Typo-Frage: Einzug nach Leerzeile?

Hallo liebe Wissenden,

im Buchdruck wird ja häufig mit Einzug gearbeitet. Ich glaube irgendwo gelesen zu haben, dass nach einer Leerzeile (und auch ganz zu Beginn des Textes) kein Einzug erlaubt ist.
Das scheint auch in den meisten meiner Bücher so zu sein. es gibt nur wenige „Ausreißer“ und die finden sich eher im (semiprofessionellen) BOD-Bereich oder bei sehr jungen/kleinen Verlagen.

Nun meine Frage: Ist das eine feste Regel oder Geschmackssache?

Wie immer erfreut über jede Menge Antworten
Yolanthe

Mir wäre nicht bekannt, das es dafür eine feste Regel gäbe. Ich tippe daher auf Geschmacksache.

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo,
ich hab grad mal nen paar Bücher durchgeblättert, die meisten(nicht repräsentativ) hatten einen Einzug, auch LaTex formatiert standartmässig so. Der Einzug ist auch unabhängig von der Größe des Verlages:
Einzug: Springer, rororo, McGraw-Hill, Goldmann, Hanser, Grafit.
Kein Einzug: O’Reilly, Mitp, Knaur
Scheint also Geschmackssache zu sein…

aber es kommt vieleicht noch einer, der das genau weiss

schönen Gruß

thefly

Hallo Yolanthe,

die Frage ist keineswegs trivial und auch unter den Gelehrten herrscht ein Glaubens- und Geschmackskrieg.

Aus typografischer Sicht ist es am sinnvollsten, sich die Funktion einer Leerzeile bzw. des Einzuges zu verdeutlichen. Was Du erreichen möchtest ist, daß ein neuer Absatz deutlich als solcher zu erkennen ist. Das soll auch dann funktionieren, wenn die letzte Zeile des vorigen Absatzes nahezu die volle Länge einer Zeile hat. Würde man garnicht trennen (also weder Leerzeile noch Einzug), so würde man erst während des Lesens feststellen, daß sich dort ein Einschnitt befindet und würde u.U. sogar stolpern, weil ein Sinneinschnitt erfolgt, aber kein typografischer Einschnitt. Man denkt, man liest im gleichen Absatz weiter und wundert sich dann, wieso da kein Absatz gemacht wurde. Sowas in der Art.

Typografische Anforderung ist es also, den Sinneinschnitt deutlich und unmißverständlich zu kennzeichnen. Dies ist aber im Fließtext sowohl durch eine Leerzeile als auch durch den Einzug gegeben. Es gibt keinerlei Grund, zusäztlich zu einer Leerzeile noch einen Einzug zu machen oder umgekehrt zusätzlich zu einem Einzug noch eine Leerzeile. Man trägt ja normalerweise auch im Auto nicht zum Sicherheitsgurt noch einen Motorradhelm. Es gibt Situationen, in welchen das angebracht ist, aber das sind i.A. besondere Umstände und das läßt sich auch typografisch direkt übernehmen. Für normale Texte reicht entweder der Einzug oder die Leerzeile völlig aus, wobei es natürlich auch wieder auf die Ausführung ankommt. Die Leerzeile sollte deutlich als solche zu erkennen sein. Wer mit 1,5fachem Zeilenabstand arbeiten muß (freiwillig sollte man eigentlich immer mit weniger arbeiten!), sollte nicht einfach den Zeilenabstand der letzten Zeile auf 2 erhöhen. Dies liefert effektiv eine halbe Zeile mehr Luft und das ist nicht deutlich genug; man schwimmt auf der Seite. Besser ist es, wenn man wirklich das Äquivalent einer vollen Leerzeile einfügt. Nach Ralf Turtschi ist eine Verkleinung auf 0,9 oder 0,8 einer Leerzeile perfekt.

Das mit den mehrfachen Auszeichnungen gilt übrigens auch für den Kapitelanfang. Wenn die Kapitelüberschrift ordentlich gestaltet wurde, zeigt sie deutlich und ganz unmißverständlich, daß hier ein neues Kapitel anfängt. Es ist aus diesem Grunde eigentlich widersinnig, noch zusätzlich den ersten Absatz mit einem Einzug zu beginnen. Ist allerdings die Gestaltung der Überschrift so schlecht gelöst, daß sie nicht als solches heraussticht, kann es für den Leser hilfreich sein, wenn der erste Absatz eingerückt wird. Das ist aber eigentlich eine Notlösung und zeugt von schlechter typografischer Gestaltung.

Die Kombination von Leerzeile und Einzug findet man daher häufiger bei Leuten, die von Typo wenig oder keine Ahnung haben. Es ist merkwürdigerweise ein extrem weit verbreiteter Hang von Laien, typografische Betonungen doppelt und dreifach vorzunehmen. Überschriften sind ein weiteres Beispiel. Überschriften in Standard-Seminarbeiten sind immer größer als der Text und Fett, möglichst zusäztlich auch noch kursiv. Im Fließtext? Welchen Sinn hat die dreifache Auszeichnung? Auch hier gilt wieder: Wenn die Gestaltung gut ist, dann reicht es aus, wenn die Überschrift deutlich größer ist als der Fließtext. Andersherum kann man Überschriften niedrigerer Ebenen, welche die Größe des Fließtextes haben, durch Fettsatz vom Fließtext abheben. So herum wird meines Erachtens ein Schuh draus. Natürlich kann es auch wiederum typografische Gründe geben, es anders zu machen; meist führt aber Unwissenheit zu diesen multiplen Auszeichnungen.

Grüße,

Christian

Hi thefly …

von Knaur habe ich gerade kein Buch gefunden (Himmel! 5000 Bücher und nix aus dem Verlag? *lach*) aber O’Reilly … stimmt. Doch die machen grundsätzlich keinen Einzug. Das ist dann wohl wirklich Geschmackssache.

Meine Frage bezog sich aber eher darauf, wenn ein Einzug gemacht wird, ist es dann sinnvoll den auch nach einer Leerzeile zu machen. Als ich das sah, störte mich der Anblick und ich war neugierig, ob es eine Regel gäbe. Christian hat mit seiner Antwort sehr weitergeholfen (hehe - ich bin immer noch leidlich geschmacksicher :wink: …)

Textprogramme (ich habe leider WORD) formatieren offenbar standardmäßig so. Sind DTP-Programme da intelligenter?

Herzlichen Dank an alle
Yolanthe

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo Christian,

herzlichen Dank (auch den anderen natürlich) für deine Antwort.
(Kann man auch mehrere Sternchen vergeben??)

Kurze Erklärung vielleicht zu Hintergrund der Frage: Ich habe hier einen gesetzen Text der nach meinem OK in den Druck gehen soll. Das Layout gefällt mir aus den o. g. Gründen nicht und ich wollte, bevor ich meutere, mal Fachleute hören.

Du hast mich in meiner Ansicht bestätigt. Vermutlich werde ich aber doch nix ändern können, ob ich nun das Ego des Setzers beschädige oder nicht. *g*

Nochmals vielen Dank für deinen ausführliche Beitrag
Yolanthe

PS
Nur so aus Neugier - welche Anführungszeichen gefallen euch besser »diese« oder «die hier»?

Hallo Yolanthe,

die Frage ist keineswegs trivial und auch unter den Gelehrten
herrscht ein Glaubens- und Geschmackskrieg.

Nur so aus Neugier - welche Anführungszeichen gefallen euch
besser »diese« oder «die hier»?

Ich nehme an, es handelt sich um einen deutschen Text für Leser in Deutschland oder Österreich. Als typographisch korrekt und üblich gelten in diesem Fall nur folgende beiden Möglichkeiten: oder »«. Ehrlich gesagt sehe ich Erstere im Fließtext lieber, da sie nicht so stark nach typographischem Firlefanz aussehen. Wenn man auf einem Plakat nur ein Wort anführen und dafür möglichst auffällige Anführungszeichen möchte, kann man immer noch auf Guillemets zurückgreifen.

Gruß
Christopher

Hallo Yolanthe

Nur so aus Neugier - welche Anführungszeichen gefallen euch
besser »diese« oder «die hier»?

»diese« sind in Deutschland und Österreich gebräuchlich
«die hier» in der Schweiz.

In Deutschland werden jedoch meist die „Gänsefüsschen“ verwendet,
wobei die ersten (nicht wie hier) unten gesetzt werden.

Christians Ausführungen möchte ich entgegensetzen, dass sich über
Geschmack in der Typografie genauso wenig streiten lässt, wie
sonstwo. Und: Es gibt einige Regeln, die der profesionelle Typograf
besser befolgt, um nicht unangenehm aufzufallen :wink:

Gruss
Heinz

Hallo Heinz,

natürlich läßt sich über Geschmack nicht streiten. Über die Frage wird ja auch durchaus gestritten. Deshalb habe ich ja auch versucht auszuführen, welchem Zweck die Leerzeile bzw. der Einzug dient und mich dabei an Hans-Peter Willberg, Robert Bringhurst und Ralf Turtschi gehalten, denen in puncto guter typografischer Gestaltung so schnell keiner was vormacht. Aber es gibt durchaus Gegenbeispiele und jeder muß es für sich am besten ausprobieren und dann seine eigene Meinung bilden. ;o)

Und: Es gibt einige Regeln, die der profesionelle
Typograf besser befolgt, um nicht unangenehm aufzufallen :wink:

Gefällt mir. Allerdings bin ich mitnichten ein professioneller Typograf! Worauf willst Du denn hinaus? *gg*

Herzliche Grüße,

Christian

Moin!

Textprogramme (ich habe leider WORD) formatieren offenbar
standardmäßig so. Sind DTP-Programme da intelligenter?

Es hängt weniger von der Art des Programmes als vielmehr von den verwendeten Formatvorlagen ab. Wenn im Standard-Absatzformat angegeben ist, daß jeder Absatz eingezogen ist und am Ende eine »Leerzeile« folgt, dann wird auch InDesign das so machen. Allerdings gibt es in InDesign keine vorgegebenen Standard-Formatvorlagen, so daß nicht jedermann den vorgegebenen Word-Schrott einfach unbesehen übernimmt. Aber man kann die Einstellungen ändern und die Formatvorlagen sogar einigermaßen effizient und sinnvoll einsetzen. Auch in Word.

Grüße,

Christian

2 Like

Einzug nach Leerzeile? - Grundsätzlich: nein.
Hallo Yolanthe,

Ich glaube irgendwo gelesen zu haben, dass nach einer Leerzeile
(und auch ganz zu Beginn des Textes) kein Einzug erlaubt ist.

das hast du richtig gelesen: Wenn man sich dazu entschieden hat,
einen Text mit Einzügen zu setzen, muss man konsequent der Regel
folgen: Nach einer Überschrift (egal welcher Hierarchiebene) bzw.
nach einer Leerzeile wird KEIN Einzug gesetzt (das nennt der Setzer
»stumpf beginnend« im Gegensatz zu »eingezogen«). Manchmal wird statt
einer Leerzeile auch Satzmaterial verwendet: Sternchen, Kästchen o.Ä.
Auch danach: stumpf beginnen.
Das ist keine Geschmacksfrage, sondern ein Qualitätsmerkmal.
(Natürlich ist jede Regel auch dazu da gebrochen zu werden. Wenn man
sowas allerdings macht, muss dazu ein guter - gestalterischer - Grund
vorliegen, den der Leser auch versteht. Sonst macht es keinen Sinn.)

Die Diskussion, ob mit Einzug/ohne Einzug oder mit Leerzeilen
getrennt werden sollte, ist dagegen Geschmackssache.
Du meintest aber sicherlich die Leerzeilen, die einen Text noch
weiter untergliedern und »nur ab und zu« vorkommen, wenn ein
stärkerer Absatz vom Autor gewollt ist. Oder hab ich das falsch
verstanden?

Gruß
Tobias

Du meintest aber sicherlich die Leerzeilen, die einen Text
noch
weiter untergliedern und »nur ab und zu« vorkommen, wenn ein
stärkerer Absatz vom Autor gewollt ist. Oder hab ich das
falsch

Hallo Tobias,

danke für deine Antwort. Ja, ich meine eine Leerzeile,
die der Autor beispielsweise bei Szenenwechsel einsetzen
könnte, um deutlich zu machen, dass der folgende Abschnitt
an einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit stattfindet.

Ich bin froh, dass ich Recht habe :smile: Auch wenn’s mir in
diesem Fall nix nutzt, weil ich keinen Einfluss auf den
Satz habe *seufz*

Vielen Dank
Yolanthe

n/t Dank allen! Beiträge waren sehr hilfreich :smile: