Taylorreihenentw. nur bei pos. Konvergenzradius?

Hallo,
ich beschäftige mich mit der Taylorreihenentwicklung.
Bekanntlich lautet die Voraussetzung für die Entwickelbarkeit einer Funktion f ja so:
Die Funktion f mit f:I \rightarrow \mathbb{R} ist über einem Intervall I:= [x_0;x] definiert und darin stetig differenzierbar und auf dem offenen Intervall I wenigstens n+1 -mal differenzierbar.

Was ist nun mit dem Kovergenzradius der entstandenen Reihe? Hat der etwas mit der Entwickelbarkeit der Funktion f in ihre Taylorreihe zu tun?
Vielen Dank :smile:

Was ist nun mit dem Kovergenzradius der entstandenen Reihe?
Hat der etwas mit der Entwickelbarkeit der Funktion f in ihre
Taylorreihe zu tun?

Hallo,

die Taylorreihe ist erst mal nur ein Konstrukt für das man die Ableitungen von f braucht. Ob die Taylorreihe die Funktion dann auch darstellt ist eine andere Sache.
Es gibt Funktionen deren Taylorreihe den Konvergenzradius 0 hat, wie z.B. (siehe Wikipedia)

f(x)=\int\limits_0^\infty\ \frac{e^{-t}}{1+x^2t}\ dt

Die Taylorreihe konvergiert dann nur im Entwicklungspunkt selbst.
Es gibt auch Funktionen die sich zwar in eine Taylorreihe entwickeln lassen, die aber nicht durch diese Taylorreihe dargestellt werden. Ein berühmtes Beispiel hierfür stammt von Cauchy.

f(x)=\begin{cases}0 & \text{falls }x=0\e^{-\frac{1}{x^2}} & \text{sonst}\end{cases}

f ist in x=0 unendlich oft differenzierbar, alle Ableitungen sind dort 0. Die Taylorreihe von f mit Entwicklungspunkt 0 ist also 0 und stellt deshalb die Funktion in keiner Umgebung um 0 dar.
Aus diesem Grund ist f nicht analytisch. Viele denken analytisch hieße, dass sich f in eine Taylorreihe (beziehungsweise Potenzreihe) entwickeln lässt, was gleichbedeutend damit ist, dass f unendlich oft differenzierbar ist. In Wirklichkeit heißt analytisch, dass f durch diese Potenzreihe auch dargestellt wird.

Viele Grüße

hendrik

Hallo Hendrik,
vielen Dank für deine ausführliche Antwort mit den anschaulichen Bsp.!

Ich bin noch über eine kleine Begrifflichkeitssache gestolpert:
Eine Potenzreihenentwicklung einer Fkt. f nach Taylor definiert sich durch

f(x)=\sum^\infty_{n=0}{\frac{{f^{(n)}}(x_0)}{n!} (x-x_0)^n + R_n(x;x_0)}

  • ist das Restglied wirklich dabei?
  • Summe bis k oder unendlich? (Potenzreihen an sich gehen ja eigentlich bis unendlich)

Der Bronstein sagt ohne R und nur bis k, ein anderes Analysisbuch (Amann/Escher) sagt ohne R aber bis unendlich…

Hallo brown,

die sogenannte Taylorreihe oder Taylorentwicklung von f zum Entwicklungspunkt x0 ist definiert als

\sum\limits_{k=0}^{\infty}\frac{f^{(k)}(x_0)}{k!}(x-x_0)^k

Dabei bedeutet f(k) die k-te Ableitung von f.
Voraussetzung ist natürlich, dass f unendlich oft in x0 differenzierbar ist.
Dann gibt es noch Taylorpolynome. Das Taylorpolynom vom Grad n ist definiert als

T_n(x)=\sum\limits_{k=0}^{n}\frac{f^{(k)}(x_0)}{k!}(x-x_0)^k

Voraussetzung hierfür ist, dass f mindestens n mal differenzierbar in x0 ist.

\frac{f^{(k)}(x_0)}{k!}

nennt man den k-ten Taylorkoeffizienten oder auch den Taylorkoeffizienten k-ter Ordnung.
Beim Taylorpolynom bricht man also quasi die Taylorentwicklung ab. In der Numerik, also der Arbeit mit Computern, macht das häufig Sinn, weil man bei Rechnungen mit dem Computer sowieso nur eine gewisse Genauigkeit erreichen will bzw. kann, und deshalb nur eine begrenzte Anzahl von Taylorkoeffizienten braucht (häufig sogar nur den ersten). Man kann ja auch unmöglich alle berechnen. Für gewöhnlich werden die Beträge der Taylorkoeffizienten mit steigender Ordnung immer kleiner, weil das k! im Nenner sehr schnell wächst.
Wenn nun f nicht selbst ein Polynom ist, dann ist ein Taylorpolynom egal welcher Ordnung immer nur eine Näherung. Wie gut diese Näherung ist, kann man mit Hilfe des Restglieds berechnen wenn f n+1 mal differenzierbar ist, und zwar auf dem Intervall zwischen dem Entwicklungspunkt und dem Punkt an dem man das Restglied berechnen will. Das Restglied gibt sozusagen den Fehler (oder besser den Unterschied) an zwischen dem Taylorpolynom und der Taylorreihe. Das Restglied n-ter Ordnung wird berechnet durch

R_n(x)=\int\limits_{x_0}^x\frac{f^{(n+1)}(t)}{n!}(x-t)^n\ dt

Wenn f durch seine Taylorreihe dargestellt wird, dann gilt also die Taylorformel

f(x)=T_n(x)+R_n(x)

Gruß

hendrik

Hallo Hendrik,
für das Restglied ist find ich die Lagrangsche Form umgänglicher, aber nimmt sich ja im Endeffekt nichts :wink:

Wenn f durch seine Taylorreihe dargestellt wird, dann gilt
also die Taylorformel

f(x)=T_n(x)+R_n(x)

Bedeutet das das selbe wie:
Die Funktion f wird genau dann durch ihre Taylorreihe dargestellt, wenn R_n(x)\rightarrow 0 für immer größere n.
Oder könnte man hier nun wieder als Gegenbsp. das von dir schon genannte Beispiel von Cauchy aufführen? - Wie prüfe ich denn genau, ob f durch seine Taylorreihe dargestellt wird?
Lieben Gruß

Hallo Hendrik,
für das Restglied ist find ich die Lagrangsche Form
umgänglicher, aber nimmt sich ja im Endeffekt nichts :wink:

Hi,

naja sowohl die Restglieddarstellung nach Lagrange als auch die von Cauchy (welche beide Spezialfälle der Darstellung nach Schlömilch sind) enthalten eine Zwischenstelle ξ, und ohne die zu kennen, kannst du damit das Restglied nicht ausrechnen. Diese Darstellungen sind eher für Abschätzungen geeignet, also um zu zeigen, dass der Betrag des Restglieds nicht größer als ein bestimmter Wert wird.

f(x)=T_n(x)+R_n(x)

Bedeutet das das selbe wie:
Die Funktion f wird genau dann durch ihre Taylorreihe
dargestellt, wenn R_n(x)\rightarrow 0
für immer größere n.

Ja richtig, wobei dir klar sein sollte welche Art von Konvergenz du mit dem Pfeil meinst, punktweise, gleichmäßige, gleichgradige oder was es da sonst noch so gibt.

Oder könnte man hier nun wieder als Gegenbsp. das von dir
schon genannte Beispiel von Cauchy aufführen?

Bei diesem Beispiel strebt Rn(x) ja nicht gegen 0, nur die Ableitungen im Entwicklungspunkt sind alle 0.

Wie prüfe ich denn genau, ob f durch seine Taylorreihe dargestellt :wird?

Wie du schon richtig erkannt hast, muss das Restglied für n gegen unendlich gegen 0 streben.

Ich mach mal ein Beispiel.
f(x)=sin(x)
Das Taylorpolynom n-ten Grades (ohne Einschränkung n=4k+1) mit Entwicklungspunkt 0 ist

T_n(x)=x-\frac{1}{3!}x^3+\frac{1}{5!}x^5-\ldots+\frac{1}{n!}x^n

Das Restglied ist dann

R_n(x)=\int\limits_0^x\frac{f^{(n+1)}(t)}{(n+1)!}(x-t)^{n+1}\ dt=\int\limits_0^x\frac{\cos(t)}{(n+1)!}(x-t)^{n+1}\ dt

Davon kann man jetzt den Betrag abschätzen.

\left\vert R_n(x)\right\vert
=\left\vert\int\limits_0^x\frac{\cos(t)}{(n+1)!}(x-t)^{n+1}\ dt\right\vert
\leq\left\vert\int\limits_0^x\frac{1}{(n+1)!}(x-t)^{n+1}\ dt\right\vert
=\frac{1}{(n+1)!}\left\vert\int\limits_0^x(x-t)^{n+1}\ dt\right\vert
=\frac{1}{(n+1)!}\left\vert\frac{x^{n+2}}{n+2}\right\vert
=\frac{\vert x\vert^{n+2}}{(n+2)!}

Dieser Ausdruck strebt unabhängig von x gegen 0 für n gegen unendlich. Das kann man z.B. leicht mit dem Quotientenkriterium zeigen. Es liegt also gleichmäßige Konvergenz vor. Deshalb wird der Sinus überall durch seine Taylorreihe dargestellt und ist somit analytisch.
Ich hoffe, das Beispiel hilft dir etwas.

Viele Grüße

hendrik

Diese Darstellungen sind eher für Abschätzungen geeignet, also
um zu zeigen, dass der Betrag des Restglieds nicht größer als
ein bestimmter Wert wird.

DANKE! Ich bin bisher immer fälschlicherweise davon ausgegangen, dass ich mir da eine Zahl zwischen 0 und 1 aussuchen darf und je nachdem wird dann die Genauigkeit…

Zu deinem sin - Bsp: Ganz schön viel umgeforme, aber nachvollziehbar :smile:

Habe das nun mal für exp(x) ausprobiert (mit Lagrange):
\left\vert R_n(x)\right\vert=\left\vert\frac{x^{n+1}}{(n+1)!}e^{x\xi}\right\vert , mit 0\left\vert R_n(x)\right\vert\leq \frac{1}{(n+1)!}

Und für x=1 : \frac{1}{(n+1)!}\leq\left\vert R_n(x)\right\vert\leq\frac{3}{(n+1)!}

Allerdings finde ich nichts passendes für x1

  • weißt du, ob/wo dazu eine Lösung stehen könnte?

Gruß Hannes

Habe das nun mal für exp(x) ausprobiert (mit Lagrange):
\left\vert
R_n(x)\right\vert=\left\vert\frac{x^{n+1}}{(n+1)!}e^{x\xi}\right\vert

Hallo Hannes,

ich vermute mal du hast als Entwicklungspunkt x0=0 genommen. Dann sieht das Lagrangesche Restglied so aus.

R_n(x)=\frac{x^{n+1}}{(n+1)!}e^{\xi}

Jetzt überprüfe mal (für ein beliebiges aber festes x) mit dem Quotientenkriterium was passiert wenn n gegen unendlich geht.

Gruß

hendrik

Hi,

ich vermute mal du hast als Entwicklungspunkt x0=0
genommen. Dann sieht das Lagrangesche Restglied so aus.

R_n(x)=\frac{x^{n+1}}{(n+1)!}e^{\xi}

Ups, mein Fehler! Wollte eigentlich e^{\vartheta x} mit 0 \frac{|x|}{n+2}\rightarrow 0 für n gegen unendlich.
Zwsichenfrage: Konvergiert deswegen auch das Restglied gegen 0? Ja oder - deswegen haben wir das ja gemacht. (Kannte das Quotientenkriterium bisher nur im Zusammenhang mit unendlichen Reihen)
Bringt mir dies nun etwas für eine sinnvolle Abschätzung des Restglieds?

Gruß Hannes

Jetzt überprüfe mal (für ein beliebiges aber festes x) mit dem
Quotientenkriterium was passiert wenn n gegen unendlich geht.

Oke, da hätte ich nach ein bisschen umformen:
\frac{|x|}{n+2}\rightarrow 0 für
n gegen unendlich.

Richtig. Du stellst dir die Restglieder in Abhängigkeit von n als eine Folge vor, quasi

a_n=R_n(x)

Daraus formst du dann eine Reihe.

\sum\limits_{n=0}^{\infty}R_n(x)

Auf diese Reihe wendest du jetzt das Quotientenkriterium an und siehst damit, dass sie konvergiert. Eine Reihe kann aber nur konvergieren wenn die zugehörige Folge eine Nullfolge ist. Folglich müssen die Restglieder (das sind ja die Folgenglieder) gegen 0 streben.
Das klingt umständlich, aber was eigentlich nur dahinter steckt ist, dass ab einem bestimmten Reihenglied die geometrische Reihe eine Majorante ist.

Gruß

hendrik