Hallo zusammen,
ich beschäftige mich mit der Frage, welche Funktion Interpretationstexte (speziell Gedichtinterpretationen) im Sinne von Klaus Brinker haben. Dieser unterscheidet in seinem Werk „Linguistische Textanalyse“ ja zwischen der Informations-, Appell-, Obligations-, Kontakt- und Deklarationsfunktion.
Möchte der Verfasser einer Gedichtinterpretation den Leser nur über das Gedicht informieren?
Ich bin der Ansicht, dass der Großteil einer Gedichtinterpretation eine argumentative Struktur aufweist, da das persönliche Verständnis des Gedichts aufgrund von Textbelegen für den Leser nachvollziehbar gemacht werden soll (in der Fachliteratur habe ich diesbezüglich allerdings auch keine Informationen gefunden). Brinker bemerkt jedoch, dass eine solche argumentative Themenentfaltung charakteristisch für appellative Texte ist. Mit einer Gedichtinterpretation möchte der Verfasser den Leser aber doch nicht dazu bewegt werden, dass er eine bestimmte Einstellung gegenüber dem Gedicht einnimmt, oder?
Was meint ihr - informative oder appellative Textfunktion?
Ich bin gespannt auf eure Antworten. Vielen Dank schon mal!
Liebe Sabi,
ich verstehe deine Unentschlossenheit, genau diesen Gedankengang hätte ich bei diesem Problem auch. Außerdem hab ich gerade ein bisschen ein ähnliches Problem, weil ich gerade darüber nachdenke, ob Steckbriefe (die polizeilicher Art, bei denen ein Verbrecher gesucht wird) primär Informations- oder Appelltexte sind.
Allgemein ist es ja bei Brinker so, dass man seine Textfunktionen manchmal nicht so ganz trennen kann und ich finde (und ich meine mich zu erinnern, Brinker auch), dass tatsächlich ein Text auch mehrere Textfunktionen haben kann - entgegen manch anderen Textlinguisten, die sagen, es könne nur immer eine Textfunktion wahrgenommen werden.
Ich würde also sagen: Einerseits wollen natürlich diese Interpretationstexte informieren, sie wollen jedoch auch appellativ wirken, sie wollen überzeugen. Der eine vielleicht mehr als der andere, je nachdem, wie groß die Argumentation aufgezogen ist und einen wie hohen Alleingeltungsanspruch diese einnehmen will. Ich denke aber schon, dass ein appellativer Aspekt mit drin ist - warum veröffentlichen Autoren sonst Interpretationstexte, wenn sie nicht (auch) zum Ziel haben, Leser mit ihrer Interpretation „auf ihre Seite“ zu ziehen? Aber zur Argumentation/zum Appell gehört immer auch die Information, damit der Appell überhaupt wirksam sein kann.
Ja, zu dieser Einschätzung bin ich nun auch gekommen. Dankeschön.
Für deine Steckbriefe würde ich auf den ersten Blick sagen, dass die Informationsfunktion im Vordergrund steht. Denn es geht schließlich in erster Linie darum, Informationen über die gesuchte Person zu verbreiten. Allerdings darf der Appell „helft bei der Suche“ / „seid vorsichtig“ nicht unberücksichtigt bleiben. hhmmmm…
Bei meinen Gedichtinterpretationen ist ja der größte Teil des Textes argumentativ angelegt. Informationen werden zu Beginn mitgeteilt, vielleicht auch zwischendrin, um das Textverständnis zu gewährleisten. Rein vom Anteil her sind diese informativen Teile jedoch viel geringer. Ich kenn mich mit richtigen Steckbriefen nicht aus, nehme jedoch an, dass diese höchstens zu Beginn (oder Ende) ein oder zwei appellative Sätze enthalten. In diesem Fall überwiegen informative Sätze und somit auch die Informationsfunktion? Ich bin mir nicht sicher, ob man so argumentieren kann, ist aber zumindest mal ein Ansatz.