Sucht oder unbewußte Einnahme?

Hallo liebe Mitglieder,

meine Schwiegermutter ist 68 Jahre und hat einen Lebensgefährten, welcher 80 Jahre alt ist. Bis September 2009 lebte er in unserem Haus in der nicht abgeschlossenen Wohnung meiner Schwiegermutter mit. Seit Mitte 09/2009 lebt er nun im Pflegeheim. Er leidet seit 2006 an Epilepsie. Er fällt immer in einen schlafähnlichen Zustand und hat die Hände geballt. Dieser Zustand trat öfters ein. Wir mußten in den letzten 3,5 Jahren ca. 50 mal den Notarzt holen. Immer kam er ca. 1 Woche ins Krankenhaus. Außerdem stürzte er sehr viel und bekam massenhaft Tabletten von seinen Ärzten verschrieben, welche meine Schwiegermutter zur Seite schaffte und im ganzen Haus versteckte. Ihr Krankheitsbild begann ca. im August 2008—vielleicht war es einfach zu viel für sie, obwohl wir helfen, wo es nur geht. Uns viel es mit den Tabletten nie so auf, aber sie war nur noch kaputt, stotterte und stolperte. Ab 11/2008 lag auch sie laufend im KH. Ab 02/2009 kam sie in die Psychiatrie, wo sie die Medikamentensucht, welche sie nur zu Hause hat, noch nicht feststellten. Bei einem weiteren Aufenthalt mit schlimmen Zuständen (stottern, Halluzinationen usw.) wurde ein genauer Bluttest gemacht, wo festgestellt wurde, dass sie sehr viel Benzos im Blut hat. Die Zustände häuften sich. Bis jetzt ist sie in dauerhafter psych. Behandlung in der Klinik. Wir haben alles nach Tabletten durchgesucht, aber immer hat sie neue. Sie meint immer sie weiß nicht das sie sie nimmt und welche Sorte weiß sie auch nicht. Sie war bereits drei Wochen zur Kur und 7 Wochen bei einer Bekannten in Betreuung.

Meine Frage: Sobald sie heimkommt, tritt Durchfall auf und dann wirft sie wahrscheinlich die Tabletten ein. In der Klinik und woanders ist sie die Frau Perfekt und unauffällig. In unserer Familie macht ihr niemand Druck, wir sind gut mit ihr und helfen ihr. 11/2008 wurde unser zweiter Sohn geboren. Ich hatte fast nichts von meinem Babyjahr. Ich erledigte ihren Haushalt (Lebensgefährte pflegen, bügeln, Wäsche, Arztfahretn usw.), ich kann nicht mehr und bin selber am Ende. Wir waren nun mit Zustimmung der Ärzte soweit, dass sie für eine gewisse Zeit in einen betreuten Wohnpark zieht. Jetzt ist sie in einer anderen Klinik und die haben ihr es ausgeredet. Was sollen wir tun? Wir haben zwei Kinder und sie hat doch die TABLETTEN AUCH ZERMÖRSERT ÜBERALL VERSTECKT sogar im Essen. Sie haben uns schon mit dem Jugendamt gedroht. Wir haben uns immer um sie gekümmert, aber der ganze Zustand bei uns macht uns gesundheitlich und psych. kaputt. Wer kann helfen? Von den Ärzten im Krankenhaus hilft uns keiner.

Danke im voraus

Hallo,

Eure Schwiegermutter ist vermutlich medikamentenabhängig, aber es sollte zunächst klar gestellt werden, dass diese Suchterkrankung sich nicht auf „zu Hause“ beschränkt, sondern lediglich dort von Euch wahrgenommen und von ihr ausgelebt werden kann. Mich würde interessieren, welche Medikamente sie genau nimmt (Name/Wirkstoff) und zudem woher sie die Tabletten hat, nachdem ihr Lebensgefährte seit September 2009 im Pflegeheim ist. Irgendwann muss auch der gehortete Vorrat aufgebraucht sein, es sei denn, sie hat Nachschubmöglichkeiten. „Benzos“ sind beispielsweise verschreibungspflichtige Arzneimittel, die sie (eigentlich) nur über ein ärztliches Rezept in der Apotheke erhalten kann. Natürlich gibt es auch zweifelhafte oder kriminelle Bezugsquellen, die ich jetzt aber mal nicht unterstellen möchte. Wenn sie sagt, sie wüsste nicht, welche Sorte(n) sie einnimmt, dann ist das nur wenig glaubhaft. Zumindest dürfte sie wissen, welches Medikament welche (von ihr erwünschte) Wirkung hat.

Als Chance würde ich das Betreute Wohnen für sie und auch für Euch sehen. Für mich ist nicht nachvollziehbar, mit welcher Begründung ihr man das in einer anderen Klinik ausgeredet hat. Vermutlich hat die Schwiegermutter selbst da Einfluss drauf genommen, da ja für sie die „Gefahr“ besteht, dass sie dort ihre Suchtmittel nicht mehr bekommen kann. Ihr solltet in jedem Fall mit den Kliniken und den behandelnden Ärzten offen über Eure Beobachtungen und Erlebnisse sprechen. Je mehr die Sucht aufgedeckt wird, umso schwieriger wird es für die Schwiegermutter sie auszuleben. Ihr selbst tätet auch gut daran, Euch einer (Angehörigen-)Selbsthilfegruppe für Alkohol- und Medikamentenabhängige anzuschließen. Dort trefft ihr auf Gleichgesinnte, also Menschen, die selber ein Suchtproblem haben oder eben auch angehörig bzw. coabhängig sind. Auch ein Termin in einer Suchtberatungsstelle kann Euch weiterhelfen. Wichtig ist, dass ihr etwas für Euch tut. Je mehr Ihr Euch mit der Suchterkrankung auskennt, umso besser könnt Ihr ihr begegnen.

Ich stehe gerne für weitere Fragen zur Verfügung bzw. gehe auf einzelne Punkte näher ein. Auch bei der Suche nach einer Selbsthilfegruppe bzw. Suchtberatungsstelle kann ich Euch behilflich sein.

Liebe Grüße,
Ilona Alice

Hallo Ilona,

meine Schwiegermutter nimmt größtenteils Benzos (Lorazepan, Amitryptillin, Zölpidem, Lyrica). Das sind die Tabletten, wo wir auch leere Plister gefunden haben. Aber die nimmt sie durcheinander und in Mengen. Am Sonntag haben wir zum Beispiel ein Babyglässel mit Obst geöffnet. Das Glas ging schon leicht auf. Im Glas, zum Glück oben drauf, befanden sich zermörste Tabletten. Es hätte übelst dumm ausgehen können. Wir lagern unsere Gläser ja im Keller. Da hat sie freien Zugang.
Laut Arzt in jetziger Klinik soll sie nicht ins betreute Wohnen ziehen, sondern in eine Wohnung. Sie wäre zu vital und noch zu jung dafür (68 Jahre). Aber wenn sie daheim war, hat sie nicht mal das normale Leben und ihren Haushalt geschafft. Wir haben viel durch. Sie hat ihren Durchfall im ganzen Haus verteilt. Alles mußten wir reinigen. Ehrlich gesagt, mir reicht es. Bin selbst in psychologischer Betreuung. Ich konnte nicht mehr.

LG Ute

Hallo Ute,

die Medikamente Deiner Mutter stellen schon einen beeindruckenden Cocktail dar und munter durcheinander nach Gusto von ihr eingenommen kann das durchaus tötlich enden. Und wenn das in dem Babygläschen tatsächlich kleingeriebene Tabletten waren und nicht Schimmel, dann nimmt die Geschichte Ausmaße an, die absolut nicht mehr tragbar sind und es müsste sogar in Erwägung gezogen werden, andere Instanzen einzuschalten.

Allerdings ist es auch bedenklich, dass sich scheinbar alle perfekt in diese Suchtgeschichte einspannen lassen:

Da ist der eine Arzt, der meint, sie solle nicht ins betreute Wohnen - bestehen keine Möglichkeiten, weitere Ärzte heranzuziehen? Es kann nicht schaden, sich mindestens an einen zweiten Arzt zu wenden.

Es ist noch immer nicht geklärt, woher die Medikamenten-Mengen kommen. Der Vorrat aus den vergangenen Jahren müsste bei dem Konsum, den Du vermutest bzw. beobachtest, längst aufgebraucht sein. Wie ich schon in meinem ersten Schreiben erwähnte, ist es unter normalen Bedingungen nicht ohne weiteres möglich diese Arzneimittel in dieser Zusammenstellung in größeren Mengen zu erhalten! Setze Dich also mal mit den Verantwortlichen im Pflegeheim zusammen und sprich offen über den Medikamentenkonsum Deiner Schwiegermutter und dem (ziemlich wahrscheinlichen) Zusammenhang mit den Medikamenten des Lebensgefährten. Es bleibt Ermessenssache der Betreuer, ob man den Lebensgefährten Deiner Schwiegermutter mit einbezieht.

Dass Du Dich jetzt in psychologische Betreuung begeben hast, ist ein guter Schritt, sofern Du dort auch offen mit Deinen Problemen umgehst. So erstaunt es mich ein wenig, dass man Dir dort nicht auch Wege aufzeigt, mit der Gesamtsituation umzugehen.

Ich kann Dir nochmals nahe legen, Dich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen. Außerdem solltest Du Dich an eine Suchtberatungsstelle wenden. Adressen für die jeweiligen Anlaufstellen in Deiner Nähe kann ich Dir heraussuchen. Du kannst Dich jederzeit wieder melden.

Herzliche Grüße,
Ilona Alice