Guten Morgen Ihr Lieben alle,
natürlich hat Rolf Recht, ebenso wie Taju Recht hat. Die Frage nach Alma und Betula - junge Frau vs. Jungfrau - ist hier aber schon zahlreiche Male verhandelt worden, und auch Datafox hat Erhellendes dazu geschrieben.
Mir geht es jetzt aber um etwas anderes: ich vermute, daß viele drei Dinge durcheinanderbringen: die Berichte der Evangelien, die historische Wahrheit und das Dogma der Kirche (welcher auch immer).
Taju hat dargetan, wie die Berichte der Evangelien zustandegekommen sind und was ihre Absicht war. Davon ist die historische Wahrheit zu unterscheiden, denn ein Historiker wird die Evangelienberichte mit ganz anderen Augen betrachten als ein gläubiger Leser. Übrigens: ein ordentlicher Theologe ist immer auch ein ordentlicher Historiker, sonst hat er seinen Beruf verfehlt.
Das Dogma ist ein Drittes, wenn es auch natürlich auf die Aussagen der Bibel rekurriert: auf den sieben ökumenischen Konzilien (von Nicäa I, 325 n.Chr., bis Nicäa II, 787 n. Chr. (Luther hat übrigens nur die ersten vier als wirklich ökumenisch anerkannt, das beiseite) hat die Kirche ihre Lehre formuliert und festgeschrieben. Diese Dogmatisierung bestimmter Aussagen hatte zuvörderst den Sinn festzulegen, wer zur Kirche gehörte und wer nicht. Wer zur Kirche gehörte, hatte zu glauben, was die Konzilien beschlossen hatten, und wer das nicht glaubte, hatte sich damit gewissermaßen selbst aus der Kirche ausgeschlossen. Es gab zu allen Zeiten und von Anfang der Kirche an Gruppen, Abspaltungen, Sondergemeinschaften, die entweder untergegangen sind, zum Teil aber noch heute bestehen. (Bevor hier jetzt jemand anfängt, auf dem Machtanspruch der Kirche und der gewaltsamen Durchsetzung der Dogmen herumzureiten: ich teile jede Kritik am einem derartigen Verhalten der Kirche und der Kirchen, aber das ist ein anderes Thema!)
Im Jahre 1941 hat Rudolf Bultmann, weiland Professor für Neues Testament in Marburg, einen Aufsatz veröffentlicht, in dem er den Begriff der „Entmythologisierung“ in die Debatte warf: die Theologie sollte die Aussagen der Bibel aller mythologischen (also zeitbedingten und „vorwissenschaftlichen“) Vorstellungen entkleiden, übrig bleiben sollte die reine Botschaft, daß Gott sich uns Menschen in Jesus gnädig zugewandt hat. Dieser Entwurf hat die moderne Theologie weithin geprägt, und auch wenn sie inzwischen darüber hinaus ist, kann sie doch nicht mehr hinter diese Erkenntnisse zurück.
Alles in allem: daß Maria Jungfrau war, ist eine zeitbedingte Vorstellung, die mit den Mitteln, die den Menschen damals zur Verfügung standen, die besondere Bedeutung Jesu herausstellen wollte. Wer dies sieht und einsieht, wird daran keinen Anstoß mehr nehmen und den Evangelisten keine Vorwürfe mehr machen, die allein darauf gründen, daß sie nicht unsere modernen Vorstellungen und Maßstäbe hatten.
Ein spannender Artikel dazu ist ünbrigens vor einigen Jahren im Deutschen Pfarrerblatt erschienen: „marie, die reine Magd“ in
http://www.deutsches-pfarrerblatt.de
Wenn Ihr den Titel im Archiv eingebt, werdet Ihr dahin geleitet; ich werde aber noch mal selber nachschauen und dann den genauen Fundort angeben.
Bis gleich - Rolf