über Probleme bei der Rezeption von Liebesgedichte

Hallo liebe w-w-w´ler, seit über 20 Jahren versuche ich herauszufinden, warum mir aus der Unmenge von „Liebes-Gedichten“ die es gibt, eigentlich nur so wenige gefallen. Warum ich die wenigen, die ich mag, mag, kann ich mir noch erklären – warum finde ich aber keinen Zugang zu denen, die ich nicht mag?
Mit Zugang meine ich ungefähr: bei anderen Gedicht-Genres versperrt mir das behandelte Thema, Inhalt, Form usw. nicht den Blick und das anerkennende Bejahen in Bezug auf handwerkliches Können, Ausdruckstärke usw. …bei Liebesgedichten ist es aber so, das mich nicht mehr die Qualität des Gedichtes an sich erreicht sondern nur noch inwieweit ich es mag.

Um das vielleicht ändern zu können, welches ist euer Liebesgedicht-Favorit und warum?

Meines ist:

Paris, 1. Mai 1977

sich an den händen fassen
die augen zumachen
und losrennen

daran dass euch dieser wunsch überfällt
erkennt ihr die ankunft der liebe

dann dürft ihr nicht zögern

fasst euch an den händen
macht die augen zu und
rennt los von Alfred Andersch

…. Ich mag es, weil es „einfach“ ist, klar ist, weil es zauberhaft die Grenze zum Kitsch streift aber nicht überschreitet,

freue mich auf Antworten, Gruss Uwe

hallo uwe, begründen kann ich es auch nicht, aber das folgende ist mein lieblings-liebesgedicht:

**Pihi

Vom Vogel Pihi hab ich einst gelesen,
Dem Wundertier im Lande der Chinesen.
Er hat nur einen Fittich: Stets in Paaren
Sieht man am Horizont der Pihi Scharen.
Zu zweien nur kann sich das Tier erheben;
Im Singular bleibt es am Boden kleben. -
Dem Pihi gleich, gekettet an das Nest,
Ist meine Seele, wenn du mich verläßt.

von Mascha Kalèko**

wahrscheinlich kann man überhaupt nichts objektiv beurteilen, wenn man selbst nicht den nötigen abstand hat. und wer will denn abstand von der liebe haben? :wink:

schöne grüße
ann

Huhu!

Dies hier:

Wunderbares …

Es muß ein Wunderbares sein
Ums Lieben zweier Seelen,
Sich schließen ganz einander ein,
Sich nie ein Wort verhehlen.

Und Freud und Leid Und Glück und Not
So miteinander tragen,
Vom ersten Kuß bis in den Tod
Sich nur von Liebe sagen.
 
(Oskar Freiherr von Redwitz)

Obwohl mir sonst der Romantiksinn völlig abgeht. Ich glaube, ich mag an dem
Gedicht, dass es diese Romatik halbwegs sachlich rüberbringt. Paradox? Aber so
kommt es mir vor.
Auch spricht es an, was mir wichtig ist - miteinander zu reden; über alles.

Bye, Vanessa

was ist so schlimm daran, dass bei liebesgedichten dein einziges kriterium ist, ob du es magst? Wenn es dich anspricht, wenn es etwas bei dir auslöst, dann hat es doch seine funktion erfüllt. es hat nun mal ungeheuer viel mit gefühl zu tun. natürlich kannst du dann ja noch testen, ob rhythmus, reimschema oder sonstige kriterien stimmen, wenn du der sache auf den grund gehen möchtest. also, ich lese sie und stelle fest, ob sie mich ansprechen oder nicht.
hier übrigens mein liebesgedicht:

purpur mit einem klacks lachs
das ist der rose rot
so feurig prahlt sie in der sonne
legt eine ganz besondre nacht
den zauberschleier über sie
erwacht in ihr die orchidee
in aller pracht

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Hallo Uwe,

mein liebstes Liebesgedicht ist seit vielen Jahren schon Dylan Thomas’ „Love in the Asylum“

_A stranger has come
To share my room in the house not right in the head,
A girl mad as birds

Bolting the night of the door with her arm her plume.
Strait in the mazed bed
She deludes the heaven-proof house with entering clouds

Yet she deludes with walking the nightmarish room,
At large as the dead,
Or rides the imagined oceans of the male wards.

She has come possessed
Who admits the delusive light through the bouncing wall,
Possessed by the skies

She sleeps in the narrow trough yet she walks the dust
Yet raves at her will
On the madhouse boards worn thin by my walking tears.

And taken by light in her arms at long and dear last
I may without fail
Suffer the first vision that set fire to the stars._

Ich kenne keine wirklich perfekte Übersetzung, im Netz findet man die Übersetzung Erich Frieds http://www.elronds-haus.de/thomas.htm#Irrenhaus

Mir gefallen oft Liebesgedichte, die aus dem Blickwinkel des/der Liebende/n geschrieben sind, Gedichte, die die Faszination, die der/die Geliebte ausübt, einzufangen versuchen. Liebesgedichte bewerte ich, im Gegensatz zu Dir, nicht anders als andere Gedichte: Ist das Gedicht formal mies, vermag es auch der Inhalt nicht zu retten & vice versa.

Ein Liebesgedicht, was ich nicht nur, aber hauptsächlich wegen seiner Kunstfertigkeit schätze, ist Unica Zürns „Ich weiss nicht, wie man die Liebe macht“ - das komplette Gedicht ist ein Anagramm, d.h. alle folgenden Zeilen sind aus den Buchstaben der ersten Zeile gebildet:

_Ich weiss nicht, wie man die Liebe macht

Wie ich weiss, „macht“ man die Liebe nicht.
Sie weint bei einem Wachslicht im Dach.
Ach, sie waechst im Lichten, im Winde bei
Nacht. Sie wacht im weichen Bilde, im Eis
des Niemals, im Bitten: wache, wie ich. Ich
weiss, wie ich macht man die Liebe nicht._

Viele Grüße
Diana

Liebes-Lieder und Gedichte
Hallo,
ich mag auch nur ein einziges Liebesgedicht von denen die ich kenne.
Warum weiß ich nicht, vielleicht liegt es daran, dass Liebesgedichte leicht platt wirken und dann an die Liebesbriefe von 15-jährigen erinnern…
Das, welches ich mag, und ich wundere mich, dass es niemand genannt hat, ist natürlich das „Liebes-Lied“ von Rilke. Vielleicht deshalb, weil kein einziges Mal das Wort „Liebe“ darin vorkommt (außer im Titel)und weil es nicht heißt „ich möchte immer mit dir zusammen leben, bla bla“ sondern eben das Gegenteil „Wie soll ich meine Seele halten, dass sie NICHT an deine rührt“.
Wers nicht kennt, ich poste es auch gerne nochmal…
grüße
Sonja