Tibet

… das ist uns weitgehend durch chinesische Unterdrückung und den Dalai Lama bekannt.

Guten Abend,

jetzt habe ich in einem Bericht von einem tibetischen Schriftsteller gehört, dass in Tibet vorher - also vor 1951 - ein feudalistisches Regime von Mönchen und verschiedenen Klöstern, die sich heftig gegenseitig bekämpft hatten, geherrscht hat.

Was ist da dran? Wer weiss Genaueres?

Danke
Laika

… das ist uns weitgehend durch chinesische Unterdrückung und
den Dalai Lama bekannt.

meist aus antichinesischer bzw. antikommunistischer Propaganda.

jetzt habe ich in einem Bericht von einem tibetischen
Schriftsteller gehört, dass in Tibet vorher - also vor 1951 -
ein feudalistisches Regime von Mönchen und verschiedenen
Klöstern, die sich heftig gegenseitig bekämpft hatten,
geherrscht hat.

Gestrichenes sekundär.

Was ist da dran? Wer weiss Genaueres?

Auf der folgenden Seite findest du viel Kritisches dazu:
http://www.trimondi.de/expose1.html

Gruss
Nescio

Moin,

jetzt habe ich in einem Bericht von einem tibetischen
Schriftsteller gehört,

Welcher Bericht von welchem tibetischen Schriftsteller?

dass in Tibet vorher - also vor 1951 -
ein feudalistisches Regime von Mönchen und verschiedenen
Klöstern, die sich heftig gegenseitig bekämpft hatten,
geherrscht hat.

Was ist da dran?

Nichts, außer vielleicht das Wort „freudalistisch“.
Vor dem Überfall der Chinesen auf Tibet gab es dort ein sehr komplexes Geflecht aus weltlichen Adeligen, Klöstern, Beamten, einer Zentralregierung und vielen dezentralen, regionalen Klöstern und weltlichen Regierungsorganen. Die Machtverhältnisse konnten sich dabei sehr schnell verschieben, insbesondere auch deshalb, weil viele Machtbefugnisse (z.B. die hoher Beamter, Regenten oder Geistlicher) nicht innerhalb einer Familie vererbt werden konnten, wie es zum Beispiel im feudalistischen Europa der Fall war.

Rein theoretisch wäre zwar die Position des Dalai Lama die machtvollste Position in Tibet gewesen, weil sie sowohl weltliche, als auch religiöse Machtbefugnis vereinte, jedoch setzte dies voraus, dass es überhaupt einen Dalai Lama gab, der diese Position einnehmen konnte. Die Liste hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Dalai_Lama zeigt, dass das eher selten der Fall war. Die meisten Dalai Lamas wurden gar nicht alt genug, um ihre Regierungszeit anzutreten, oder diese währte nur sehr kurz.

Nach dem fünften Dalai Lama (1617-1682) gelang dies eigentlich erst wieder dem dreizehnten Dalai Lama (1876-1933). In diese Zeit fallen auch die ersten halbwegs glaubwürdigen Beschreibungen der Verhältnisse in Tibet aus europäischer Quelle. Besonders erwähnen möchte ich das Buch von Sir Charles Bell http://tibet.prm.ox.ac.uk/tibet_Charles_Bell.html „Der Große Dreizehnte“ ISBN-10: 3404615786 Buch anschauen. Sir Charles Bell hielt sich zur Regierungszeit des 13. Dalai Lama als britischer Abgesandter in Tibet und den umliegenden Ländern auf und beschreibt die damaligen Verhältnisse als Augenzeuge.

Nach dem Tod des 13. Dalai Lama 1933 entstand in Tibet ein Machtvakuum, das sich letztendlich die Chinesen Zunutze machten. Wenn dich speziell diese Zeit zwischen 1933 und 1951 interessiert, will ich darauf gerne noch genauer eingehen.

Zwar wurde 1950 der damals 15-Jährige 14. Dalai Lama in seine Ämter eingesetzt, aber er hatte kaum Gelegenthiet, diese überhaupt wahrzunehmen. Bereits vor 1951 waren chinesische Truppen in Osttibet eingefallen und der junge Dalai Lama sah sich gezwungen 1951, ein Abkommen zu unterzeichnen, das Tibet innenpolitische Autonomie und Religionsfreiheit zusichern sollte http://de.wikipedia.org/wiki/17-Punkte-Abkommen (auf dessen Einhaltung durch die Chinesen die Tibeter bis heute vergebens warten) und musste 1959 wie seitdem unzählige Tibeter aus Tibet fliehen.

Die Ansätze des 13. Dalai Lama, aus Tibet einen modernen Staat nach europäischem Vorbild zu machen, konnten somit vom 14 Dalai Lama kaum weiter verfolgt werden, und wurden durch den Überfall der Chinesen endgültig bis zum heutigen Tag zunichte gemacht.

Gruß
Marion

Moin auch,

jetzt habe ich in einem Bericht von einem tibetischen
Schriftsteller gehört,

Welcher Bericht von welchem tibetischen Schriftsteller?

Weiß ich nicht. Ich höre häufig Radio gewissermaßen nebenbei - z.B. jetzt, wo ich dieses tippe - dann kommt ein Bericht, der meine Aufmerksamkeit stärker erregt … Autor, genauer Zeitpunkt, Name des Interviewten, Zitierten sind dann wieder weg - nur der Inhelt bleibt hängen.

Ansonsten werde ich mir Deine - wiedermal seriös vorgetragenen! - Dinge mal zu Gemüte führen.

Der Ausgangspunkt dieser und anderer Fragen, Auslassungen von mir zu China usw. liegt in häufigen Diskussionen mit einem Freund, der die Chinesen nicht für friedfertig hält, als Beispiel immer die Besatzung Tibets und der Unterdrückung der Uiguren in Xinjiang anführt, während ich immer abwiegele und die Chinesen für prinzipiell friedfertiger als die Europäer halte.
Natürlich ist das, was die Chinesen da in Tibet treiben und die Behandlung der Menschenrechte nicht in Ordnung und zu verurteilen! Ich argumentiere da mehr aus der Geschichte heraus nach dem etwas überspitzten Motto: „Wenn man die Chinesen mit den Europäern bzgl. ihres Verhaltens gegenüber Nachbarn und in der Welt vergleichen wollte, hätten erstere noch erheblichen Nachholbedarf in Sachen Versklavung, Ausrottung und Unterdrückung der Völker in aller Welt.“ Auch das Verhalten der Chinesen in Afrika … ist der Westen da besser?
Na ja, etwas abgehend von meiner Ursprungsfrage.

Gruss
Laika

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Moin,

„Wenn man die
Chinesen mit den Europäern bzgl. ihres Verhaltens gegenüber
Nachbarn und in der Welt vergleichen wollte, hätten erstere
noch erheblichen Nachholbedarf in Sachen Versklavung,
Ausrottung und Unterdrückung der Völker in aller Welt.“

Nun ja, da kann man sicher so einiges zu sagen. So gibt es vermutlich kein Volk auf dieser Erde, das mit soviel Brutalität und Gewalt versucht hat, die eigene Kultur zu zerstören. Der sogenannten „Kulturrevolution“ dürften mehrere Millionen Menschen zum Opfer gefallen sein, entweder indem sie direkt ermordet wurden, oder in Arbeitslagern umkamen oder durch die disatrösen Folgen z.B. für die Landwirtschaft schlichtweg verhungerten. Dass dies nicht zu weltweitem Entsetzen und Aufschrei geführt hat, liegt vermutlich nur daran, dass die Opfer im Wesentlichen Chinesen selbst waren, oder von China besetzte Völker. Wenn China den Tod von Millionen Europäern zu verantworten hätte, sähe die Bewertung Chinas in Europa sicher anders aus.

Um auf das Ursprungsthema zurück zu kommen…was das Verhältnis Tibets zu China angeht, so muss man hier zwischen dem Verhältnis zum kaiserlichen China und dem Verhältnis zum nach-revolutionären China unterscheiden. Zwar mochten sich die Chinesen und Tiber nie sonderlich, aber mit dem kaiserlichen China kam man halbwegs klar und hatte sich mehr oder weniger arrangiert. Um die Jahrhundertwende versuchten ja auch europäische Mächte wie Russland und Groß Britannien ihren Einfluss in Asien auszuweiten. Weder für China, noch für Tibet war es in der Situation einfach, seine Unabhängigkeit zu bewahren. Für Tibet hatte dies letztendlich die Konsequenz, alle Ausländer (einschließlich der Chinesen) aus dem Land zu werfen und sich nach allen Seiten hin abzuschotten, was letztendlich auch dazu führte, dass Tibet bei dem Überfall durch China ziemlich isoliert dastand und Hilferufe an europäische Regierungen unbeachtet verhallten.

Würde ich das heutige China als friedfertig bezeichnen? Nein. Mit Sicherheit nicht. China versucht auf allen Gebieten aggressiv seine Interessen zu vertreten, sei es wirtschaftlich oder militärisch. Wer die Militäraufmärsche in China kürzlich zu den Jubelfeiern gesehen hat, dem dürfte kaum wohl in der Haut geworden sein, wobei immer noch fraglich ist, ob dadurch nun ausländische Mächte beeindruckt werden sollten, oder ob dies nicht auch eine Demonstration der Stärke nach Innen, gezielt auf die eigene Opposition war. Zudem geht man davon aus, dass China hinter den sogenannten „Maoistischen Rebellen“ steht, die für Terror und Destabilisierung in den Nachbarländern Chinas wie Nepal und Indien sorgen und somit auch immer ein Mittel darstellen, auf diese Länder Druck auszuüben. Wo man militärisch nichts ausrichten kann, wird versucht, der wirtschaftliche Hebel anzusetzen, z.B. auch auf Deutschland, wie man immer sehr gut beobachten kann, wenn die Chinesen versuchen, Deutschland vorzuschreiben, wer den Dalai Lama empfangen darf, ob Deutschland Uiguren aufnehmen darf, wer bei Veranstaltungen wie der Buchmesse in Frankfurt auftreten darf usw.

Mir persönlich gefällt das überhaupt nicht, da ich hier auch unsere demokratischen Werte (und politische Souveränität) aktuell und ganz konkret in Gefahr sehe, und ich bin jedenfalls froh, dass sehr viel Land zwischen Deutschland und China liegt und dass es in Deutschland vermutlich keine Bodenschätze gibt, die für China interessant sein könnten.

Gruß
Marion

Hallo,

jetzt habe ich in einem Bericht von einem tibetischen
Schriftsteller gehört, dass in Tibet vorher - also vor 1951 -
ein feudalistisches Regime von Mönchen und verschiedenen
Klöstern, die sich heftig gegenseitig bekämpft hatten,
geherrscht hat.

Was ist da dran? Wer weiss Genaueres?

das ist richtig. In Tibet waren militärische Auseinandersetzungen zwischen Klöstern untereinander wie auch zwischen Klöstern und weltlichen Feudalherren häufig. Dabei wurden als Truppen auch Korps (gling ka) von bewaffneten Mönchen (lDab ldop) eingesetzt. Melvyn Goldstein (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Melvyn_Goldstein) schätzt, dass zwischen 10% und 15% aller Mönche der sog. ‚drei Residenzen‘ (gden sa gsum - Ganden, Drepung und Sera) der Gelugpa (die Sekte, die mit Hilfe mongolischer Verbündeter im 17. Jahrhundert zur Macht gekommen war) zu diesen Mönchstruppen gehörten.

Tibet war eines der sozial rückständigsten Länder der Erde, in dem noch im 20. Jahrhundert außer etwa 250 aristokratischen Familien praktisch alle Laien Leibeigene (mi ser) waren, erblich durch Zuschreibung an Grundherrschaften und Grundherren gebunden. Um dies zu wissen, muss man keiner chinesischen Propaganda, keinem Goldner oder Trimondi Glauben schenken (beide sind unseriös und nicht empfehlenswert), man lese Grunfeld oder Goldstein - seriöse ‚westliche‘ Literatur. Zur tibetischen Gesellschaftsstruktur etwa dieses verhältnismäßig kompakte Papier Mervyn Goldsteins: http://www.case.edu/affil/tibet/booksAndPapers/Human…. Die Aufrechterhaltung dieser Ordnung war die zweite (polizeiliche) Aufgabe der bewaffneten Mönchssoldaten - mit Unterstützung eines barbarischen Strafsystems, gegen das das chinesische geradezu human erscheint. „The people living at the time were happier and calmer than the people in this new generation“ meint der Dalai Lama (http://www.friendsoftibet.org/main/intervw.html) lapidar dazu. Das kann man glauben, muss man aber nicht.

Analphabetismus war selbst bei Mönchen die Regel. Kein Gesundheitssystem, das diesen Namen verdient hätte - Schmutz, Armut und eine Durchseuchung mit Geschlechtskankreiten und Pocken. Und nein, letzteres ist keine chinesische Propaganda, auch wenn seine Heiligkeit das zum Lachen findet (siehe das oben erwähnte Interview), das stammt aus einer englischen medizinhistorischen Quelle: http://www.pubmedcentral.nih.gov/articlerender.fcgi?.. . Auch das war tibetische Kultur, wenn auch nicht gerade buddhistische.

Freundliche Grüße,
Ralf