Service-Wüste: Die Händler sind schuld!
Hallo Reinhard,
…aber diese willfährige Resignation, mit der Du
den Zustand des deutschen Handels hinnimmst, ist ein idealer
Nährboden für unsere Service-Wüste.
falls du es nicht weisst, wie das ausgeht, ich schon: der
Händler, den hier alle suchen, vergleicht stundenlang und
findet tatsächlich ein geeignetes Telefon. Der Kunde guckt im
Internet bei Preisvergleich, Geiz-ist-geil o.ä. und bestellt
das Telefon beim billigsten Versender.
Gottseidank schrobst Du " falls du es nicht weißt…", denn natürlich bin ich nicht so naiv, daß ich nicht wüßte, daß der von Dir geschilderte Umstand für das Gros der Service-Wüste verantwortlich ist.
Allerdings lenkst Du mit Deinem Beispiel auch in die richtige Richtung, um die Abwesenheit auch nur von Oasen in jener Wüste zu erklären: Der Händler, der für unser nachgefragtes Telefon stundenlang (!) suchen muß, der hat sich in seinem Metier auch noch keine Meriten erworben - ein Fachhändler kennt grob die Angebotslage und weiß, welche Quellen für mehr Infos er anbohren muß. Mensch Reinhard: sooooo exotisch ist die Merkmals-Wunschliste zu diesem Telefon nun wirklich auch nicht, und gerade in diesem Preissegment ist noch eine nette Marge für Händler vorhanden.
Kurz: Das Gros der Service-Wüste verdanken wir den geizgeilen verbrauchern, das ist wohl richtig. Daß es aber wirklich fachkundige Händler nicht gab und gibt, hat damit allerdings nichts zu tun, dieser Zustand - so legte ich bereits in meinem vorigen Posting dar - war bekannt schon vor der Existenz von Internet, online-Versendern und Preisvergleichern.
Die Servicewüste wurde von den Verbrauchern selbst gemacht,
und niemand hat bisher was draus gelernt, im Gegenteil.
Richtige Fachhändler, die wegen der Beratung dann etwas teurer
sind, werden dafür noch beschimpft oder verhöhnt. Auch
wer-weiss-was ist ein gutes Beispiel dafür: Software muss
grundsätzlich umsonst heruntergeladen werden können, selbst
wenn sie zum Geldverdienen eingesetzt wird.
Ich hatte vor einigen Jahren hier im w-w-w mal nach einer bestimmten Software gefragt und ein paar Funktionen genannt, die diese erfüllen sollte. Gleich darauf wurde ich von zwei Antwortern geradezu gesteinigt, daß ich so unverschämt sei, so viel von einer Software zu verlangen, für die ich nicht bereit sei, etwas zu zahlen. Der Witz aber war: Ich hatte überhaupt nicht darauf spekuliert oder erwähnt, Free- oder Shareware zu erhalten, sondern bin ganz im Gegenteil davon ausgegangen, für diese Software bezahlen zu müssen. Obwohl ich also überhaupt mit keinem Wort irgendetwas von „kostenlos“ oder „Freeware“ erwähnt hatte, empörten sich diese beiden eifrig - völlig grundlos!
Dämmert Dir jetzt, woher der Wind weht? Die Nachfrage, die Kaufbereitschaft wird überhaupt nicht mehr für möglich gehalten oder erkannt, selbst wenn sie offen vor einem liegt.
Sogenannte „Fachhändler“, die mit mäßigem Angebot, dafür aber ausgeprägtem Halbwissen in ihrem dumpfen Laden pampig auf Kunden reagieren und sich die Würmer aus der Nase ziehen lassen werden beim jammervollen Zählen sterbender Fachgeschäfte ebenfalls mit viel Bohai beerdigt.
Tatsache aber ist, daß die meisten Informationen, die ich von so einem Händler erfahren kann, genau die sind, die ich auch selbst eruieren kann. Geht Dein Anliegen auch nur eine Winzigkeit in die Tiefe, weiß der Typ hinter seinem Familienbetriebstresen auch nicht mehr weiter und muß in einem zweiten Anlauf dazu gedrängt werden, sich zu informieren.
Beispiel: Ich wollte wissen, ob ein bestimmtes aktuelles (genaugenommen das derzeit meistverkaufte) Handy imstande ist, sog. Cell-Broadcasting dauerhaft im Standby im Display zu haben - glaubst Du, daß auch nur einer der ca. ein Dutzend Händler das wußte, geschweige denn herauszufinden gewillt war?
Und das ist erst mal nur ein Beispiel! Also komm mir nicht mit der Mühle, daß allein der Kundengeiz an dem Desaster schuld ist, denn diese Ansicht ist zwar eine landläufige, keinesfalls aber qualifizierte Meinung. Was der Fachhandel alles an Möglichkeiten und Gelegenheiten zum Selbsterhalt versäumt und verbummelt hat, ist Legion!
Die Laienhaftigkeit Deiner Mutmassung wird hier deutlich:
Wahrscheinlich sind diejenigen, die sich hier geäussert haben,
nur eine kleine radikale Minderheit und die überwiegende
Mehrheit ist einfach zufrieden, solange etwas nur billig ist.
Sonst würde der Markt das nämlich anders regeln, aber ohne
Bedarf und Bereitschaft zu bezahlen gibt es auch kein Angebot.
In Bezug auf die hier thematisierten Punkte gibt es kein Alternativangebot , das den Markt zu regeln helfen könnte. Schwer zu glauben, aber wahr: es existieren Marktnischen von gigantischen Ausmaßen. Um das auf die schnelle Plausibel zu machen ohne allzu ausschweifend zu werden: Du hast sicher schon mal davon gehört, daß es viel kostenintensiver ist, einen Kunden zu gewinnen, als ihn zu halten; das bedeutet bilanziert, daß neue Kunden einem Unternehmen weniger Gewinn bringen, als bestehende bzw. wiederkehrende Kunden. Wenn Du nun aber versuchst, einen Querschnitt durch die typischen Kundenservices zu ziehen, dann wird schnell klar, daß sich diese ökonomische Binsenweisheit nicht wirklich durchgesetzt hat (selbst wenn wir solche negativ-Ausreißer wie Telekom, Bahn und Post mal unberücksichtigt lassen). Die Unternehmen geben irrwitzige Summen für Neukundenmarketing aus, haben aber auf der Serviceseite eklatante und persistente Mängel, die von Unternehmensziel zu Unternehmensziel weitergeführt werden.
Wenn Du professionelle Unternehmensberater fragst, wird Dir jeder dieses Phänomen bestätigen und erklären, daß eine Veränderung hierin an der Zaghaftigkeit der Entscheidungsträger und der Verantwortungstrennung zwischen den Marketing- und Service-Abteilungen der Unternehmen scheitert.
So, genug doziert…
Schönen Aahmt wünscht ;o)
-R o b.