SVV-Narben. Dazu stehen, ja oder nein?

Hallo,

im Oktober beginne ich endlich meine Ausbildung an einer Schule für Physiotherapie u. Massage. Darauf freue ich mich schon total, denn endlich hab ich mein Leben wieder im Griff. Auch mein Hausarzt hat mich als „für den Beruf geeignet“ befunden, so dass meinem Neuanfang nichts mehr im Wege steht.

Nur ein kleines Problem gibt es da noch: Im Zuge der Ausbildung werden Massagetechniken u. Ähnliches an den Mitschülern geübt. Da muss ich dann sicher auch mal als „Patient“ herhalten, und vermutlich mein Shirt ausziehen. Meine Arme sind aber übersäht mit Narben, die zwar schon einige Jahre alt sind (also weiß und nicht mehr rot), aber immer noch deutlich und auch von Weitem sichtbar.

Da ich große Angst habe, missverstanden zu werden, ist die Versuchung groß, Stulpen zu tragen, so wie eigentlich schon die letzten 10 Jahre. Aber da checkt doch auch jeder, dass ich da was zu verstecken habe, oder? Ist es also besser, dazu zu stehen und die Narben nicht mehr zu verstecken? Wie würden die Leute reagieren?
Ich will nur nicht, dass dann alle denken, ich würde nur Aufmerksamkeit wollen, denn das will ich ja gerade nicht. Schließlich hab ich meine Arme jahrelang versteckt, sogar vor meiner Familie und das ist im Sommer bei 30 Grad im Schatten nicht lustig.

Meint ihr, ich sollte endlich zu den Narben, die aus einer Zeit stammen, die für mich abgehakt ist stehen? Oder sie doch besser verstecken?

Gruß Rohy

Ich würde dazu stehen, denn die Narben sind nun mal und gehören zu Deinem Leben!
Du kannst doch nicht als Physiotherpeut mit Stulpen rumlaufen!
Warum schämst Du Dich so, Du hast ne schwere Zeit hinter Dir und die Narben werden ewig bleiben…also, wer Dich so nicht akeptiert, der hat Dich echt nichjt verdient!
Stehe dazu und mache einfach weiter!
Bye Selene

Hallo Selene,

danke für deine schnelle und ermutigende Antwort. Wahrscheinlich hast du recht. Ich kann mich einfach nicht ewig verstecken, das ist nicht nur lästig, sondern engt mich auch total ein. Ich kann nicht schwimmen gehen, keine schönen T-Shirts tragen…
Dabei will ich einfach nur „normal“ mein Leben leben, arbeiten gehen, leben.
Natürlich wird es mich große Überwindung kosten, vor meinen Mitschülern meine Arme zu entblößen. Aber es muss eben sein. Wie du schom sagtest, Physio mit Stulpen sieht komisch aus.
Hab nur Angst davor, dass irgenwer blöde Sprüche ablässt. Nach all der Scheiße, durch die ich mich kämpfen musste wäre das echt gemein.

Gruß Rohy

Hallo Rohy,

SVV kann es bei vielen Störungsbildern geben, ob Depressionen, Borderline, Autismus, ADHS, Trauma u.v.m.

Wie andere darauf reagieren, kann ich nicht sagen, denn es kann ganz unterschiedlich sein, vermutlich hast du das in den letzten Jahren auch bemerkt.

Die Frage ist, was würdest du am liebsten tun, dich outen, oder lieber sagen es wäre von einem Unfall oder , oder…

Was waren bisher deine Erfahrungen, die Du gemacht hast ???

Es gibt auf der einen Seite Menschen mit SVV, die wirklich diese Aufmerksamkeit wollen und andere sogar damit manipulieren, erpressen und unter Druck setzen wollen.

Es gibt andere, die sehen keine andere Möglichkeite als den inneren Schmerz anders zu bewältigen, oder noch schlimmer, sie machen eher SVV bevor sie ansonsten vermuten einen Suizidversuch zu begehen und können es gerade mit dem SVV abwenden, was dann im Grunde schon SVV aus Eigenschutz ist.

Dir pauschal die Frage zu beantworten kann ich nicht, vermutlich werden das andere auch nicht können, ich kenne nicht die Reaktionen die kommen werden, für die einen kann es abstoßend sein, für andere interessant, und wieder andere würden dir gerne zu Seite stehen usw.

Mir ist das Problem nicht unbekannt, evtl. könntest du erklären wie es dazu kam, was in dir vorging, es gibt da Verschiedene Ursachen, wie oben schon angedeutet.

Ich kenne deine Biografie nicht, denn davon hängt es meist ab, wie wir mit solchen Problemen verfahren werden, denn die Erfahrungen die wir über das Leben hinweg gemacht haben geben im Grunde unsere Entscheidung wieder, wie wir es handhaben werden.

Tut mir leid das ich dir da nicht wirklich weiterhelfen konnte, aber ich denke mal, die Entscheidung wird dir keine abnehmen können, die musst du selber treffen.

lg brandy

Hallo brandy,

danke für deine Antwort. Da ich vielleicht zu wenig zu meiner Bio geschrieben habe, hier noch einige Fakten:

ich hab mich immer versteckt, daher weiß ich nur von einigen wenigen Leuten, wie sie reagiert haben. Nicht mal meine Eltern wissen von meinen Narben, da ich im Laufe der Jahre immer raffinierter darin wurde, mir irgendwelche Strategien einfallen zu lassen, um nicht mit nackten Armen gesehen zu werden. Ich glaube zwar, dass sie was ahnen, aber sie haben wahrscheinlich
Angst, mich darauf anzusprechen.

Sagen, dass die Narben von einem Unfall kommen, könnte ich, ja. Aber das würde eh keiner glauben, alle würden sich nur verarscht fühlen. Man sieht halt einfach, dass die Narben nicht „zufällig“ entstanden sind.

Aufmerksamkeit oder Leute manipulieren wollte ich nie. Darum hab ich meine Arme immer nur versteckt, was nicht immer leicht war. Vor allem meinen Eltern wollte ich es nie antun, die Narben zu sehen, sie würden denken, es hätte was mit ihnen zu tun, oder so. Hat es aber nicht, darum schone ich sie. Sie haben auch nichts von diversen Essstörungen und Drogenexzessen mitbekommen. Man hat halt so seine Tricks, sowas zu verbergen. Klingt komisch, aber wenn man jemanden wirklich schonen will, dann findet man einen Weg.

Warum ich so geworden bin, weiß ich nicht. Es hat schon sehr früh angefangen, ich weiß nicht mehr, wie alt ich damals war, aber auf jeden fall noch unter 10. Ich benutzte eine Schere dazu. Danach schämte ich mich. Meinen Eltern sagte ich, ich wäre beim Basteln mit der Schere ausgerutscht und hätte mich dann blöd geschnitten.

Als ich älter wurde, machte ich es dann öfter, dann fing ich zusätzlich an, zu hungern und schließlich kamen noch Drogen ins Spiel. Das Ganze gab mir ein Gefühl von Selbstkontrolle. Ich konnte selbst bestimmen, was mit mir geschah. Ich und sonst keiner.

Jetzt habe ich mit all dem aufgehört- keine Drogen, kein Ritzen, kein Hungern. Hab also wieder alles im Griff und kann bald durchstarten. Ich hoffe nur, dass die Leute in der Arbeit mich so akzeptieren.

Gruß Rohy

Also ich rate dir offen damit umzugehen. Ich tu das auch und anfangs ist ein ziemlich doofes Gefühl weil man denkt jeder schaut einen an. Aber im Endeffekt ist es nicht so und selbst wenn, deine Mitschüler werden dich ja lange Zeit sehen und man gewöhnt sich an alles, irgendwann findet es keiner mehr „interessant“. Auf die Frage was ist das oder was hast du gemacht sag ich das ist alt damit hat sich die Sache, meinem Gegenüber hat das bis jetzt immer gereicht.
Ich persönlich habe es bis jetzt immer so gemacht das ganze zu verstecken bis mich die Leute ein wenig kennen, so umgehe ich das ich direkt abgestempelt werde ohne das man mich wirklich kennt und direkt ein falsches Bild bekommt. Falls man aber sag ich mal ein wenig Kontakt aufgebaut hat, dann sollte das kein großes Problem sein offen damit umzugehen, denn die Menschen haben dich vorher als „normal“ erlebt und meistens ändert das sie es wissen auch nichts. Da du ja eh erst im Oktober anfängst und da ist es ja meistens nicht warm, kannst du dich ja von deiner besten Seite zeigen bis es wärmer wird :wink:
Glaub mir es ist eindeutig ein besseres Gefühl offen damit umzugehen und nur halb so schlimm wie man es sich im Kopf ausmalt :smile:

Hallo Rohy,

ich hatte eben alles schon einmal geschrieben, bin auf die falsche Taste und weg war alles.

Wenn du dich nicht weiter verstecken möchtest, und sagen willst was los ist, dann fang doch als erstes bei deinen Eltern an.

Es kann sein, das deine Eltern sich schlimmere Gedanken machen und rätzeln was mit dir los sein könnte.

Vermutlich fühlst du dich auch wohler wenn du weisst wo du drann bist, und was auf dich zukommt, deinen Eltern könnte es ähnlich gehen, und du zeigst ihnen das du ihnen vertraust, wenn du die Karten auf den Tisch legst, versuch ihnen klar zu machen, was gerade in so einem Absturz in dir vorging, wie du dich gefühlt hast.

Du schreibst hier, das du nicht weisst warum du so geworden bist, hast du nie eine Therapie gemacht, oder hast evtl. eine Diagnose ???

Möchtest du nicht wissen wo du drann bist, was mit dir los ist ???

Es kann sein das du vieles aus deiner Biografie verdrängt hast, um das weitere Leben erträglicher zu machen, nur ich sag da immer, von Nichts kommt Nichts, es wird seine Ursache haben.

Ich möchte hier nicht die Pferde scheu machen, aber es kann auch zu Rückfällen kommen, und was ist dann ???

Es ist nicht gut, Jahrzehnte lang schlechte Erfahrungen mit sich rumzutragen, das ganze kann dann durchaus immer mal wieder nach hinten losgehen, glaub mir, ich weiß wovon ich rede.

lg brandy

Hallo Carameli,

danke für deine Antwort. Ich finde es bewundernswert, wie du als ebenfalls betroffene Person damit umgehst und dazu stehst.
Ich bin zwar noch etwas unsicher, denke aber, es auch so zu machen wie du. Also erst mal lange Ärmel oder Stulpen und dann, wenn die Leute mich besser kennen auch mal ohne.
Es ist nur so komisch, sich das vorzustellen. Zuerst werde ich mich wahrscheinlich total entblößt fühlen. Aber das gibt sich sicher irgendwann.

Gruß Rohy

Hallo brandy,

du hast schon Recht, meine Eltern sollten es wissen, aber ich hab das Gefühl, einfach den richtigen Zeitpunkt verpasst zu haben. Ich bin jetzt 21 und hab mit dem Ritzen abgeschlossen. Meine Eltern wissen doch von nichts. Wäre das nicht ultra hart für sie, vor allem nach so vielen Jahren, in denen ich ihnen immer das „mit-mir-ist-alles-in-Ordnung-Theater“ vorgespielt habe? Sie sollen nicht die Schuld bei sich suchen und dann total unglücklich werden. Davor habe ich Angst.

Eine Therapie habe ich nicht gemacht. Ich bin immer irgendwie wieder rausgekommen aus den schlimmsten Krisen und den tieften Löchern. Und wenn ich wieder mal zu Boden gerissen wurde, stand ich eben auf und machte weiter. Das war nicht immer leicht, aber ich lebe ja noch.
Gut, beim Schulpsychologen war ich ein paar mal. Aber das ist Jahre her und hat nichts gebracht. Eine Lehrerin hatte mich hingeschickt.

Vor einem Rückfall habe ich keine Angst. Und wenn es doch passiert, dann mache ich einfach, was ich sonst auch immer getan habe: Aufstehen, weitermachen, lachen, nicht sterben.

Gruß Rohy

Hallo,
stehe dazu, rechtfertigen musst du dich nicht. würde meine situation zur damaligen zeit kurz schildern und dann die sache abharken. So lapida wie es klingt.

Wenn man selbst keine große Sache draus macht, machen es die Anderen auch nicht. Außerdem zollt dies von Stärke und Selbstbewusstsein. Schließlich hast du es geschafft, aus diesem Loch raus zu kommen.

Weiterhin alles gute