Triebwerksausfall - was ist dann noch drin ?

Guten Abend,

ich habe eine Frage zum Bereich Triebwerksausfall bei verschiedenen Flugzeugtypen.
Wie verhalten sich 2-motorige Jets ( A 320, B777) und 4-motorige Jets (B747) , wenn 1 oder 2 Triebwerke ausfallen bei
Start (Rollen), Steigflug, Normalflug, Landeanflug, Durchstarten ?
Welche Handlungen kann man im jeweiligen Fall noch ausführen (ich denke z.B. daß eine B 777 mit nur einem Triebwerk wohl noch ein paar km schaffen könnte) ?

Warum gibt es große Flugzeuge mit 4 Motoren und ähnlich große mit nur 2 Motoren ? Was ist der Vorteil der einen oder der anderen Bestückung ?

Viele Grüße und Dank für alle Antworten.
Lutz

Guten Abend,

ich habe eine Frage zum Bereich Triebwerksausfall bei
verschiedenen Flugzeugtypen.
Wie verhalten sich 2-motorige Jets ( A 320, B777) und
4-motorige Jets (B747) , wenn 1 oder 2 Triebwerke ausfallen
bei
Start (Rollen), Steigflug, Normalflug, Landeanflug,
Durchstarten ?
Welche Handlungen kann man im jeweiligen Fall noch ausführen
(ich denke z.B. daß eine B 777 mit nur einem Triebwerk wohl
noch ein paar km schaffen könnte) ?

Warum gibt es große Flugzeuge mit 4 Motoren und ähnlich große
mit nur 2 Motoren ? Was ist der Vorteil der einen oder der
anderen Bestückung ?

Hi Lutz,

so viele Fragen auf einmal… :smile:
Aber ich versuche mal es Dir im Prinzip zu erklären, ohne allzu sehr in Details abzurutschen:

Flugzeuge werden auf ein bestimmtes Einsatzprofil hin konstruiert. Passagierkapazität, Frachtkapazität, Reichweite, Unterhaltskosten, Streckenprofil, Einsatzgebiet, … Viele Faktoren spielen in diese Überlegungen hinein, und genauso wie bei einem Autokauf viele Faktoren ein bestimmtes Modell für Dich interessant, aber Deinen Nachbarn unbrauchbar machen, geht es auch Airlines mit Flugzeugen - was bei dem einen paßt ist für den anderen unbrauchbar.
Der grundsätzliche Unterschied zwischen 2 und 4motorigen Maschinen ist, daß die letzteren natürlich einen höheren Wartungsaufwand und erhöhten Kerosinverbrauch haben, andererseits aber keinen Beschränkungen unterliegen wie sie 2motorige z. B. beim Überfliegen längerer Wasserstrecken beachten müssen (ETOPS, Engine Twin Operations - oder auch Engines turning or passengers swimming :smile: ). Das ist z. B. ein sehr wichtiger Faktor bei Atlantik- und vor allem Pazifiuk-Überquerungen.
Darüber hinaus verlangen die einschlägigen Gesetze, daß Flugzeuge gewisse Leistungsreserven haben müssen um im Falle eines Triebwerksversagens nicht in Probleme zu kommen. Wer nun aber denkt daß 4 Triebwerke besser wäre als 2 der irrt - denn eine 50%ige Leistungsreserve bedeutet, bezogen auf das einzelne Triebwerk, daß die 2motorigen stärkere Engines haben als die 4motorige Konkurrenz - also ist das 4motorige Flugzeug in seiner Gesamtleistung „schwächer“ als ein Twinjet. Das hat im Normalfall keine negativen Auswirkungen, führt aber dazu daß die 2motorigen Maschinen fast immer kraftvoller sind als die vergleichbaren Konkurrenten mit mehr Triebwerken.
Was den Triebwerksausfall angeht: Flugzeuge können auch bei komplett ausgefallenben Triebwerken weiterfliegen - als Segelflugzeug. Sowas funzt auch noch mit einem Jumbo-Jet - und der Hapag Lloyd-Unfall in Wien vor 1 oder 2 (?) Jahren hat das ja auch wieder bewiesen.
Fällt nur ein Triebwerk aus, ist der Schub der Maschine asymetrisch, außerdem wird der am Flügel entstehende Auftrieb auf der „ausgefallenen“ Seite kleiner. Dementsprechend muß die Trimmung des Flugzeugs verändert werden und der geringere zur Verfügung stehende Schub muß bedacht werden. Das ist unabhängig von der jeweiligen Flugphase.
Dabei ist die Stärke der Asymetrie natürlich auch abhängig vom Montageort der/des Triebwerks; bei den Mustern mit 4 Triebwerken gibt es ja verschiedene Ausfall-Konstellationen, bei den 2motorigen hängt es vor allem davon ab, wo das Triebwerk montiert ist: befindet es sich am Heck des Flugzeugs und ist direkt am Rumpf montiert (z. B. DC-9, MD-80 series, B717, B727) zieht die Maschine weniger stark zur Seite als wenn das Triebwerk am Flügel - und somit weiter vom Rumpf entfernt und auf halber Höhe des Rumpfes - angebracht ist (B737, B757, B767, B777, A320 series, A330).
Ist man noch am Boden und hat die kritische Geschwindigkeit „V1“ noch nicht erreicht wird natürlich der Start abgebrochen, hat man diese Geschwindigkeit aber überschritten MUSS in jedem Fall gestartet werden, weil die dann noch zur Verfügung stehende Runway nicht mehr reichen würde um noch vor ihrem Ende sicher abbremsen zu können. In diesem Fall würde man nach einem vor jedem Start durchgesprochenen Procedere zunächst starten und dann unverzüglich wieder zu landen. Passiert der Triebwerksausfall in der Luft fliegt man mit dem verbleibenden Schub weiter, was aber mit dem/den verbleibenden Triebwerken kein Problem darstellt.

Das ist die „Kurzform“… :smile: Man könnte noch viel mehr sagen - wenn ich etwas vergessen habe oder Fragen offen blieben, frage nach…

MecFleih

Vielen Dank erstmal für diese recht umfassenden Informationen.
Ich glaube aber, folgender Punkt wäre eingeschränkt:

Was den Triebwerksausfall angeht: Flugzeuge können auch bei
komplett ausgefallenen Triebwerken weiterfliegen - als
Segelflugzeug. Sowas funzt auch noch mit einem Jumbo-Jet - und
der Hapag Lloyd-Unfall in Wien vor 1 oder 2 (?) Jahren hat das
ja auch wieder bewiesen.

Ich bezweifle, daß im Segelflug stetig gleiche Höhe gehalten werden kann, ein Jumbo im "Segelflug " sich die Thermik suchen könnte. Also ist mit realistischen Flughöhen (z.b. 40000 ft) nur eine begrenzte Strecke in der Horizontalen möglich, da vom steten Sinkflug auszugehen ist. Der Fluglotse wird sich auch freuen, eine Maschine mit stetig ändernder Höhe auf dem Schirm zu haben :smile:
Es gab auch mal einen amerikanischen Film über die Thematik ( die sind dann auf einer verlassenen Landebahn runter, wo gerade ein Oldtimer-Treffen o.ä. war), aber den halte ich für sehr unrealistisch.
Wie sind eigentlich die Maschinen konstruktiv gebaut, um das Drehmoment beider Triebwerke in gleicher Richtung über dem Rumpf auszugleichen ? Ich nehme an, die Tragwerksaufhängungen und Flügelaufhängungen sind nicht spiegelbildlich identisch ?
Ich weiß, daß aus Wirtschaftlichkeitsgründen keine Triebwerke mit gegenläufigen Drehsinn gebaut werden, aber der Momentenausgleich muß doch woanders liegen…

Gruß Lutz

Die sache mit dem segelflieger…

Es gab auch mal einen amerikanischen Film über die Thematik (
die sind dann auf einer verlassenen Landebahn runter, wo
gerade ein Oldtimer-Treffen o.ä. war), aber den halte ich für
sehr unrealistisch.

Hi Lutz

War bei Winnepeg, Canada
Ist tatsächlich passiert.
Die können alle nochmal ihren Geburtstag feiern.

Das Leben schreibt halt doch die besten Storys

Gruß
Mike

Ich bezweifle, daß im Segelflug stetig gleiche Höhe gehalten
werden kann, ein Jumbo im "Segelflug " sich die Thermik suchen
könnte. Also ist mit realistischen Flughöhen (z.b. 40000 ft)
nur eine begrenzte Strecke in der Horizontalen möglich, da vom
steten Sinkflug auszugehen ist. Der Fluglotse wird sich auch
freuen, eine Maschine mit stetig ändernder Höhe auf dem Schirm
zu haben :smile:

Natürlich kann die Höhe nicht gehalten werden, und Thermik kann man auch nicht nutzen. Ich habe diese Aussage so gemeint daß ein Verkehrsflugzeug auch bei „All engines out“ nicht sofort abstürzt, sondern weitersegeln kann. Man wird dann über den FMC (Flight Management Computer) das aktuell beste Verhältnis zwischen Sinkrate und Geschwindigkeits-Erhaltung auswählen und mit dieser Sinkrate/Sinkwinkel weitersegeln. Den Fluglotsen interessiert solch ein Ereignis weniger…

Es gab auch mal einen amerikanischen Film über die Thematik (
die sind dann auf einer verlassenen Landebahn runter, wo
gerade ein Oldtimer-Treffen o.ä. war), aber den halte ich für
sehr unrealistisch.

Das beruht aber auf einer wahren Begebenheit. Es hat sich in Kanada ereignet, als bei der Betankung einer B767 ein Umrechnungsfehler gemacht worden ist und anstatt Gallons Liter (oder anstatt Litern kg, oder wie auch immer :smile: ) getankt wurden und niemand bemerkt hat, daß zu wenig im Kerosin an Bord ist. Die betreffende Maschine wurde später „Gimli Glider“ getauft, wenn ich es richtig im Kopf habe um den Piloten der Maschine zu ehren, der das Flugzeug dennoch sicher wieder zur Erde gebracht hat.

Wie sind eigentlich die Maschinen konstruktiv gebaut, um das
Drehmoment beider Triebwerke in gleicher Richtung über dem
Rumpf auszugleichen ? Ich nehme an, die Tragwerksaufhängungen
und Flügelaufhängungen sind nicht spiegelbildlich identisch ?
Ich weiß, daß aus Wirtschaftlichkeitsgründen keine Triebwerke
mit gegenläufigen Drehsinn gebaut werden, aber der
Momentenausgleich muß doch woanders liegen…

Der ist nur bei einmotorigen Propellermaschinen notwendig, und zwar manuell durch den Piloten :smile:. Bei mehrmotorigen Flugzeugen ohne Bedeutung.

MecFleih

… um den Piloten der
Maschine zu ehren, der das Flugzeug dennoch sicher wieder zur
Erde gebracht hat.

Zu Ehren ? Das Thema Meisterleistung oder sträfliches Fehlverhalten des Piloten , das zum Treibstoffmangel führte, ist ja damals (nach Österreich) hier wohl reichlich disskutiert worden. Haben sich alle im Forum einigen können … ? :smile:

Gruß Lutz

mann sollte noch erwähnen das die Flieger eine ausklappbare turbine haben die nen kleine stromgenerator antreibt damit die mühle ohne triebwerkspower strom hat…

ciao norbert

… um den Piloten der
Maschine zu ehren, der das Flugzeug dennoch sicher wieder zur
Erde gebracht hat.

Zu Ehren ? Das Thema Meisterleistung oder sträfliches
Fehlverhalten des Piloten , das zum Treibstoffmangel führte,
ist ja damals (nach Österreich) hier wohl reichlich
disskutiert worden. Haben sich alle im Forum einigen können …
? :smile:

Hi Lutz:

Tja, der Fall liegt etwas anders (zumindest wenn ich mich an die damaligen Berichte erinnere.

  1. Die Maschiene wurde nicht mit xx litern kerosin, sondern mit xx american pound betankt (etwas weniger als die Hälfte- schlamperei des Bodenpersonals)
  2. In der Maschine war die Treibstoffanzeige Fehlerhaft…
  3. Die Piloten laufen nicht mit peilstäben rum, um den tankinhalt auszumessen… oder machst Du das bei deinem Auto?

Also, Verkettung unglücklicher Umstände unde Schwein gehabt.

Gruß
Mike

… um den Piloten der
Maschine zu ehren, der das Flugzeug dennoch sicher wieder zur
Erde gebracht hat.

Zu Ehren ? Das Thema Meisterleistung oder sträfliches
Fehlverhalten des Piloten , das zum Treibstoffmangel führte,
ist ja damals (nach Österreich) hier wohl reichlich
disskutiert worden. Haben sich alle im Forum einigen können …
? :smile:

Du verwechselst jetzt die Meisterleistung der kanadischen Piloten mit der „Meisterleistung“ des Hapag-Lloyd-Kapitäns, der - übrigens entgegen der Empfehlung seines First Officers - solange geflogen ist bis kurz vor Wien die Tanks trocken waren.

  1. Die Maschiene wurde nicht mit xx litern kerosin, sondern
    mit xx american pound betankt (etwas weniger als die Hälfte-
    schlamperei des Bodenpersonals)

Wenn das kein Argument ist, endlich diese hirnrissigen angelsächsischen Einheiten abzuschaffen.
Selbst studierte Amerikaner können mir nicht erklären, wie das „System“ aufgebaut ist, die EInheiten haben keinen Bezug zueinander, oder kann mir einer den gemeinsamen Faktor von mil, inch, foot, yard, chain, furlong und mile erklären ??

Wenn man mal versucht hat die Angabe „pound per square inch“ in etwas sinnvolles zu übersetzen, weiß man was ich meine.
Im günstigsten Fall wird man feststellen, daß ein Auto mit 180 (SAE) PS nicht aus dem Quark kommt oder eine Marsmission eben den nicht korrekt erreicht, im ungünstigen Fall gefährdet diese Tradition die Flugsicherheit. Ich schlage vor, daß in Europa (außer in UK) wieder mit Ballen, Ellen, Landmeile und Scheffel gerechnet wird, Deutschland ist mit dem leider unausrottbaren „Pfund“ ein guter Vorreiter.
Natürlich bekommt jeder Verwaltungsbezirk seine eigene Maßeinheit, ein amerikanisches Pfund ist ja auch kein britisches :smile:)
So, sorry, war ein bißchen off topic aber ich mußte einfach mal eine Lanze fürs SI System brechen…

Gruß
Bernd

1 Like
  1. Die Piloten laufen nicht mit peilstäben rum, um den
    tankinhalt auszumessen… oder machst Du das bei deinem Auto?

Ja, habe 2 Trabant gefahren. Das System mit dem Peilstab im Tank ist technisch das zuverlässigste mit der höchsten Sicherheit gegen Versagen. Oder will das jemand mir abstreiten ? :smile:

Gruß Lutz

Der Fluch der Technik…

  1. Die Piloten laufen nicht mit peilstäben rum, um den
    tankinhalt auszumessen… oder machst Du das bei deinem Auto?

Ja, habe 2 Trabant gefahren. Das System mit dem Peilstab im
Tank ist technisch das zuverlässigste mit der höchsten
Sicherheit gegen Versagen. Oder will das jemand mir abstreiten
? :smile:

*lach*
hi lutz
hast ja recht…
Ausser man vergisst das Peilen *g*
… aber dann ist man selber schuld!

gruß
Mike

Ich bezweifle, daß im Segelflug stetig gleiche Höhe gehalten
werden kann, ein Jumbo im "Segelflug " sich die Thermik suchen
könnte. Also ist mit realistischen Flughöhen (z.b. 40000 ft)
nur eine begrenzte Strecke in der Horizontalen möglich, da vom
steten Sinkflug auszugehen ist. Der Fluglotse wird sich auch
freuen, eine Maschine mit stetig ändernder Höhe auf dem Schirm
zu haben :smile:
Es gab auch mal einen amerikanischen Film über die Thematik (
die sind dann auf einer verlassenen Landebahn runter, wo
gerade ein Oldtimer-Treffen o.ä. war), aber den halte ich für
sehr unrealistisch.
Wie sind eigentlich die Maschinen konstruktiv gebaut, um das
Drehmoment beider Triebwerke in gleicher Richtung über dem
Rumpf auszugleichen ? Ich nehme an, die Tragwerksaufhängungen
und Flügelaufhängungen sind nicht spiegelbildlich identisch ?
Ich weiß, daß aus Wirtschaftlichkeitsgründen keine Triebwerke
mit gegenläufigen Drehsinn gebaut werden, aber der
Momentenausgleich muß doch woanders liegen…

Gruß Lutz

Hi Lutz,
in USA ist tatsächlich eine Boeing 767 -ohne Treibstoff- eine ganze Weile gesegelt und auf einem stillgelegten Flugfeld -auf edem gerade ein Autorennen stattfand- sicher gelandet. Der Film war keine Erfindung! Die Piloten hatten sich bei der Umrechung Gallonen/Liter verrechnet, da die B767 das ersten Flugzeug mit metrischen Einheiten war.

Viele Grüße,
Gerhard