Substituierbarkeit eines fetisch'

hallo experten,

eine lange diskussion zum thema, bei der wir irgendwie feststecken, ist der anlass für dieses posting. ich hoffe, hier erhellende antworten oder zumindest denkansätze zu finden. die lektüre diverser internetseiten gab bisher leider wenig aufschluss.

lässt sich ein fetisch, der finanzielle, gesundheitliche… probleme mit sich bringt, mittels umprogrammierung der eigenen unterbewussten festplatte durch einen anderen, praktikableren, gesünderen… substituieren? alternativ: lässt sich ein fetisch ‚abtrainieren‘?

wie tief sitzt das verlangen nach genau diesem fetisch? wie tief ist das ‚programm‘?

welche möglichkeiten gibt es für einen menschen, der rational erkannt hat, dass ihm das objekt seiner lust zwar sexuell große lust und befriedigung verschafft, ihn aber in anderen aspekten einschränkt und der deswegen auf der suche nach alternativen ist? wird er, sollte eine ‚umprogrammierung‘ gelingen, nicht doch latent das gefühl des verlustes haben?

gespannt auf eure antworten
grüßt
tabaiba

Moin tabaiba,

ein Fetisch hat einiges mit einer Sucht gemeinsam und genauso gibt es Bandbreiten der Abhängigkeit.

Auch bei Süchten kann man manchmal ‚umprogrammieren‘, aber nicht immer. Einige Süchtige kommen auch relativ problemarm von der Sucht (bzw. dem Suchtmittel) weg, wohingegen andere (trotz rationaler Einsicht) daran zugrundegehen.

Es kommt auf den Einzelfall an und wenn der Fetisch dem Betreffenden nicht mehr tragbar ist und er aus eigener Kraft nicht davon los kommt, ist wohl professionelle Hilfe angesagt.

Gandalf

hallo gandalf,

vielen dank für deine antwort!

dass ein betroffener, der zu sehr unter seiner neigung leidet, sich im zweifelsfalle professionelle hilfe holen sollte, ist klar.

es ging in unserer diskussion, zwar ausgehend von einem speziellen fall, später nicht mehr um diesen. die frage zielte eher auf das ‚wie‘ einer therapie. welche strukturen werden wie verändert? wie wird ein neues ‚programm‘ geschrieben? wie funktioniert das?

vielleicht lässt sich das auch tatsächlich analog mit süchten (oder sonstigen zwängen?) erörtern - im gegensatz zu anderen, leichter änderbaren verhaltensweisen.

ein phasenweise etwas unordentlicher mensch kann sich wahrscheinlich relativ leicht mit hilfe seines verstandes und evt. gewisser incentives zu mehr ordnung erziehen. es kostet sicherlich etwas disziplin, wird aber - auch in anbetracht der rational erkannten vorteile oder/und der emotional erlebten nachteile - zu schaffen sein.

ein messie hingegen wird wahrscheinlich ebenso die erkenntnis haben, dass sein chaos ihm im wege steht, er wird aber vermutlich nicht allein kraft dieser erkenntnis ordnung in sein leben bringen können.

das muster seines verhaltens sitzt tiefer, ist anders begründet als die oberflächliche ‚nachlässigkeit‘ des ersteren.

ein mensch, den gewisse reize sexuell stimulieren, der aber nicht darauf fixiert ist, wird wahrscheinlich ohne größere einschränkungen auch lust aus anderen reizen gewinnen können, die zwar nicht gleichartig, aber gleichwertig ist. selbst wenn er im verzichtsfalle ein gewisses verlustgefühl hätte, würde er vermutlich nicht zu sehr darunter leiden.

ein mensch, der einen bestimmten fetisch hat, findet wahrscheinlich nicht so leicht ein substitut, kann seine lust im verzichtsfalle nicht einfach so aus anderen reizen ziehen.

wenn er nun aber aus rationalen gründen seinen fetisch ablegen möchte - wie kann er vorgehen, bzw. wie wird in einer therapie vorgegangen, damit er nicht das gefühl des absoluten verzichtes hat, damit er trotzdem ein erfülltes sexualleben hat?

sicherlich wird die konkrete umsetzung vom einzelfall, von der graduierung… abhängen. mir geht es um das grundsätzliche prinzip - und dabei letzlich um die frage nach dem wesen von fetischismus.

viele grüße
tabaiba

Hallo Tabaiba,

es stimmt, das Internet gibt da wirklich wenig her, und das hat wohl damit zu tun, daß der Fetischismus bisher einfach schlecht erforscht ist. Es gibt zahlreiche mehr oder weniger überzeugende Theorien darüber, wie ein Fetisch entsteht.

Eine Theorie besagt, der Fetisch sei als Objekt zufällig während der ersten Erlebnisse mit sexueller Erregung präsent gewesen, also eine Art Prägung. Andere Theorien versuchen, den Fetisch auf Lernprozesse wie z. B. Konditionierung zurückzuführen.

Mir erscheint es plausibel, beide Ansätze zu verbinden:

Ich nehme also an, durch frühe Erlebnisse würde eine Kopplung zwischen dem bis dahin neutralen Objekt und sexueller Erregung entstehen. Vielleicht passiert dann einige Jahre lang gar nichts. Erst irgendwann, während der Pubertät oder später, kommt das Fetisch-Objekt bei sexueller Aktivität zufällig wieder ins Spiel. Die bis dahin latent vorhandene, längst unbewußte Kopplung wird aktiviert, und es entsteht die Erfahrung: wenn ich den Fetisch dabei habe, ist der Sex besonders geil. Der Fetisch entstünde also durch die Kombination zweier unterschiedlicher Lernprozesse, einer Prägung in der frühen Kindheit und einem Lernen durch Wiederholung im Jugend- und Erwachsenenalter.

Je öfter diese Erfahrung wiederholt wird, desto mehr wird dieses Sexualverhalten verfestigt und andere Formen treten in den Hintergrund. Es ist so, wie wenn jemand immer denselben Weg nimmt. Dieser wird immer gangbarer, es entstehen immer tiefere Spurrinnen, sodaß es immer schwerer wird, den Wagen aus diesem Weg herauszulenken. Andere Wege werden dagegen immer schwerer gangbar und von Gestrüpp überwachsen.

Es stimmt sicher, wenn Gandalf den Fetischismus in die Nähe der Sucht rückt. Auch am Anfang einer Sucht steht die Entdeckung, daß eine bestimmte Verhaltensweise besonders viel Lust im Verhältnis zum dafür nötigen Aufwand erzeugt, und sie wird dann immer häufiger auf Kosten anderer Lebensbereiche geübt.

Ich glaube, wenn jemand vorhat, von einem als schädlich erkannten Fetisch loszukommen, dann muß er wie der Süchtige so etwas wie einen Entzug durchmachen. Das heißt: es läuft zunächst auf einen Verlust der intensiven sexuellen Erregung hinaus, die mit diesem Fetisch verbunden ist. Das Sexualleben wird wohl zuerst farbloser und muß dann wieder in seiner ganzen Weite der Möglichkeiten erobert werden. Die lange unbenutzten und überwachsenen Wege müssen erst wieder mühsam freigehauen werden.

Vielleicht machen sich viele ein falsches Bild vom Lernen und stellen sich dieses als eine anstrengende Tätigkeit vor, zu der man in der Schule oder in der Ausbildung gezwungen wird. Aber Lernvorgänge finden dauernd von selber statt, ohne daß wir uns dessen bewußt sind. Die Ergebnisse solcher „wilden“ Lernprozesse sind Gewohnheiten, Vermeidungshaltungen, Persönlichkeitszüge, und manchmal auch Süchte und Fetische. Der Fetisch zeigt uns etwas über unser grundlegendes psychisches Funktionieren. Ich glaube nicht, daß der Fetisch für sich alleine interessant ist oder eine besondere Botschaft hat.

Grüße,

I.