Szenarien für ein Ende des Ukrainekrieges

Hallo,
welche Szenarien für ein Kriegsende gibt es und wie realistisch sind diese?

Szenario 1: Der innenpolitische Druck innerhalb der NATO-Staaten wird zu groß (spätestens wenn die Republikaner in den USA die Regierung stellen), so dass die Waffenlieferungen und monetären Transferleistungen an Selensky abnehmen, so dass dieser zu Verhandlungen mit Putin bereit ist.

Szenario 2: Der ökonomische und innenpolitische Druck auf Putin wird zu groß, so dass er sich zurückzieht und mit einem relativ kleinen Teil der Ukraine zufrieden geben muss um sein Gesicht zu wahren.

Szenario 3: Putin wird vom eigenen Volk (evtl. mit Unterstützung der Geheimdienste der üblichen Verdächtigen) gestürzt und durch einen pro-westlichen Präsidenten ersetzt.

Szenario 4: Die NATO versorgt Selensky weiterhin nahezu unbegrenzt mit Waffen und Geld, so dass dieser Putins Armee zurückdrängen kann. Dann könnte Putin entweder ein guter Verlierer sein oder eine Atomwaffe gegen die Ukraine einsetzen um eine Kapitulation Selenskys zu erreichen (wie damals in Japan geschehen).

Szenario 5: Der Konflikt köchelt weiter vor sich hin, keine Seite gewinnt die Oberhand, die mediale und politische Aufmerksamkeit schwindet. Es wird Waffenstillstandsabkommen geben und hinter den Demarkationslinien wird es faktisch eine Aufteilung in ein ukrainisches und ein russisches Staatsgebiet geben.

Wie schätzt ihr die Wahrscheinlichkeiten der Szenarien ein?
Welche realistischen Szenarien gibt es noch?

Gruß
Desperado

Selenskyj war von Anfang an zu Verhandlungen bereit. Das Problem lag i.W. darin, dass Russland für die Aufnahme von Verhandlungen die Kapitulation der Ukraine verlangte. Das fand Selenskyj irgendwie doof.

Wieso sollte Putin einen relativ kleinen Teil der Ukraine behalten dürfen?

Wahrscheinlicher ist, dass er durch eine noch radikalere anti-westliche Person ersetzt wird, die für den Moment zwar Frieden schließt, die anschließende Ruhephase aber zum Aufbau stärkerer Streitkräfte nutzt und Westeuropa in einigen (~ 10) Jahren erneut angreift.

Erstens wurden die Atomwaffen seinerzeit nicht aus einer Position der Schwäche heraus eingesetzt, sondern aus einer Position einer unangefochtenen Stärke. Zweitens diente Japan damals auch als Testgelände. Drittens ist die Welt heute eine andere. Die Ächtung, die jemandem, der heute eine Atomwaffe einsetzt, entgegenschlagen wird, ist mit der Situation damals nicht vergleichbar. Und nicht zuletzt viertens bedeutet heute - im Gegensatz zu damals - der Einsatz einer Atomwaffe mit großer Wahrscheinlichkeit die Auslöschung des Angreifers.

Aus all diesen Gründen wird es zu einem Einsatz mit großer Wahrscheinlichkeit nicht kommen. Falls doch, ist es eh egal, weil dann alle tot sind.

Möglich, aber - auch wenn am wahrscheinlichsten der fünf Szenarien - unwahrscheinlich.

Putin stürzt mit einem vergifteten Tee in der Hand aus dem Fenster des Erdgeschosses und zieht sich dabei unglücklicherweise eine tödliche Schusswunde zu. Oder er flieht nach Südamerika, Nordkorea, Syrien o.ä.

Die Ukraine wird weiterhin militärische Erfolge erzielen. Ob am Ende Putin die Reißleine zieht und die traurigen Reste der zweitstärksten Armee der Welt auf heimisches Gebiet zurückzieht oder ob er durch einen anderen ersetzt wird, der für den Moment Ruhe gibt und die Misserfolge als Erfolge verkauft, weiß man nicht. Vielleicht einigt man sich auch auf einen Frieden, der die Überlassung von einigen ostukrainischen Gebieten an Russland vorsieht (wo ohnehin kaum noch ukrainische Ukrainer leben).

Bei allen Verlusten darf man nicht übersehen, dass die russische Armee über viel Gerät und viele Menschen verfügt - beides nicht im allerbesten Zustand. Russland kann den Krieg noch lange fortsetzen, was aber über die Zeit natürlich zu einer schwindenden Stimmung im eigenen Land führt. Ich glaube nicht, dass es sich die Militärs noch lange ansehen werden, wie Leute und Gerät verheizt werden, ohne dass dabei auch nur irgendetwas herumkommt, was man ehrlich und messbar als Erfolg verkaufen könnte. Aber auch das weiß man nicht. Es kann auch sein, dass der Krieg ein afghanisches Ende findet, was aber nicht heißt, dass der Konflikt vorbei ist.

Wie ich schon etwa einem Jahr schrieb, hat der ganze Konflikt auch eine geographische und eine historische Komponente und an beidem ändert sich nicht allein deshalb etwas, nur weil die letzten russischen Soldaten mit ihrem Gerät die Grenze nach Osten bzw. Norden überqueren. Nach dem Krieg wäre insofern dann wieder vor dem Krieg.

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Das stimmt schlicht nicht. Selenski lässt seit Monaten verlauten, dass es Verhandlungen nur geben würde, wenn Russland die besetzten Gebiete räumen würde. Unabhängig davon, dass das eine nachvollziehbare Forderung ist, ist deine Aussage falsch.

Hä? Russlands Interesse an der Ukraine ist schon länger gut dokumentiert und ein Angriff Russlands auf die Ukraine wurde von ukrainischen Analysten stets vorhergesagt. Viele haben damit gerechnet, weil das aus russischer Perspektive auch irgendwie Sinn ergab. Und Russland ist da krachend ran gescheitert.

Die Vorstellung, dass Russland nach dieser Erfahrung Westeuropa angreifen würde ist komplett absurd.

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Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland 2022 – Wikipedia

Mag sein, dass es frühere Berichte über Verhandlungen gab, aber das war das, was als erstes ausgespuckt wurde. Die Frage, ab wann die Ukraine für Verhandlungen bereit war

wäre damit also geklärt.

Zur Frage „bis wann“ gibst Du ja selber die Antwort:

Also bis heute. Nur, weil Russland die Voraussetzungen nicht gefallen, unter den die Ukraine heute Verhandlungen führen würde (wohlgemerkt: das Russland, das nach den ersten Anfangserfolgen Verhandlungen nur führen wollte, wenn die Ukraine der Kapitulation zustimmt), heißt das nicht, dass die Ukraine nicht verhandeln will.

Also kurz gesagt:

Das ist der größtmögliche Unsinn.

Aus dem „erneut“ hätte man schließen können, dass ich schlicht versehentlich „West“ da geschrieben habe, wo „Ost“ hätte stehen müssen.

Xi wird Taiwan angreifen… zum einen Ablenkung von Corona, zum anderen ist dann die Frage, was wem wichtiger ist…

Wirklichen Frieden wird es in den annektierten und/oder besetzten Gebieten in den nächsten 20 Jahren nicht geben…

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Wenn das mal reicht. Eigentlich ist die ganze ehemalige Sowjetunion und ein guter Teil des restlichen Ostblocks voller Konflikte - nach über 30 Jahren. Und es wird ja nicht besser, sondern eher wieder schlimmer und überall ist Russland entweder konkret beteiligt oder hat in irgendeiner Form die Finger im Spiel. Dadurch, dass China seine Fühler in Richtung Kaspisches Meer (Usbekistan, Turkmenistan, Kasachstan) ausstreckt, wird das im Zweifel auch nicht besser.

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Hallo,

in den Szenarien 1 und 2 sehe ich bei einem Fortlauf der derzeitigen Konfliktausübung mittelfristig sowohl auf die NATO-Verbündeten, als auch die russische Föderation intern zunehmende Konflikte zu kommen. Hauptsächlich wird es sich m.E. dabei allerdings um die Kostenfragen zur fortlaufenden Finanzierung drehen.
Putin könnte sich demnach stetig zunehmender Volksproteste aufgrund weiter voranschreitender Verarmung gegenüber sehen, und die USA könnten sich durchaus aus ähnlichen Gründen weiter zurück ziehen von der Sache.
Sowohl die USA, als auch die russische Föderation (ehem. UDSSR) dürften immer noch gut im Gedächtnis haben, was vieljährige Zermürbungs- und Verschleißkriege an immensen Kosten nach sich ziehen.

damit verknüpft weiter zu Szenario 3:

Auch wenn Putins Politik im Volk tatsächlich auf deutlich zunehmenden Protest stoßen würde, so stünde er mit seinen derzeitigen Taktiken ja nicht alleine da. Für einen kompletten Umbruch müßte die gesamte Führungsspitze ausgetauscht werden. Ähnliches könnte in den USA geschehen, wenn tatsächlich wieder eine republikanische Regierung mit der Prämisse „America first“ an die Macht kommen sollte.
Dann läge der Ball im Spielfeld der EU als vornehmlich „europäischer Konflikt“.
Bei Putins Führung sähe ich daher am ehesten einen Wechsel der Strategie in diesem Konflikt in Richtung eines möglichen und zudem kostengünstigen Grabenkrieges.

Szenario 4 schließe ich damit mal eher aus, weil es neben den grundlegenden Kosten auch zunehmend weniger „altes“ Militärmaterial für mögliche Ringtransfers bis zur Ukraine bei schwerem Gerät gibt, und sich zudem in vielen Staaten des NATO-Bündnisses auch jetzt bereits stark wachsende soziale Spannungen und Armutsgefährdungen entwickeln.
Von daher sehe ich hier durchaus neue Interressenabwägungen zwischen eigenem Bevölkerungswohl und dem Umfang der militärischen Beihilfen in der Ukraine.
Putin wird indes aber auch niemals ein guter Verlierer werden, und es damit strategisch wohl eher so umorientieren, dass er unter Haltung gewisser Gebiete höchstens geordneten Rückzug bis an für seine Armee strategisch vorteilhafte Geländegegebenheiten anordnen wird.
Ansonsten wird er mit seinem Distanzwaffen-Terror gegen die zivile Bevölkerung und wichtige Infrastrukturen erst mal weiter fortfahren, denn auch damit kann er der Ukraine verhältnismäßig hohe Kosten für die Strategie eines Verschleißkrieges zufügen.

Szenario 5 - Satz 1 sehe ich damit durchaus ebenfalls als relativ wahrscheinlich, aber dann eher in einer Art und Weise, wie es seit Jahrzehnten bereits im nahen Osten rund um Israel, der Kurdenfrage und neu auch religiösen Streitfragen ähnlich nicht abklingen will.

Welche realistischen Szenarien gibt es noch?

Ich fasse damit stichpunktartig mal zusammen, was ich dahingehend mal vermute:

  • Die Krim wird Putin mit höchster Priorität weiter komplett halten wollen, und dort seine dauerhafte Militärpräsenz weiter ausbauen.

  • die anderen ostukrainischen Gebiete werden lange Zeit eine Art „Niemandsland“ bleiben für beide Bevölkerungsgruppen. Wenn Russen dort nicht friedlich wohnen können, so sollen es Ukrainer auch nicht dürfen.

  • Die NATO wird in gewissem Umfang militärisch weiter Waffen für den Aufrechterhalt einer ungefähren Patt-Situation liefern, und ansonsten verstärkt zivile Aufbauhilfe gegen eine mögliche Hungersnot nebst Wiederaufbau ziviler Basisstrukturen leisten.

  • Die USA werden sich mit zunehmender Konzentration einem möglichen Konflikt mit China im Südpazifik, Taiwan und dortigen Seegebietschaften zuwenden. Europa soll dementsprechend mehr Eigenverantwortung für „seinen“ Konflikt übernehmen müssen.
    Die künftige Rolle und Interressenvertretung der Briten bliebe dabei fraglich nach deren EU-Austritt und einer möglichen Idee zur Wiedererstarkung des „British Commonwealth“, weil da etwaig auch mögliche Konflikte mit chinesischen Expansionsplänen in der südpazifischen Großregion anstehen könnten.

  • Die militärischen und zivilen Beziehungen zwischen der russischen Föderation und der EU, den USA und der NATO könnten auf unbestimmte Zeit wieder auf ein Niveau vor ~ 1990 zurück geworfen werden.

  • es könnte eine neue Spirale der blockgebundenen Wiederaufrüstung in neuerlich sehr massiver Form entstehen, wobei China und die russische Föderation dabei ggf. direkt ein neues militärisches Conter-Bündnis als Gegenpart zur NATO errichten könnten als Kernzelle mit diversen „Satellitenstaaten“ in aller Welt.

  • Als letzter Streich eines solchen Szenarios könnte es dann zu einer Art „Burgfrieden“ mit umfangreichen Verschiebungen politischer und militärer Vormachtssphären in neuen Grenzen unter der Prämisse eines neuen Gleichgewichts des Schreckens wie nach dem II Weltkrieg kommen. Xi wartet im Endeffekt nur ab, wie sich der osteuropäische Konflikt entwickelt, und wie sich insbesondere die USA dazu künftig außenpolitisch verhalten werden. Eine zu stark auf einen möglichen Taiwan-Konfikt konzentrierte USA würde Xi vermutlich nicht so gerne haben, wie eine USA mit möglichst weitläufiger Konfliktstreuung, und damit konventioneller, und punktuell geschwächter Ressourcenverteilung.

  • Der nationale Selbsterhaltungstrieb dürfte das ganze erst mal unter den 4-5 Hauptparteien USA, China, russische Föderation, EU und ggf dem british Commonwealth erst mal wieder in einem ungefähren Gleichgewicht halten.

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Hallo,

Xi wird Taiwan angreifen… zum einen Ablenkung von Corona, zum anderen ist dann die Frage, was wem wichtiger ist…

Dieses Szenario wäre durchaus denkbar, wenn sich Russland und China mitlitärisch tatsächlich zu einem direkten Bündnis zusammenschließen würden, und man dann tatsächlich die Strategie der Ressourcenverteilung des Gegners auf verschiedene militärische Standorte zur Stärkung der eigenen Chancen in konventionellen Militärkonflikten wollte.

Eine abschließende Frage bliebe dabei dann allerdings noch direkt zu Taiwan:

Welchen wirtschaftlich wieder wett machenden Vorteil hätte China von einer Einverleibung Taiwans, wenn dort ansässige Unternehmen von weltwirtschaftlicher Bedeutung ihre Technologien während eines solchen Konfliktes rechtzeitig abziehen, und deren Fertigungsstrukturen entsprechend abtransportieren, oder zerstören könnten?

Natürlich geht es um Machtsphären, aber Xi denkt doch vermutlich auch sehr stark wirtschaftlich orientiert in Kosten- / Nutzenabwägung zum monetären Wohle. Ein groß angelegter Eroberungskrieg im südpazifischen Raum würde Chinas bislang neu genanntes Weltziel der rein wirtschaftlichen, aber friedlichen Kontaktanbahnungen (auch) nachhaltig zerstören. :thinking:

interessiert keinen Despoten …

So ganz klar hat Putin dazu aber vermutlich weder im eigenen Volk, noch innerhalb der weltweiten Rechtsauffassung da wirklichen Rückhalt. :thinking:

Hätte Hitler damals nicht so massiv gegenüber Stalin gelogen wegen seiner tatsächlichen Absichten in bevolkerungsverachtung und Ressourcen… wer weiss dann schon um heute in einer möglichen Coallianz dieser beiden Demagogen.

Servus,

was genau hat denn die

(was immer das auch sein mag) in Chinas „Kontaktanbahnungen“ (hast Du tatsächlich dreißig Jahre im Wachkoma verbracht?) verloren? Und was hat Putin „direkt mit Taiwan“ zu tun?

Wahrlich, wahrlich - das Nichts nichtet, wie schon die Alten sungen!

MM