Hallo Tabaiba,
es stimmt, das Internet gibt da wirklich wenig her, und das hat wohl damit zu tun, daß der Fetischismus bisher einfach schlecht erforscht ist. Es gibt zahlreiche mehr oder weniger überzeugende Theorien darüber, wie ein Fetisch entsteht.
Eine Theorie besagt, der Fetisch sei als Objekt zufällig während der ersten Erlebnisse mit sexueller Erregung präsent gewesen, also eine Art Prägung. Andere Theorien versuchen, den Fetisch auf Lernprozesse wie z. B. Konditionierung zurückzuführen.
Mir erscheint es plausibel, beide Ansätze zu verbinden:
Ich nehme also an, durch frühe Erlebnisse würde eine Kopplung zwischen dem bis dahin neutralen Objekt und sexueller Erregung entstehen. Vielleicht passiert dann einige Jahre lang gar nichts. Erst irgendwann, während der Pubertät oder später, kommt das Fetisch-Objekt bei sexueller Aktivität zufällig wieder ins Spiel. Die bis dahin latent vorhandene, längst unbewußte Kopplung wird aktiviert, und es entsteht die Erfahrung: wenn ich den Fetisch dabei habe, ist der Sex besonders geil. Der Fetisch entstünde also durch die Kombination zweier unterschiedlicher Lernprozesse, einer Prägung in der frühen Kindheit und einem Lernen durch Wiederholung im Jugend- und Erwachsenenalter.
Je öfter diese Erfahrung wiederholt wird, desto mehr wird dieses Sexualverhalten verfestigt und andere Formen treten in den Hintergrund. Es ist so, wie wenn jemand immer denselben Weg nimmt. Dieser wird immer gangbarer, es entstehen immer tiefere Spurrinnen, sodaß es immer schwerer wird, den Wagen aus diesem Weg herauszulenken. Andere Wege werden dagegen immer schwerer gangbar und von Gestrüpp überwachsen.
Es stimmt sicher, wenn Gandalf den Fetischismus in die Nähe der Sucht rückt. Auch am Anfang einer Sucht steht die Entdeckung, daß eine bestimmte Verhaltensweise besonders viel Lust im Verhältnis zum dafür nötigen Aufwand erzeugt, und sie wird dann immer häufiger auf Kosten anderer Lebensbereiche geübt.
Ich glaube, wenn jemand vorhat, von einem als schädlich erkannten Fetisch loszukommen, dann muß er wie der Süchtige so etwas wie einen Entzug durchmachen. Das heißt: es läuft zunächst auf einen Verlust der intensiven sexuellen Erregung hinaus, die mit diesem Fetisch verbunden ist. Das Sexualleben wird wohl zuerst farbloser und muß dann wieder in seiner ganzen Weite der Möglichkeiten erobert werden. Die lange unbenutzten und überwachsenen Wege müssen erst wieder mühsam freigehauen werden.
Vielleicht machen sich viele ein falsches Bild vom Lernen und stellen sich dieses als eine anstrengende Tätigkeit vor, zu der man in der Schule oder in der Ausbildung gezwungen wird. Aber Lernvorgänge finden dauernd von selber statt, ohne daß wir uns dessen bewußt sind. Die Ergebnisse solcher „wilden“ Lernprozesse sind Gewohnheiten, Vermeidungshaltungen, Persönlichkeitszüge, und manchmal auch Süchte und Fetische. Der Fetisch zeigt uns etwas über unser grundlegendes psychisches Funktionieren. Ich glaube nicht, daß der Fetisch für sich alleine interessant ist oder eine besondere Botschaft hat.
Grüße,
I.