Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat

Sollten wir uns Thereau zum Vorbild nehmen und das Gesetz brechen, wenn es gegen die eigenen moralischen Werte spricht? Also z.B. Flüchtlinge schleusen oder Containern? Oder sollte man sich darauf beschrenken auf legalem Weg für seine Werte und Meinungen einstehen auch wenn das „Richtige“ dann nur langsam und mühsam passiert?

Gespannte Grüße
Mroth

hmm, kommt drauf an …

Grüße,
Max

Moin,

Du meinst wahrscheinlich Thoreau. Eine schwierige Frage wenn man es genau betrachtet. Wie formuliert man eine derartige moralische Verpflichtung notfalls auch gegen Gesetze zu verstoßen, um z. B. Schaden von der Gesellschaft abzuwenden, ohne dass diese Formulierung z. B. nicht auch von ISIS oder NSU Schergen als Rechtfertigung missbraucht werden könnte. Es gibt ja z. B. auch ‚Flüchtlingshelfer‘ die sich dabei eine Goldene Nase verdient und sich dabei um das Wohlergehen ihrer ‚Kunden‘ wenig geschert haben und sich dennoch selbst zu Helden hochstilisieren, nach dem Motto „wir mussten das ja tun, denn es gab ja keine legalen Wege“.

Dennoch kann ich mir vorstellen persönlich in die Lage zu kommen gegen gültiges Recht zu verstoßen weil ich mich dazu moralisch verpflichtet fühle. Dabei muss ich dann allerdings auch bereit sein die Konsequenzen zu tragen. Aber wie gesagt, die ISIS und NSU Mörder denken bzw. dachten wahrscheinlich genauso.

Es braucht also weitergehende Prämissen für solch ein Handeln. Für mich könnte ich die Prämissen für den Verstoß gegen gültiges Recht aufgrund moralischer Erwägungen folgendermaßen formulieren:

Ein Verstoß gegen gültiges Recht aufgrund moralischer Vorstellungen ist nur dann gerechtfertigt, wenn

  1. dadurch die körperliche Unversehrtheit von niemanden beeinträchtigt wird,

  2. die ‚Freiheit der Person‘ bei niemanden durch mein Handeln beeinträchtigt wird,

  3. keine monetären Schäden bei Personen oder Einrichtungen entstehen die nicht direkt, ursächlich für meine moralischen Bedenken sind,

  4. mögliche monetäre Schäden absolut unvermeidbar sind um den Konflikt zwischen persönlicher Moral und geltendem Recht aufzulösen,

  5. ich persönlich keinen direkten monetären Nutzen aus meinem Handeln ziehe.

Hier gibt es aber wahrscheinlich immer noch Fallstricke die ich nicht bedacht habe.

Gruß
Grin

Gut und schön, aber das ist noch viel zu abstrakt formuliert. Ohne Kasuistik kommt eine solche Diskussion auf keinen grünen Zweig. Vielleicht solltest du Fallbeispiele nennen, um deine Argumentation konkret zu untermauern.

Chan

Ist das per se schon eine „gute Tat“? Was, wenn sich darunter ein Terrorist oder zukünftiger Mörder befindet? Der moralische Wert einer Tat bemisst sich an ihren Konsequenzen, nicht an der subjektiven Absicht des Täters.

Chan

Hallo,

die Konsequenzen einer „guten Tat“ kann kein Mensch je abschätzen.

Angenommen Du siehst an der Autobahn einen Liegengebliebenen auf der Standspur dem das Benzin ausgegangen ist. Hilfst ihm aus, er fährt sehr schnell weiter und sich an der nächsten Kurve zu Tode.
Bist Du dann schuld?

Zum moralisch integeren Handeln gehört m.E. keine Vorhersicht der Zukunft - es sei denn, diese ist unter den gegebenen Umständen einigermaßen erahnbar.

Das Thema ist verm. kaum grundsätzlich zu lösen. Da muss jeder für sich selbst Entscheidungen treffen und verantworten. Und natürlich geht da auch mal etwas schief. Wie überall.

Gruß, Paran

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Moin,

Eigentlich habe ich ja schon mal vorgelegt, quasi als Einladung durch Fallbeispiele meine Prämissen zu zerpflücken und als untauglich zu disqualifizieren oder idealer Weise durch eigene Vorschläge zu verbessern. Alles muss man selber machen [seufz].

Zu 1. eigentlich nichts weiter zu sagen. Vorsorglich angemerkt sei dann doch das im Falle von Notwehr kein Verstoß gegen gültiges Recht vorliegt. Unter Notwehr versteht man Handlungen die aufgrund akuter rechtswidriger Bedrohung der eigenen körperlichen Unversehrtheit oder der anderer Personen durchgeführt werden.

Zu 2. ist zu sagen, dass es auch nach geltendem Recht zulässig ist jemanden kurzfristig einzusperren, um eine Straftat zu verhindern oder einen Straftäter an der Flucht zu hindern. In einem solchen Falle müsste aber sobald wie irgend möglich die Polizei informiert werden, die dann für alles weitere zuständig ist. Abgesehen davon wäre für mich die Einschränkung der Freiheit der Person kein probates Mittel.

Bei 3. wird’s allerdings problematisch. Ich denke diese Prämisse könnte ich im Einzelfall nicht erfüllen. Nehmen wir einmal an ich erhalte davon Kenntnis, dass ein Pharmakonzern trotz intern bekannt gewordener erheblicher Risiken für die Patienten ein Produkt nicht vom Markt nimmt. Ich kann dies aber nicht beweisen. In der Folge verschaffe ich mir widerrechtlich Zugang zu entsprechenden internen Papieren oder Daten und mache diese öffentlich. Der Pharmakonzern geht daraufhin Pleite, wegen Schadensersatzklagen und weil der Umsatz der Firma total einbricht. Alle Angestellten, von denen die meisten nichts von dem Problem wussten, verlieren ihren Job, und außerdem geht auch noch ein Zulieferer Pleite. Ich würde dennoch so handeln. Prämisse 3 würde ich also im Nachhinein streichen.

Bei 4. kann man sich sicherlich darüber streiten was im Einzelfall absolut notwendig ist. Willkürliche Zerstörung von Eigentum z. B. bei Demonstrationen gehört bei mir in keinen Fall dazu. Wenn jemand eine Idee hat wie man das besser formulieren könnte, dann nur zu, würde mich freuen.

Gruß
Grin