Testosteronsubstitution beim kastrierten Rüden

Mein vierjähriger Rüde wurde im Tierschutz sehr früh kastriert, unserer Schätzung nach mit 9 Monaten.
Ich vermute, dass viele seiner Eigenheiten, meiner Probleme mit ihm, daher rühren, weil er quasi geistig nicht erwachsen geworden ist. Das sind Aggression gegen andere Hunde an der Leine aus Unsicherheit, Schreckhaftigkeit, gegen Geräusche vor allem, die sich zur Panik steigern kann, eine gewisse Unberechenbarkeit, wie sie für pubertierende Hunde typisch ist.
Es gibt noch andere Eindrücke und Erfahrungen, die mich dazu gebracht haben zu überlegen, ob es für ihn, sein Selbstbewußtsein, nicht besser wäre, wieder einen normalen Testosteronspiegel zu haben. Meine Frage ist: Gibt es die Möglichkeit für Kastraten und was ist zu bedenken?

Hi

Du kannst „Verhaltensauffälligkeiten“ (die m.E. Erziehungsfehler sind) nicht einfach mit Testosteron wegspritzen.

Selbst wenn es so ist, wie du sagst, und der Hund hat ne Macke weil er zu wenig Testosteron hatte (was ich auch für Unsinn halte), so hilft keine Nachträgliche Gabe von Testosteron. Es ist jetzt eben so.

Suche dir bitte eine gute Hundeschule oder einen guten (!) Hundetrainer und lasse dich beraten.

Grüße

Karana

Hallo lokibara,

mein Rüde war auch unter einem Jahr alt, als er kastriert wurde. Mir wurde damals auch „angedroht“, dass er damit „blöde“ bleiben wird, was sich aber nicht bestätigt hat.

Mein Hund zeigt keine Ängste vor irgendetwas, hat sich noch nie mit einem anderen Hund angelegt (selbst die „Rabauken-Rüden“ aus dem Dorf „lieben“ ihn).

Das sind Aggression gegen andere Hunde an der
Leine aus Unsicherheit,

Das spricht aus meiner Erfahrung eher dafür, dass er nicht ausreichend sozialisiert/keine verständliche Kommunikation gelernt hat. Wie häufig darf/durfte er denn Kommunikation mit anderen Hunden pflegen, ohne an der Leine zu sein?

Schreckhaftigkeit, gegen Geräusche vor
allem, die sich zur Panik steigern kann,

Wie reagierst Du darauf? Dass „reingesteigertes Panikverhalten“ etwas mit Hormonen zu tun haben soll, möchte ich stark bezweifeln, aber ich lasse mich gern belehren.

eine gewisse
Unberechenbarkeit, wie sie für pubertierende Hunde typisch
ist.

Was meinst Du mit Unberechenbarkeit - gibt es ein Beispiel?

Es gibt noch andere Eindrücke und Erfahrungen, die mich dazu
gebracht haben zu überlegen, ob es für ihn, sein
Selbstbewußtsein, nicht besser wäre, wieder einen normalen
Testosteronspiegel zu haben.

Das wird Dir ein Hundetrainer im Zusammenspiel mit einem Tierarzt am besten beantworten können. Ich möchte spontan vermuten: nein! Er benötigt mehr Sicherheit durch Dich und mehr Kommunikationsfreiheit!

Viele Ostergrüße

Kathleen

Danke für die unfreundliche Antwort.
Mein Hund hat keine Macke, sondern charakterliche Eigenheiten. Ich habe ihn jetzt drei Jahre lang und trainiere ebenso lange mit ihm, auch mit Unterstützung von mittlerweile drei Hundeschulen. Ich weiß daher, wie ich heikle Situationen rgeln kann, möchte uns aber gern den Alltag erleichtern.
Wieso Unsinn?! Hast Du noch nie gehört, dass sich Hormone erheblich auf Verhalten auswirken und anderes Verhalten sogar unmöglich machen können.

Erst mal vielen Dank und feundliche Ostergrüße. Ich komme im Moment nicht zu der nötigen ausführlichen Antwort. Mit Tierärztin und Trainerin werde ich mich ein weiteres Mal beraten. Ich weiß, die Idee mit dem Testosteron ist exotisch. Ihm Sicherheit zu vermitteln ist meine Strategie, verlangt allerding sehr viel „Management“, besonders bei einem Podenco.

Entschuldige, hab ich glatt die freundlichen Grüße vergessen. lg Bara und Loki

Wieso Unsinn?! Hast Du noch nie gehört, dass sich Hormone
erheblich auf Verhalten auswirken und anderes Verhalten sogar
unmöglich machen können.

Doch, klar tun sie das. Aber wenn der Hund jetzt vor irgendwas Angst hat, wird er das auch mit Testosteron noch haben, doch möglicherweise schreckt er nicht zurück, sondern geht auf Angriff über.

Das sind falsch-erlernte Verhaltensweisen. Die kriegst du nicht einfach weg, auch wenn der Hund möglicherweise von Testosteron mutiger wird.

Es kann natürlich ein Hormonungleichgewicht vorliegen, aber was in der Jugend des Hundes „zerstört“ wurde, kannst du jetzt nachträglich nicht mehr mit Hormonen ausbügeln. Und auch so halte ich die Gabe von Testosteron nicht für das Mittel der Wahl. Es stellt so viel im Körper um…

Grüße

Karana

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Hallo,

bei einem Alter von 9 Monaten spricht man nicht mehr von einer besonders frühen Kastration. Frühkastrationen werden unter 6 Monaten und damit vor dem Erreichen der Geschlechtsreife durchgeführt. Wenn sie zu diesem Zeitpunkt erfolgen, kann das gelegentlich negative Auswirkungen auf das Sozialverhalten haben - mit 9 Monaten ist damit nicht mehr zu rechnen.

Abgesehen davon, dass Hormonsubstitutionen bei Rüden nicht üblich sind, wäre die Auswirkung auch kaum erfolgversprechend. Testosteron beeinflusst lediglich die Prozesse, die hormonabhängig sind. Eine „psychische Nachreifung“ ist damit nicht möglich.

Es wäre zu erwarten, dass dein Hund auf andere Rüden aggressiver reagiert als bisher, gegenüber Hündinnen könnte er sich verträglicher zeigen. Da er allerdings auch auf läufige Hündinnen reagieren würde, wäre zu erwarten, dass Unausgeglichenheit, Hibbeligkeit und Aggressionsbereitschaft insgesamt steigen würden. Testosteron ist auch für die Entwicklung von (hormonell bedingter) Aggression zuständig.

Schreckhaftigkeit, Panik und Unsicherheit würden nicht beeinflusst. Das sind Verhaltensprobleme, die keine hormonellen Ursachen haben und demzufolge auch nicht durch Hormonsubstitution behandelt werden könnten. Hinzu kommt, dass die entscheidende hormonelle Prägung eines Rüden während eine pränatalen Hormonschubs im Mutterleib passiert, welcher durch einen zweiten in den ersten Wochen nach der Geburt verstärkt wird. Damit sind die hormonellen Weichen weitestgehend gestellt. Was an Hormonen während der Geschlechtsreifung hinzu kommt, wirkt mehr oder weniger nur verstärkend. Das ist auch der Grund, warum Kastrationen selten Erfolge in Bezug auf Verhaltensänderungen bringen - selbst auf solche wie Markieren oder Aufreiten, die hormongesteuert sind. Das ist auch im Umkehrschluss zu erwarten.

Die Verhaltensweisen, die du beschreibst, sind nach meiner Erfahrung für einen Podenco aber nicht ungewöhnlich. Ich habe eine Menge solcher Hunde kennengelernt. Podencos sind dafür bekannt, keine engen Bindungen zu Menschen aufzubauen. Haben sie dann auch noch eine Sozialisation als Straßenhund erfahren und/ oder im Welpen- und Junghundalter negative Erfahrungen mit Menschen gemacht, ist der Zug zur Bindungsfähig- und -willigkeit abgefahren.

Aus dieser resultiert, dass der Hund dem Menschen nicht ausreichend vertraut, und demzufolge diesen auch nicht als „Fels in der Brandung“ akzeptieren kann, der ihm die nötige Sicherheit vermittelt. Leinenaggression ist z.B. ein ganz typisches Beispiel dafür, dass der Mensch als Führungspersönlichkeit nicht anerkannt ist.

Schreckhaftigkeit gegen Geräusche ist in aller Regel auch auf Sozialisationserfahrungen zurückzuführen. Dabei kann eine schreckhafte Mutterhündin bereits ausreichen, um dieses Verhalten ihren Welpen bereits in frühester Welpenzeit anzuerziehen. Da dies in der Prägephase erfolgt, ist diesem Verhalten später oft nur sehr schwer bis gar nicht entgegenzuwirken.

Wie auch immer: Eine Hormonsubstitution wird euch in keinem Fall weiterhelfen.

Schöne Grüße,
Jule