Hallo Eckard,
Ich wende mich durchaus nicht gegen tiefes Nachdenken. Nur muß
dieses Nachdenken dann auch irgendwann einmal (verwertbare)
Ergebnisse zeitigen, soll es nicht zu einem sinnentleerten
Grübeln geraten, das weder den Philosophen noch die Welt
weiterbringt.
die Frage bleibt, wann und wo man die Suche nach Verwertbarem abschneidet. Das ist das Problem JEDER Grundlagenforschung (und das ist Philosophie auch); Beispiel: Teilchenbeschleuniger in der physikalischen Forschung - da gab es vor einiger Zeit eine Diskussion im Spiegel, die auch online erreichbar war.
Aber dürfte pekuniäres denn in der philosophischen Betrachtung
eine Rolle spielen? Es mag in einer Zeit, in der alles um’s
goldene Kalb tanzt sicher schwieriger sein, sich solch
„brotlosen Künsten“ wie dem Nachdenken zu widmen, aber
unmöglich ist es doch wohl nicht geworden.
Naja, auch philosophische Institute brauchen Bücher, Zeitschriften-Abonnements etc., um gute Arbeit leisten zu können. Da wird mir schon zu viel gekürzt. Und der Versuch, Bücher zu veröffentlichen, scheitert oft genug daran, dass es an der finanziellen Unterstützung mangelt. Und was sich nicht verkauft, wird nicht gelesen. Und wer kein Geld für seine Arbeit bekommt, veröffentlicht vielleicht im Internet, aber er wird sich dann auch schnell überlegen, ob er noch weiter „für nix“ Leistung erbringt, die ihm allerhöchstens zur Sozialhilfe reicht. Das sind keine Phantasmen, sondern das ist das reale Leben. Nicht immer, aber immer öfter.
Ich weiß nicht recht, es gab Zeiten, wo das
(gesellschaftliche) Klima dem Neubeginn förderlich war, wo
Aufbruchstimmung herrschte, die aber alle Bereiche des Lebens
erfaßte ob ökonomisch oder geistig oder künstlerisch. Nimm den
Beginn des vorigen Jahrhunderts: da begannen plötzlich
allerorten neue Ideen zu sprießen, da wurden Dynastien und
Firmen begründet, da wurden Erfindungen gemacht und umgesetzt,
da durchwehte die Kunst ein frischer Wind, da wurden der
Wissenschaft neue Impulse gegeben. Von diesem Impetus leben
wir ja heute noch.
Der Auslöser war auch hier ein Einzelner, wenn man es genau nimmt, nämlich der schon genannte Kant - natürlich in Verbindung mit historischen Ereignissen (franz. Revol. etc.). Oder meinst du das 20. Jh.? Dann wirst du vielleicht auf die 20er Jahre rekurrieren. Voraussetzung für DIESE Stimmung war ein Weltkrieg, den wir heute weniger denn je „benötigen“ - da sind wir uns sicher einig. Und die soziale Struktur, die diese Stimmung ermöglicht hat, wollen wir auch nicht wieder haben, denke ich. So hat alles seine zwei Seiten.
Sicherlich werde ich kein Philosoph werden, aber ich möchte
doch gern Teile des philosophischen Handwerkszeuges nutzen, um
mir meine Welt besser erklären zu können.
Erklären? Du möchtest sie verändern, denke ich, weil dir etwas fehlt - berechtigterweise. Solche Veränderungswünsche birgen aber oft extreme Gefahren in sich, so dass ich es lieber mit Vorsicht halte.
Wenn es mir auch
fürchterlich egal sein könnte, was in 20 Jahren geschieht, da
mir dann ja doch kein Zahn mehr wehtun wird - ich könnte meine
verbleibenden Jahre doch beruhigter verbringen, wenn ich die
Zuversicht haben könnte, dass es mit der Menschheit vorwärts
geht.
Na, wir wollen doch hoffen, dass du als 80jähriger hier noch fleißig postest, um als der erste Internetgreis in die Geschichte einzugehen.
Ich verstehe deinen Wunsch aber sehr gut, würde nur meinen, dass da mit Ruck-Zuck nix zu holen ist.
Die derzeit vorherrschende „retroverse Progression“
trägt allerdings wenig zur Steigerung dieser Zuversicht bei.
Da könntest du Recht haben. 
Herzliche Grüße
Thomas