Tschechen / Deutsche

Hallo,

ich bin in Mähren geboren, als es deutsches Protektorat war, bin also Deutsche. So weit, so klar. Nun lebten meine Vorfahren bereits seit Generationen als Deutsche in Mähren und Böhmen (18…). Als der 2. WK zu Ende war, mußte sich meine Familie entscheiden: entweder die tschechische Staatsbürgerschaft annehmen oder raus aus der Tschechei, wenn man Deutsche bleiben wollte. Meine Eltern entschieden sich dafür, Deutsche zu bleiben und „wurden gegangen“. Der Bruder meiner Mutter wurde Tscheche und blieb. Hatten alle die Wahl oder nur die, die unter ihren Vorfahren nicht nur Deutsche, sondern auch Tschechen hatten?

Danke und Grüsse,
Hannelore

Hallo hannelore

Ich glaube fast, deine Geschichte war die Ausnahme von der Regel.
Grundsätzlich unterlagen die Angehörigen der Minderheiten den Launen der örtlichen Machthaber.
Wie wir in den Konflikten des ehemaligen Jugoslawien erlebt haben, wurde sehr oft die Gelegenheit ergriffen, eine private Rechnung zu begleichen oder „überhaupt“ etwas zu regulieren.
Man darf nicht übersehen, dass z.B. mit Polen und Ungarn ebenso umgegangen wurde, die Nachbarstaaten haben ihrerseits ebenso gehandelt.
Nach der Länder hin- und her Schieberei zwischen 1898 und 1935 schien das ein ausgesprochener „Volkssport“ geworden zu sein.

Du brauchst bei den jüngsten Geschehnissen auf dem Balkan nur andere Namen für die jeweiligen Ethnien einzusetzen, und du hast die gleichen Abläufe.

Gruß
Rochus

hallo,

du meinst, wir hatten „Glück im Unglück“? Ich dachte, da hätte es bestimmte Regeln gegeben.

Anfang 1945 hatten die Russen den Hof, auf dem wir lebten, besetzt. Sie gaben uns Papiere, die uns eine sichere Bahnfahrt nach Frankfurt/West garantieren sollten. Der Russe war für mich kein „Feindbild“. Wir kamen nur bis Prag. Dort zerrissen die Tschechen die Papiere und steckten uns in ein Arbeitslager. Was dort passierte, war Horror pur und es herrschten die typischen Krankheiten durch mangelnde Hygienemöglichkeiten und Unterernährung. Aber auch hier hatten wir „Glück im Unglück“, obwohl mein kleiner Bruder und meine kleine Cousine starben und meine Tante (wollte auch Deutsche bleiben) und ich sehr krank wurden (ein tschechischer Arzt hat uns behandelt trotz seines Risikos, deshalb erschossen zu werden). Bei einem nächtlichen „Appell“ für die Männer, bei dem geschlagen und geschossen wurde, entschuldigte sich ein Tscheche bei meinem Vater, weil er die Ohrfeige, die seinem Nachbarn gegolten hatte, abbekommen hatte. Und als wir nach ca. 1,5 Jahren nach Hessen transportiert werden sollten und mein Vater nicht da war, weil er bei den Pferden, um die er sich zu kümmern hatte, nicht rechtzeitig wegkam, wurde unser Transport um einen Tag verschoben. Auch der Tscheche war für mich kein „Feindbild“.

„Ausnahmen bestätigen die Regel“ muß ich wohl sagen - oder?

Grüsse,
Hannelore

Hallo Hannelore
Deine Vermutung ist richtig, ob es sich um aufrechte Deutsche handelte, die Häftlingen geholfen haben, oder Tschechen, oder Kroaten, die Serben beschützt haben, oder , oder…

Es gibt immer wieder Leute, die Charakter haben und sich nicht vor den Karren der Rache, persönlichen Intrigen, oder irgendwelcher obskuren Weltanschauungen spannen ließen.

Dummerweise ist das tatsächlich die Ausnahme, und das berechtigt nicht zu großen Hoffnungen, die Menschheit sei weit fortgeschritten.

Gruß
Rochus

Hallo,

das war aber mehr als Glück…diese Wahl
wurde den meisten Deutschen bei Kriegsende in der CSSR gar nicht gelassen…in der Regel kam morgens die Polizei oder die russische
Armee und man hatte 2 Stunden Zeit,das nötigste einzupacken…dann ging es ab zu Fuß zum nächsten Bahnhof und von dort dann Richtung Altreich.
Zumindest soweit die Eisenbahnstrecken dahin noch betriebsfähig waren.
Wenn nicht,hieß das Fußmarsch…wobei es zu unschönen Szenen kam.
Zur damaligen Zeit waren die meisten Deutschen (und auch die Tschechen)zweisprachig.was ja auch kein Wunder war,da Familien ja immer ein „Misch“ aus Deutsch (Österreich) und Tschechisch/Slowenisch waren.
Insoweit hätten sie sich eigentlich auch selber ausweisen müssen…denn zur damaligen Zeit gab es keine 100 Prozent reinen
Tschechen…

Hallo!

Der Bruder
meiner Mutter wurde Tscheche und blieb. Hatten alle die Wahl
oder nur die, die unter ihren Vorfahren nicht nur Deutsche,
sondern auch Tschechen hatten?

Soviel ich weiß, galt das auch für Leute, die gemischt geheiratet hatten.

Schönen Gruß!
H.

Guten Tag,

hallo,

du meinst, wir hatten „Glück im Unglück“? Ich dachte, da hätte
es bestimmte Regeln gegeben.

„Ausnahmen bestätigen die Regel“ muß ich wohl sagen - oder?

Grüsse,
Hannelore

ja ihr wart wirklich eine Ausnahme, ich hab grad ein Buch darüber gelesen. Im übrigen ist es falsch was F. Mueller sagte, dass auch die Sowjetarmee sich dran beteiligte. Sie hielt sich strikt raus aus der ganzen Vertreibung. Die Tschechen sind unter dem Protektorat ohne große Verluste, Bombardierungen und Zerstörung durch die europäische Zerstörungsorgie eines R. Vansittart und Co gekommen und haben sich dann sehr dankbar gezeigt. Laut Nürnberger Prozessen waren das alles Kriegsverbrechen und alle Verantwortlichen, vor allem Benesch, hätten gehängt werden müssen. Aber die haben es sogar mit den noch gültigen Dekreten in die EU geschafft.

General Patton

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Hallo!

Soviel ich weiß, galt das auch für Leute, die gemischt
geheiratet hatten.

und Leute, die einen Beruf hatten, der gebraucht wurde, z.B. Forstingenieur.

Gruß
T.

hallo,

die Russen hatten sich in unserem Fall nicht rausgehalten. Sie waren es, die uns nicht nur geraten haben, sofort zu gehen, nachdem es „ungemütlich“ wurde. Von heute auf morgen durfte z.B. niemand mehr deutsch sprechen. Das war April/Anfang Mai 1945. Sie gaben uns auch noch einen „Geleitbrief“ mit, der uns helfen sollte, unbehelligt zu reisen. Aber den haben die Tschechen am Bahnhof in Prag zerrissen. Sie wollten alle Deutschen raus haben, aber ließen uns nicht fahren, sondern steckten uns ca. 1,5 Jahre lang in ein Arbeitslager. Hätten wir nicht auf die Russen gehört, wären wir wohl in dem Treck von Brünn nach Österreich gelandet.

Mein Onkel war mit einer Slowakin verheiratet und lebte in Landskron. Er war Lehrer. Wahrscheinlich konnte er deshalb bleiben. Er blieb zum Glück auch von Repressalien verschont.

Deutsche, Österreicher, Tschechen und Slowaken lebten als Menschen friedlich miteinander, heirateten untereinander und dann … - verrückt.

Grüsse,
Hannelore

Deutsche, Österreicher, Tschechen und Slowaken lebten als
Menschen friedlich miteinander, heirateten untereinander und
dann … - verrückt.

Vielleicht hatte die große Mehrheit der Tschechen ja besonders gute Gründe, sich 1945 vor den Russen als Deutschenfeinde aufzuspielen? Die meisten Franzosen haben es 1944-45 auch nicht anders gehalten, so bald die Alliierten in Sichtweite waren.

So machen das Kollaborateure nun mal, wenn sie merken, auf das falsche Pferd gesetzt zu haben.

Was glaubst Du, weshalb es nach 1945 in Deutschland vor antifaschistischen Widerstandskämpfern nur so wimmelte, die alle nur in die NSDAP eingetreten waren, um sie von innen heraus zu bekämpfen?

Gruß
smalbop

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