Über Verlust eines geliebten Menschen schreiben?

Hallo liebe Leser,

zunächst möchte ich kurz meine Intention mich hier anzumelden erklären.
Ich habe vor kurzem meine geliebte Oma besucht. Wir redeten miteinander und dann fragte sie mich:
,Warum sterben denn bloß alle vor mir weg? Warum ist das so? Warum müssen alle vor mir sterben?"

Ich will euch kurz mitteilen, wer schon von ihr gegangen ist:
Erst ihr Mann…(Krebs)
kurz darauf ihr erster Sohn…(Krebs)
dann das zweite Kind: ihre Tochter…(Alkoholikerin, Raucherin --> Lungenentzündung)
schließlich die eigene Mutter (Alter)
und vor nicht all zu vielen Jahren musste sie sich auch noch von ihrem einzigen, kleinen Bruder verabschieden!

Wenn ich meiner Oma in die Augen schaue, sehe ich die bloße Traurigkeit. Ich habe sie noch nie als einen fröhlichen, lustigen oder lockeren Menschen kennengelernt. Sie ist eine sehr sensible, rücksichtsvolle, warme Persönlichkeit. Ich liebe meine Oma so sehr, dass ich einfach nicht will, dass sie die letzten Jahre ihres Lebens weiterhin so lebt…ich weiß, dass sie noch nie so wirklich mit jemandem über ihre Verluste geredet hat und da wundert es mich auch nicht, dass sie manchmal sehr unzufrieden ist und nicht glücklich sein kann!
Doch so muss man doch nicht leben, oder?

Sie ist einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben und deswegen möchte ich ihr helfen, weil ich der festen Überzeugung bin, dass es gesund ist und dass es der Seele hilft, wenn man über den Verlust von geliebten Menschen mit Gleichgesinnten redet!

Habt auch ihr jemanden Geliebtes verloren? Habt ihr auch nie wirklich darüber geredet? Oder geht es euch vielleicht, wie mir, die einfach nur wahnsinniges Mitgefühl hat, aber nicht wirklich in der Position ist, um dem Zurückgebliebenen die nötige Hilfe, die richtigen Worte entgegenzubringen?

Ich würde mir wünschen, dass meine Oma eines Tages ihren Briefkasten öffnet und vielleicht den ein oder anderen Brief von einem Menschen da draußen in ihren Händen hält, dem es genauso geht. Jemand der mit ihr fühlen kann. Sie schreibt sehr gerne Briefe und ist immer sehr, sehr einfühlungsvermögend.

Also ihr Lieben,
ich würde ihr gerne irgendwie helfen, denn sie hat mir schon jetzt mehr gegeben, als ich ihr jemals zurückgeben kann.

Ich freue mich über jeden Beitrag, jeden Rat, jede Antwort!

(Meine Oma besitzt keinen Computer…ich würde weiterleiten oder die Adresse bei Nachfrage, sprich ernstem Interesse, geben)

Vielen Dank fürs „Zuhören“ erstmal!

Beste Grüße aus Berlin von der Enkeltochter einer sehr traurigen Frau…

Marie
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Hallo Marie,

ich kann Dich sehr gut verstehen.

Ich weiß nicht, wie alt Du bist, aber ich selbst sehe, wie
Gleichaltrige sterben, an Brustkrebs, durch Unfälle und das macht mich traurig.

Deine Oma hat bis jetzt überlebt und sie wird es verkraften. Du beschreibst sie als schon wissende, zurückhaltende Person. Sie weiß genau, was geschieht und sie nimmt langsam Abschied. Sie sieht, daß alle von ihr gehen und ist traurig. So ist das Leben.

Wichtig bist Du. Du kannst ihr ihre Traurigkeit nicht nehmen, die soll sie haben, sie muß verarbeiten und sie wird es schaffen, so wie Du sie beschreibst.

Wichtig bist Du! Einzusehen, daß Du nichts rückgängig machen, die Tode nicht aufheben und ihre Traurigkeit nicht auflösen kannst.

Ich selbst habe alte Eltern, wo ich vor das gleiche Problem gestellt werde. Ich kann ihnen nicht helfen, ich gab mein Letztes, bis mein Akku leer war. Ich habe mich an die Caritas, „Lebenshilfe“ gewandt.
Dort verwiesen sie mich an eine Therapeutin in einem Seniorenstift, die für die Angehörigen da ist. Ich hatte einige gute, kostenlose Gespräche mit einer Psychologin, die mir sehr geholfen haben.

Sie machte mir klar:

Ich kann bei der Traurigkeit nicht helfen.
Es reicht, wenn ich da bin.
Aber nur - wenn sie es wollen.
Ich soll mein Leben in Freude weiterführen.
Ich soll mich auch distanzieren, von dem Schmerz, der nicht meiner ist!

DU bist auch noch da! Sprech mit erfahrenen Psychologen darüber! Du findest sie unter der Caritas, frag dort nach!.

Alles Liebe und viel Kraft

von Karin

Liebe Karin,

vielen Dank für deine lieben Worte!
Du hast ja Recht…es ist nicht meine Aufgabe sie glücklich zu machen und die Trauer werde ich ihr auch niemals nehmen können. Die brauch sie und soll sie auch haben.
Ich finde es nur so schwer zu akzeptieren, dass sie die nächsten Jahre einfach so lebt, als wenn sie schon vorbei wären. Eigentlich lebt sie gar nicht mehr richtig. Jeder Tag ist gleich. Sie steht zur selben Zeit auf, kocht sich Essen und schaut den ganzen Nachmittag Fernsehen, um dann schließlich zur selben Zeit wieder ins Bett zu gehen. Es ist so verdammt schwer sie mal wenigstens für eine Kugel Eis zu begeistern. Ich finde es einfach so schwer zu akzeptieren, weil ich so niemals alt werden möchte. Na ja…ich besuche sie manchmal und wir telefonieren auch gerne und reden dann über unsere alten Zeiten, die uns wahrscheinlich am meisten verbinden. Ich bin sehr dankbar für diese Zeit und werde es immer sein, deswegen werde ich ihr auch immer beistehen, doch trotzdem noch genug Abstand halten…

(Eine Therapie hatte ich schon, daher sind Psychologengespräche schon
vorbei :smiley:
Hatte diese eine Nacht echt einen emotionalen Hänger, wegen dem letzten Besuch bei ihr)

Es ist schön zu hören, dass du Erfolg durch die Psychologengespräche hattest und es dir dadurch wieder besser ging. Nun handelt es sich bei dir ja nun auch noch um deine Eltern! Hier ist die Nähe nochmal eine ganz andere.

Dann nochmals vielen Dank und beste Grüße raus an dich!

Marie

Liebe Marie,
lange habe ich die Gedanken in meinem Kopf hin und her bewegt und mich gefragt, ob ich Dir dieselben mitteilen soll. Allein das eben Gesagte beweist aber schon, dass ich es tun sollte.

Die Antwort, die Du von Karin bekommen hast, ist wunderbar und ich hoffe Du kannst daraus etwas für Dich entnehmen.

Ob Du psychiatrische Betreuung brauchst weiß ich nicht, glaube ich nicht, denn letztendlich durchlebst Du nur das, was eigentlich alle Menschen erleben müssten. ’Müssten’, wenn wir noch die alten familiären Strukturen hätten in denen mehrere Generationen, enger als heute üblich, zusammenleben.

Du hast vor kurzem Deine Großmutter besucht, also Du siehst Du sie nicht so sehr oft und da hat sie eine Äußerung getan, die Dich nun beschäftigt. Deine Oma ist längst zu andern Dingen übergegangen, diese Gedanken kommen ihr natürlich wieder, aber sie ist nicht 24 Stunden rund um die Uhr damit beschäftigt, glaube mir.

Du beschreibst Deine Oma als einen Menschen der nie locker und fröhlich aus sich herausgegangen ist, dann lass sie doch bitte auch in ihrem jetzigen Lebensabschnitt so sein, wie sie stets war.

Wir alten Menschen haben viel erlebt. Wenn Deine Oma etwa
65 / 70 ist, dann hat sie bewusst den Krieg erlebt, ob sie durch Bombennächte in ihrer Kindheit erschüttert wurde oder auf die Flucht gehen musste, furchtbar ist das eine und das andere gewesen. Dann der Hunger und die große Not nach dem Krieg. Die Menschen, die dann dort schon fehlten, gefallen, gemordet, vermisst - von all denen hat sie Dir nicht erzählt. Von den Enttäuschungen die ihr das Leben bereitet hat, sei es durch Männer, durch Kinder, die ihre Fähigkeiten nicht nutzten, durch Arbeitgeber, die sie ausbeuteten, durch Schwiegereltern, die sie nicht mochten, durch eigene Eltern, die schlugen und ihren Pflichten nicht nach kamen. All das ist das Leben Deiner Oma, liebe Marie und es ist allein ihr Leben, sind ihre Erfahrungen und die machen eben nicht immer ’fröhlich, lustig, locker’, denn sie hat einen Großteil ihres Lebens eben nicht in einer Spaßgesellschaft gelebt.

Da unser aller Leben das eine oder andere, meist mehrere der geschilderten Situationen enthält, könnte sich jeder ältere Mensch mit Deiner Großmutter austauschen — aber, will sie das überhaupt?

Du kennst Sie am Besten, warum druckst Du nicht Karins und meinen Beitrag aus und sagst ihr in einem Gespräch wie sehr Du für sie fühlst, wie es Dich erschüttert, dass sie so traurig ist und wenn erforderlich sagst Du ihr: “ Oma, ich habe schon andere Menschen gefragt, ob und wie ich Dir helfen könnte.” Dann musst Du abwägen, ob Du ihr unsere Antworten zeigen willst, aber meine Liebe, es wird für sie nichts neues darin stehen und sie wird ihrerseits erschüttert sein, dass sie Dich so beunruhigt hat. Glaube mir die alten Menschen haben mehr Kraft und Mut weiter zu gehen, auch wenn die Reihen dünner werden und eben die, die am ältesten werden immer mehr allein sind.

Lass Du sie nicht allein, schreib Du ihr, wenn Du nicht oft bei ihr sein kannst, telefoniere mit ihr. Und warum kein Computer? Ich bin noch viel älter und für mich sind e-mails eine ’lifeline’.
Spendier ihr einen und wenn sie ihn selbst kaufen kann, dann spendier ihr die Zeit sie einzuweisen. Es gibt auch viele Kurse für Senioren, dort würde sie auch unter Menschen kommen.

“Warum sterben denn alle bloß vor mir weg …” Marie, das war eine Bemerkung, das ist jetzt bestimmt nicht ihr Lebensmotto für den Rest ihrer Tage.

Kopf hoch und tapfer durch das Leben, das wird auch Deine Oma sagen, wenn Du ihr erzählst wie viel Sorgen Du Dir machst.

Es ist in heutiger Zeit schon bemerkenswert dass Du es überhaupt tust.
Gute Wünsche
von
Appelschnut

P.S. Ich hätte Dir dies lieber persönlich geschickt.

Hi Appelschnut,

P.S. Ich hätte Dir dies lieber persönlich geschickt.

Kannst Du, wenn Du auf den kleinen „Briefumschlag“ neben dem Namen des Posters klickst.

Liebe Grüße,

Anja

Danke für den Tipp, wenn ich das gewusst hätte.

Freundlichst
Appelschnut