Syrien wer gegen wen?

Ich komme nicht mehr mit, wer in Syrien wen umbringt…Verzeihung, man sollte natürlich sich auf dem Laufenden halten, aber dieser Konflikt ist ja auch so deprimierend…

Wer mag mir kurz erläutern: Assad ist dabei, mit offenbar russischer Hilfe die Macht über ganz Syrien zurückzubekommen. Der IS ist als Machtfaktor momentan nicht vorhanden. Die Türkei ist mit den syrischem Kurden verfeindet, klar, aber wen hat dass türkische Militär gerade vor den Angriffen Assads gerettet?
Und warum sind Assad und Erdogan, die ja beide die Kurden hassen und russische Unterstützung mögen, eigentlich verfeindet?
Karl

Hallo!

Es ist immer sinnvoll, längerfristige strategische Ziele der Länder zu betrachten, denn die kurzfristige Aufgeregtheit der öffentlichen Meinung, der Medien und der Politikerstatements führt meistens nicht weiter.

Kurzer Abriss:

Eine Konstante der türkischen Außenpolitik ist, einen Kurdenstaat zu verhindern, das hat allerhöchste Priorität. Die Türkei betrachtet sich nicht als Mehrvölkerstaat, sondern als Staat der Türken, Somit müssen Minderheiten, etwa die Kurden, ihre eigenen Ansprüche aufgeben. Die Türkei fürchtet deswegen die Autonomie der Kurden, damit ist die sich übrigens auch einig mit den anderen Staaten der Region, die kurdische Gebiete zu ihrem Territorium zählen, also vor allem Iran, Irak, Syrien und Türkei. Aus dieser geschlossenen Phalanx ist dann der Irak ausgebrochen, da aufgrund der Nachwirren des Irakkriegs die Kurden eine Teilautonomie gewinnen konnten. Im Zuge des syrischen Bürgerkriegs, unterstützt durch die westlichen Mächte, vor allem USA, aber auch Deutschland, konnten die Kurden auch in Syrien einige Gebiete kontrollieren. Dies war für die Türkei ein absoluter Katastrophenalarm, da jetzt teilautonome kurdische Gebiete bis an ihre Staatsgrenze heranreichten. Ein Übergreifen der Idee des kurdischen Nationalstaats auf die Türkei war zu befürchten.

Dann kam aber Trump, der handelt weniger geopolitisch, sondern sehr mit dem Fokus auf die inneren Angelegenheiten der USA. Trump wollte das Engagement der USA im nahen Osten reduzieren, Truppen zurückziehen, dies waren auch seine Wahlversprechen. Also hat er die Kurden im Stich gelassen, die US-Truppen abgezogen. Erdogan nutzte das Vakuum, um die Kurden zurückzudrängen. „Sicherheitszone“ in Nordsyrien, so lautete der Euphemismus. Erdogan spekulierte darauf, dass die Russen und Syrer sich zurückhalten würden und der Türkei die Sicherheitszone zugestehen würden. Diese Einschätzung war jedoch eine Fehleinschätzung. Somit kam es zu den Kriegshändeln mit den von Russland unterstützen syrischen Regierungstruppen, bei denen türkische Soldaten getötet wurden.

Und ab dann hatten wir den Salat.

Daneben fühlt sich die Türkei auch als Schutzmacht für die türkischen Bevölkerungsgruppen in Nordsyrien, die dort auch in den islamischen Milizen gegen das Assad-Regime kämpfen. Das sind dann diejenigen, die die Türkei vor den Assad-Angriffen „rettet“. In den Medien werden diese meistens als „gemäßigte islamistische Milizen“ bezeichnet.

Schöne Grüße!

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In aller (dem Format geschuldet notwendig vergröbernden) Kürze:

Nicht nur mit den syrischen. Die aktuellen Ereignisse finden jedoch in der Provinz Idlib statt. Kurden spielen da keine Rolle. Auch „türkische Bevölkerungsgruppen“ (richtiger: syrische Turkmenen) gibt es nur wenige im Norden der Provinz Idlib, der Großteil siedelt im Norden der Provinz Aleppo, in Nähe der türkischen Grenze.

Die sog. Nationale Befreiungsfront, eine Abspaltung der Haiʾat Tahrir asch-Scham. Letztere sind (islamistische) Söldner Kuwaits und Saudi-Arabiens, während die Nationale Befreiungsfront von der Türkei abgeworben wurde.

Das zwischen Assad und den syrischen Kurden ist schon ein wenig komplexer. Zitat von hier:

Mit dem Beginn des Bürgerkriegs in Syrien sicherten sich die PYD ab März 2011 zunächst ab, einen direkten Konflikt mit dem Damaskus-Regime zu vermeiden.[24] Mit Ausbruch der syrischen Rebellion 2011 kritisierte die PYD scharf das Oppositionsbündnis Syrischer Nationalrat, nannte die sich der Opposition anschließenden Kurden „Kollaborateure“, griff Anti-Regime-Demonstranten in Afrin und Aleppo an und behielt versöhnliche Beziehungen mit der Regierung Assad bei.

Assad und die kurdische YPG sind mittlerweile (wieder) verbündet, seit letztere von ihren us-amerikanischen Verbündeten im Stich gelassen wurde, was vor zwei Jahren (auf Einladung Trumps) zur türkischen Invasion Nordsyriens (das ist eine andere Ecke als Idlib) führte, wozu von der Türkei auch ehemalige ISIS-Banditen als Söldner angeworben wurden, wie der Independent berichtete. Den Kurden blieb damit die Wahl zwischen Pest und Cholera. Da war Assad das deutlich kleinere Übel.

Was russische Unterstützung angeht - die Russen sind mit Einverständnis der Assad-Regierung in Syrien, während die Türken völkerrechtswidrig in Syrien einmarschiert sind. Unser NATO-Partner Türkei beruft sich auf das Selbstverteidigungsrecht nach Art. 51 der UN-Charta - Art. 51 setzt allerdings einen bewaffneten Angiff voraus, den es auf die Türkei gar nicht gegeben hat.

Gruß,
Ralf

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