Ich kann deine Frage nicht beantworten. Das schonmal vorweg. Ich antworte nur, da sich mir, als angehendem Naturwissenschaftler, beim Lesen deiner Frage fast die Fussnägel hochgerollt hätten. Und das nur wegen diesem Satz:
Wie hoch ist also die wahre, gefühlte Inflation?
„Wahr“ und „Gefühlt“ sind zwei verschiedene paar Schuhe. Aufgrund der Mechanismen zur Filterung von Information unseres Gehirns ist es nahezu unmöglich, über einen längeren Zeitraum „aus dem Gedächtnis“ einen einigermaßen wahren Wert zu erhalten.
Du kannst dir auf den Seiten des statistischen Bundesamts übrigens die Inflation für deinen eigenen Warenkorb zusammenstellen. Den besten Wert für dich findest du wohl, indem du über 1 Monat deine gesamten Ausgaben auflistest (Kosten, die über längere Zeiträume laufen, entsprechend Teilen, vierteljährliche z.B. durch 3 und dazurechnen). Dann sortierst du das Ganze in die verschiedenen Warengruppen des statistischen Bundesamtes und brechnest die prozentuale Verteilung auf die Gesamtausgaben. Also nach diesem Schema:
Das Ergebnis ist dann deine persönliche Inflation. Eingestellt ist da übrigens die Standardzusammensetzung. Wenn ich das für mich erstelle, nehme ich z.B. Elektrogeräte raus, da ich diese als Sonderposten zähle und nach Bedarf kaufe, wo der Preis dann nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt.
Wobei man natürlich sagen muss, dass es Quatsch ist einen bundesweiten Mietindex zu nehmen. Mietpreise in Hamburg haben wohl nur sehr begrenzt etwas mit denen in Thüringen zu tun.
Die Inflation kann nicht staatlich verordnet werden. Die Inflation ist ein gemessener Wert, der höchstens von staatlichen Stellen gemessen und veröffentlicht wird.
Versuch doch mal über Preisverläufe deine 20-30% bei der euroeinführung zu belegen, dann wirst du ganz schön doof gucken, weil diese ominösen 20-30% garnicht existieren. Was du hier meinst, ist die gefühlte Inflation, aber da gehst du den Wahrnehmungsmechanismen des Gehirns auf den Leim. Preisänderungen nimmt das Gehirn wahr, Preise, die über lange Zeit gleich bleiben (Mineralwasser, z.B.), werden dagegen ignoriert, weil es einfach nicht wichtig ist.
Die staatlich verordnete Inflationswerte sind immer geringer
als die echte Inflation. Nach der €-Einführung dürfte es bei
20-30% gewesen sein.
und trotzdem sind heute viele Lebensmittel billiger als noch vor 15 Jahren. Lediglich die Lebensmittel, zu deren Erzeugung viel Energie notwendig ist (also vor allem Gewächshaus- und Flugware) sind nennenswert teurer geworden.
Kleidung ist in den letzten 10-15 eher billiger geworden, Elektronik ist in etwa gleich teuer geblieben, aber wesentlich leistungsfähiger. Bleiben Miete, Energie/Kraftstoffe und Dienstleistungen.
Die Preissteigerungen bei diesen Waren und Dienstleistungen in Bereichen wie wie Gastronomie, Transportwesen usw. sind tatsächlich spürbar gewesen und natürlich dem Verbraucher sehr präsent. Aus diesem Grunde geht ein Großteil der Bevölkerung davon aus, das Preisniveau als solches sei nennenswert gestiegen (vulgo: Inflation). Dahinter steckt aber der erwähnte Wahrnehmungsfehler.
Gruß
Christian
Ein paar Beispiele aus dem Bereich Lebensmittel:
Schweinefilet: heute € 9,99-12,99, 1995 DM 17,99-19,99
Gouda (Stück): heute € 2,79-4,49, 1995 DM 7,99-9,99
1 l Milch: heute € 0,55-0,99, 1995 DM 0,69-1,29
Einzig bei der Milch kommt man überhaupt auf eine meßbare positive Inflationsrate - von etwa 2-2,5% pro Jahr.