüssige Höhe durch Luftwiderstandsmaximierung zu vernichten (s.a. http://de.wikipedia.org/wiki/Seitengleitflug).
Ein schönes Foto findet man hier: http://www.luftfahrtfotografie.de/images/Slingsby_T2… - man beachte den Winkel zwischen der Tragflächenvorderkante und der Anflug-/Landerichtung (=etwa Blickrichtung). Du siehst, daß hier Winkel zwischen Flugzeuglängsachse >>30° erreicht werden. Das Flugzeug muß entsprechd so gestaltet sein, daß es diese aerodynamischen Lasten vertragen kann.

Zur Landung von Verkehrsflugzeugen gibt es oft von Modell zu Modell andere Empfehlungen der Hersteller.
Variante 1: Man fliegt mit Vorhaltewinkel an und landet auch so.
Variante 2: Man fliegt mit Vorhaltewinkel an und nimmt diesen just vor dem Aufsetzen heraus.
Variante 3: Man fliegt mit Vorhaltewinkel an, nimmt diesen in ca. 100 bis 50 Fuß raus und läßt dafür eine Fläche hängen, d.h. man fliegt und landet mit leichter Querneigung (~5-10°). Dieser Flugzustand erfordert ähnlich wie das slippen „Cross Controls“, d.h. man steuert die Querruder in die entgegengesetze Richtung des Seitenruders.

Variante 1 ist leicht brutal, teilweise aber so gewollt. Die 737 hat z.B. nur einen zwei-achsigen Autopiloten und landet daher bei automatischen Landungen immer mit Vorhaltewinkel - das Hauptfahrwerk ist daher im die Hochachse wenige Grad drehbar, weswegen die 737 geradeaus rollen kann, obwohl die Längsachse „schief“ steht.
Ansonsten kann man auch so bei leichtem Seitenwind mit Flugzeugen mit Truck-Fahrwerk (mind. 2 Achsen je Fahrwerk) aufsetzen, da bei Bodenberührung der Hinterräder das Flugzeug durch den Widerstand gerade gezogen wird.

Variante 2 ist die eleganteste nur leider hochgradig komplex: Im Flare, also dem Übergang vom Anflug zur Bodenberührung, d.h. in den letzten 10-30 Fuß muß hier eine gleichzeitige sehr präzise Bewegung um alle drei Achsen ausgeführt werden: Die Pitch ist dabei sicherlich die empfindlichste und entscheidet wie bei jeder Landung, ob das Flugzeug entweder a) sofort aufsetzt, b) etwas später sanft aufsetzt oder c) in eine Art Schwebeflug gebracht wird. Zwischen a) und c) liegen Sekundenbruchteile und Pitchunterschiede von weniger als 2°! Die Korrektur des Vorhaltewinkels bedeudet die Beschleunigung der einen Tragfläche durch die rotatorische Bewegung und die gleichzeitige Verlangsamung der anderen. In Summe führt dies zu einer leichten Rollbewegung, die mit dem Querruder kompensiert aber nicht überkompensiert werden darf. Endet die Pitchänderung (s.o.) mit b) oder c) ist oft ebenfalls noch ein leichtes Hängenlassen der windzugewandten Tragfläche notwendig um nicht im Flare abzudriften.

Gruß,

Nabla

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Hallo,:

Ein schönes Foto findet man hier:
http://www.luftfahrtfotografie.de/images/Slingsby_T2… -
man beachte den Winkel zwischen der Tragflächenvorderkante und
der Anflug-/Landerichtung (=etwa Blickrichtung).

Dieses Foto kann eigentlich keinen Slip darstellen.
Dann müßte die Maschine quasi mit ihrer rechten Fläche voraus fliegen.
Dann fehlt aber wohl der Auftrieb.

Vermutlich handelt es sich nur um einen Vorbeiflug im Endteil.

Ich bin viele Jahre Kunststoff- und Holzflugzeuge geflogen.
Beim Slip „rappelten“ immer die Plexiglashauben, wenn man zu stark slipte.
Ein Slip sieht zwar immer ein wenig spektakulär aus (vor allen Dingen ein gezogener Slip), solche Slips wie in dem o.g. Foto habe ich selbst noch nicht gesehen.
Schade, dass man vorn den „Faden“ nicht erkennen kann. Der müßte beim Slip querab stehen.
Ansonsten ein schönes Oldtimer- Foto.

Gruß:
Manni

Gruß:
Manni

Hallo Martin,

Vorhalt ist die etwas einfachere Variante. Man dreht die Nase vom Flugzeug ein bißchen in den Seitenwind, so dass man im Resultat in die richtige Richtung fliegt (wie ein Boot in der Strömung). Der Nachteil ist, dass der Flieger beim Aufsetzen etwas schräg steht, was einen fiesen Ruck geben kann.

Beim Slip macht man es etwas anders, man lässt die Luv-Tragfläche etwas hängen und gleicht das mit dem entgegengesetztem Querruder aus. Mit diesem Trick fliegt man das Flugzeug ein bißchen „seitwärts“ in den Wind, so dass man im Resultat in die gewollte Richtung fliegt und gerade zur Landebahn ausgerichtet ist. Der Nachteil dabei ist, dass (a) eine Fläche runterhängt - das kann man beim Landen nicht auf die Spitze treiben - und (b) die Aerodynamik etwas mieser ist - macht normalerweise nix, da man eh runter will, aber bei turbulentem Wind ist es schlecht.

Wie man also landet, ist in der Praxis eine Frage des Flugzeugmodells (Fahrwerk drehbar? Slip möglich? Wie lang sind die Flügel?..).

Meine Vermutung für die Klappenwahl ist, dass es nicht primär um Auftriebsreservern ging, sondern dass die Crew den Flieger möglichst zügig runterbringen wollte. Mit vollen Klappen vernichtet man viel Fahrt und kann deswegen sehr steil runterkommen, das ist besser als wenn man auf einem langen Gleitweg durch die verwirbelten bodennahen Winde schwebt.

Gruß, Fabian

Hallo Manni,

Dieses Foto kann eigentlich keinen Slip darstellen.
Dann müßte die Maschine quasi mit ihrer rechten Fläche voraus
fliegen.
Dann fehlt aber wohl der Auftrieb.

Naja, bei einem starken Slip und etwas Seitenwind kommst Du optisch schnell in den Bereich von nahe 90°, gerade wenn der Slip einen Winkel von deutlich über 40° beinhaltet. Ich habe keine Zweifel an dem Bild, Du kannst es Dir auch gut im Zusammenhang auf der Seite ansehen.

Hier wird es auch nochmal schön gezeigt: http://de.youtube.com/watch?v=SP1nhR7vQyg (fängt bei 0:33 nach der Kurve an)

Gruß,

Nabla

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