Warum steht die Präposition „trotz“ mit dem Genitiv („trotz des Regens“), obwohl in Adverbien wie „trotzdem“ oder „trotz allem“ ein Dativ angedeutet wird? Auch das Verb „trotzen“ steht mit dem Dativ: Ich trotzte dem Sturm. Welchen Sinn hat der Genitiv bei „trotz des Sturms“?
Laut Auskunft von Grimm DWB („trotz, präposition“ unter 1) und 2)) regiert trotz ursprünglich nur den Dativ. Erst ab 18, Jhdt kommt der Genitiv auf. Sowohl bei Lessing als auch bei Goethe finden sich noch beide Kasus.
Angesichts der Dativ-Orientierung von „trotz“ wäre ein „trotzdessen“ die korrektere Variante zu „trotzdem“. In der Literatur taucht es auch vereinzelt auf, zum Beispiel im „Schimmelreiter“ von Theodor Storm.
Dass sich „trotzdessen“ nicht durchsetzen kann, liegt wohl an der sperrigen Dreisilbigkeit, die Ausrufe wie „Ich mache das trotzdessen!“ erschwert, während ein „Ich mache das trotzdem!“ leicht von der Zunge geht.
Nichtsdestotrotz wäre „trotzdessen“ korrekter, es wird trotzdem immer zweite Wahl bleiben.
„Nichtsdestotrotz“ war ursprünglich ein Studentenulk-Wort, hat sich aber nichtsdestotrotz in der Alltagssprache etabliert.
Sorry, Genitiv-Orientierung.
Und wie kamen die Schreiber des 18. Jahrhunderts darauf, zum Genitiv zu wechseln? Hatte das den Grund, dass „höhere Kreise“ gezielt Genitivfallen aufgebaut haben, um ihre Sprache dünkelhaft von der Sprache der „einfachen Leute“ abzusetzen? So wäre mein Verdacht in der Sache. Wäre interessant zu erfahren, was für Leute mit der Marotte angefangen haben.
Wie @Metapher oben schrieb, hatte die Präposition „trotz“ ursprünglich tatsächlich eine Dativ-Orientierung, die zudem viel besser zu Formulierungen des Verbes passt („dem Regen trotzen“), auch des Substantivs („dem Regen zum Trotz“). Daher wäre es doch besser, den Genitiv wieder zu verwerfen und zurückzukehren zu „trotz dem Regen“. Oder nicht?
Hallo!
ich vermute, dass „wegen“ dieselbe Geschichte wie „trotz“ hat. Mit dieser Präposition kann man sowohl Genitiv als auch Dativ verwenden.
Nicht alle Veränderungen in Morphologie, Wortgebrauch oder Syntax im Laufe der Sprachgeschichte haben ihre Ursache in gesellschaftlichen Dünkeln, Außerdem machst du in deiner Fragestellung eine Präsupposition, nämlich dass „einfachen Leuten“ der Gebrauch des Genitivs fremd (gewesen) sei. Das ist keineswegs der Fall.
Wer sich einmal in die Geschichte des Genitiv-Gebrauchs, insbesondere in Bezug auf (vermeintliche) Genitiv-Präpositionen, einbuddeln möchte, dem sei empfohlen, sich die umfangreichen und (insbesondere historisch) sachkundigen Vorträge von Daniel Scholten einzuverleiben („Genitiv-Präpositionen sind in wirklichkeit Adverbien …“): z.B.
oder speziell zu der Sache mit „wegen“:
Schönen Gruß
Metapher