Überhangmandate

Dazu nochmals Fragen:

  1. Die Überhangmandatsträger sind im BT gleichberechtigt stimmberechtigt.
  2. (Irgend-)Eine Partei soll beim Wahlergebnis auf die Mitzählung ihrer Üh-Mandate, d.h. auf die Regierungsbildung, verzichten.
    Fragen: Kann es dann bei knappen Mehrheitsverhältnissen nicht sein, dass sich bei Abstimmungen im BT, bei denen ja auch die Überhangmandatsträger mitstimmen, dadurch eine Stimmenmehrheit für die Opposition ergibt?
    Müsste dann die Regierung nicht durch informelle Absprachen mit einer Oppositionpartei dafür sorgen, dass sie durch deren Abstimmungsverhalten (Enthaltung oder Zustimmung) ihren Vorschlag doch als Gesetz durchbringt?
    (NB: Ich spreche nicht von Stimmenkauf.)
    Oder ist gemeint, dass die Partei(en) auf die Üh-Mandate überhaupt verzichten? Dann hätten aber wegen der geltenden Rechtslage die ausgebooteten Kandidaten vor Gericht die besseren Karten.
    Oder sehe ich da was falsch?
    Gruß!
    Hannes

Das BVerfG bemängelt die momentane Überhangsmandatsregelung und fordert eine Änderung bis 2011 im Wahlrecht.
Die SPD die nun hier „schreit“ hat einen Antrag der Opposition aus Koalitionstreue nicht unterstützt und ist selber schuld.
Gutes Verlieren sieht anders aus.

Das Überhangmandat ist ein Mandat wie jedes andere auch.

Das einzige Problem heute ist, dass im Gegensatz zu früheren Zeiten mit Überhangmandaten im Grossen Stil für die CDU gerechnet wird während sie früher zwischen den grossen Parteien einigermassen gleichmässig verteilt waren.

Gemäss Prognose könnten die via 1 Stimme gewählten Direktkandidaten bis zu 40 Überhangmandate für die CDU bedeuten und es gibt diesmal wahrscheinlich nur wenige für die SPD… dies könnte dafür sorgen, dass trotz bis zu 3% weniger 2t Stimmen als die Opposition, schwarzgelb eine Mehrheit im bundestag bekommt.

Eines der Themen ist sicherlich auch, dass es bei Landtagswahlen Ausgleichsmandate für die anderen Parteien gibt, im Bundeswahlrecht aber nicht. - wie gesagt… hier muss das Wahlrecht reformiert werden. Wer bis so kurz vor der Wahl nichts tut ist selbst schuld.

Illegitim ist eine Regierung mit einer wie auch immer zustandenen gekommenen Mehrheit jedenfalls nicht.

Gruss HighQ

Hallo,

…soll…

Das sagt schon alles. Sie sollen, müssen aber nicht, damit kann man alles gleich vergessen, was danach kommt.
Schau mal in die Gesetzte, was in Deutschland alles gemacht werden soll und dann schau nach, was gemacht wird…

Müsste dann die Regierung nicht durch informelle Absprachen
mit einer Oppositionpartei dafür sorgen, dass sie durch deren
Abstimmungsverhalten (Enthaltung oder Zustimmung) ihren
Vorschlag doch als Gesetz durchbringt?

Die absolute Anzahl ist (fast) nur bei der Kanzler(innen)wahl wichtig, sonst genügt fast immer einfache Mehrheit der Anwesenden. Die wird die Regierung immer herstellen können, notfalls macht eben ein parallel laufender Ausschuß eine Pause und die Abgeordneten kommen zur Abstimmung in den Bundestag oder ein paar Abgeordnete der Regierungsparteien werden vom Abendessen mit wichtigen Leuten zurückgerufen, oder …
Es soll aber „Experten“ geben, die Freitags um 22 Uhr noch schnell einen Antrag zur Geschäftsordnung stellen, wenn sie merken, daß die Regierung schon im Wochenende ist und die Opposition die Überzahl hat. Das kann dann peinlich sein, passiert aber nicht mehr so schnell.

Cu Rene

Hallo,

…soll…

Das sagt schon alles. Sie sollen, müssen aber nicht, damit
kann man alles gleich vergessen, was danach kommt.

*gg* Wenn es um Recht geht, darfst Du ‚soll‘ nicht umgangssprachlich verwenden. ‚Soll heißt muss wenn kann.‘

Gruß Rainer

Nicht die Überhangmandate an sich
Nicht die Überhangmandate an sich sind doch das Problem. Die sind verfassungsgemäß.

Was aber nicht verfassungsgemäß ist, ist das Negative Stimmgewicht:

http://de.wikipedia.org/wiki/Negatives_Stimmgewicht_…

Und genau da hat das BVerfG den Finger rein gelegt.

Ich teile die Auffassung des Gerichts, die besagt, dass es nicht im Sinne unseres Wahlrechts ist, dass eine Partei, die weniger Stimmen als eine Zweite hat, dennoch mehr Sitze im Parlament hat. Diese Konstellation gilt es, zu verhindern und es ist doch wohl auch illegitim. Nur weil das Verfassungsgericht da eine Frist gesetzt hat, wird doch die Legitimität nicht „übergangsweise“ hergestellt…

Das negative STimmgewicht tritt ja nicht zwangsläufig auf, wenn Überhangmandate im Spiel sind, sondern nur in bestimmten Konstellationen.

Allerdings teile ich deine Auffassung, dass sich da beide großen Parteien nicht mit Ruhm bekleckert haben, rechtzeitig eine Änderung herbeizuführen. Insofern schneiden nach meiner Auffassung auch beide Verantwortlichen höchst bescheiden ab Die SPD, die jetzt jammert, aber versäumt hat, was zu tun. Und die CDU, die sagt: Obwohl uns das Verfassungsgericht eindringlich daran erinnert hat, dass es nicht verfassungsgemäß ist, ist es uns völlig wurscht, wie unsere Mehrheit zustande gekommen ist. Wir regieren, auch wenn wir eigentlich gar nicht die Mehrheit haben, sondern diese nur über das negative Stimmgewicht zustande gekommen ist… Find ich halt beides Mist.

LG Petra

  1. Die Überhangmandatsträger sind im BT gleichberechtigt
    stimmberechtigt.

Wer in den Bundestag gewählt ist, hat ein volles Mandat und ist selbstverständlich auch uneingeschränkt stimmberechtigt.

Den „Überhangmandatsträger“ gibt es übrigens nicht. Die Überhangmandate sind eine rein rechnerische Größe - nämlich die Differenz zwischen der Anzahl der Kandidaten einer Partei, die über die Erststimmen der Wähler unmittelbar in den Bundestag gewählt worden sind, und der Anzahl an Sitzen, die der Partei nach ihrem Anteil an den abgegebenen Zweitstimmen zusteht. Eine solche Differenz läßt sich naturgemäß keinen individuellen Mandatsträgern zuordnen. Das ist auch sachgerecht, denn alle Mandatsträger sind in ihrem Wahlkreis jeweils unmittelbar gewählt worden; da gibt es keinen qualitativen Unterschied zwischen dem einen oder dem anderen Mandatsträger.

  1. (Irgend-)Eine Partei soll beim Wahlergebnis auf die
    Mitzählung ihrer Üh-Mandate, d.h. auf die Regierungsbildung,
    verzichten.

Nein. Die Stimmen im Bundestag werden ausschließlich von Abgeordneten und nicht von Parteien abgegeben. Und eine Partei kann nicht auf eine Stimme „verzichten“, die ein Abgeordneter abgegeben hat. Wer in den Bundestag gewählt ist, hat ein freies Mandat, d.h. dass er „nur seinem Gewissen verpflichtet und an Weisungen nicht gebunden“ ist.

Fragen: Kann es dann bei knappen Mehrheitsverhältnissen nicht
sein, dass sich bei Abstimmungen im BT, bei denen ja auch die
Überhangmandatsträger mitstimmen, dadurch eine Stimmenmehrheit
für die Opposition ergibt?

Es ist regelmäßig so, dass eine Partei, die Überhangmandate errungen hat, mehr Stimmen im Bundestag hat, als ihr nach ihrem Anteil an den Zweitstimmen zustehen. Es kann auch sein, dass erst durch dieses Mehr an Stimmen diese Partei (allein oder zusammen mit anderen) die Mehrheit erlangt. Letzteres war aber - soweit ich weiß - bisher nicht der Fall.

Müsste dann die Regierung nicht durch informelle Absprachen
mit einer Oppositionpartei dafür sorgen, dass sie durch deren
Abstimmungsverhalten (Enthaltung oder Zustimmung) ihren
Vorschlag doch als Gesetz durchbringt?
(NB: Ich spreche nicht von Stimmenkauf.)

Wie gesagt: die Abgeordneten haben ein freies Mandat. Die Möglichkeiten der Parteien, auf das Stimmverhalten „ihrer“ Abgeordneten wirksam einzuwirken, sind daher sehr begrenzt. Und verbindliche Vorgaben oder „Anreize“, die einer verbindlichen Vorgabe gleichkommen, sind per se unzulässig.

Oder ist gemeint, dass die Partei(en) auf die Üh-Mandate
überhaupt verzichten?

Nochmal: Mandatsträger sind allein die Abgeordneten und nicht die Partei. Die Partei als solche kann daher auf keinen Fall auf ein Mandat verzichten. Und da die Abgeordneten das bereits erwähnte freie Mandat haben, kann und darf die Partei einen Abgeordneten auch nicht zwingen, sein Mandat aufzugeben. Das gilt umso mehr, als alle Abgeordneten einer Partei, die Überhangmandate errungen hat, Direktkandidaten sind, also jeweils in ihrem Wahlkreis die Mehrheit der Erststimmen errungen haben und insofern unmittelbar demokratisch legitimiert sind. Dass in diese Legitimation eine Partei nicht hineinfunken darf, versteht sich von selbst.

Hallo,
das ist mir schon klar und auch, daß es immer gerne mit den Finanzen begründet wird, wenn etwas nicht gemacht wird.

Nochmal zur Frage zurück. Interessant könnte es werden, wenn die Mehrheit wirklich knapp ist und Überhangmandate durch Ausscheiden von Abgeordneten wegfallen. Ein konstruktiives Mißtrauensvotum würde die Oppasition wahrscheinlich nicht durchbringen, könnte aber, wenn alle an einem Strag ziehen, die Gesetzgebung trotzdem massiv beeinträchtigen.

Cu Rene

Ich frage ich allerdings auch wieso das Verfassungsgericht einen so langen Zeitraum angesetzt hat, dass es nochmal zu einer Wahl kommt, bei der etwas angeblich nicht Verfassungsgemässes nochmals die Basis ist.

Uneingeschränkte Zustimmung! owT
Sachichdoch

kein Kreuz bei schwarz, rot und gelb
Hier ein aktuelles Fundstück, Interview mit Verfassungsricher a.D. Mahrenholz:

http://www.sueddeutsche.de/politik/140/488535/text/

Zitat zur „Schuldfrage“: „Das Gericht hat zwar einen für mich fragwürdigen Spielraum gelassen. Aber das Problem ist doch, dass ein Gesetzentwurf vorlag, der rechtzeitig den Bedenken des Gerichts Rechnung getragen hat. Und dann ignorieren die maßgeblichen Parteien vorsätzlich diesen Gesetzentwurf, nur damit die Union ihre Überhangmandate bekommt.“

Und richtig gut finde ich: „Über der ganzen Kungelei wird doch das Volk beiseitegeschoben. Es wählte 2005 einen Bundestag, dem es mehrheitlich jetzt gleichgültig ist, ob dieses Volk gemäß der Verfassung wählen darf“

Und nun soll das Volk, das beschissen wurde, und von dem die Staatsgewalt ausgeht, die einzig richtige Konsequenz ergreifen: Alle Parteien, die da mit gekungelt haben bzw. trotz verfassungswidriger Wahl regieren würden, werden nicht gewählt. Ergo kein Kreuz bei schwarz, rot und gelb…

LG Petra

Hallo,

Zitat zur „Schuldfrage“: „Das Gericht hat zwar einen für mich
fragwürdigen Spielraum gelassen. Aber das Problem ist doch,
dass ein Gesetzentwurf vorlag, der rechtzeitig den Bedenken
des Gerichts Rechnung getragen hat. Und dann ignorieren die
maßgeblichen Parteien vorsätzlich diesen Gesetzentwurf, nur
damit die Union ihre Überhangmandate bekommt.“

mich wundert, daß immer die Union genannt wird. Bei den letzten drei Bundestagswahlen lag die SPD vorne: 13:0, 4:1 und 9:7.

Gruß
Christian

Hallo Christian,

wo wird denn nur die Union genannt? Weder der Herr Verfassungsrichter noch ich nehmen die SPD aus. Nur so zur Info: Wenn ich sage, das Volk müsse konsequenterweise die Kreuze schwarz, rot und gelb verweigern - dann meint rot jetz nicht die Linke, sondern schon die SPD…

Dass in dem Zitat nur die Union benannt wird, hat mit den aktuellen Prognosen zu tun. So wie die Konstellation derzeit ist, ist eben zu erwarten, dass wieder mal die CDU an der Reihe ist, davon zu profitieren. Was allerdings an der Sachlage gar nix ändert.

LG Petra

Überhangmandate an sich sind unkritisch
Moin,

also ich halte das Gejaule um die ‚verfassungswidrigen‘
Überhangmandate für Wahlkampfschmutz aus der untersten
Schublade.

Wie Pomeranze unten richtig schreibt, sind ÜMs absolut
normal bei unserem System von kombinierter Direkt- und
Listenwahl und in der Praxis kaum zu vermeiden.

Da nur der, eher theoretische, Fall der negativen Stimm-
gewichtung nicht mit der Verfassung übereinstimmt, ist
es auch unbedenklich wenn im nächsten BT die CDU wirklich
30 bis 40 Sitze mehr haben sollte. Realistisch sind wohl
die Hälfte davon.

Als für Schröder aus einer zum regieren zu knappen Mehrheit
dank ÜM eine sichere Mehrheit wurde, hat das auch keinen
wirklich interessiert …

Müsste dann die Regierung nicht durch informelle Absprachen

Eine Regierung, die auf ‚informelle Absprachen‘ angewiesen ist,
ist keine Regierung.

Die wirklichen Sauereien bestehen für mich z.B. darin wenn die
FDP auf Landesebene die Abschaffung der 5-%-Hürde bei Kommunal-
wahlen zur Koalitionsbedingung macht oder SPD und Grüne das
Wahlalter auf 16 senken wollen oder die CDU von ‚DeHondt‘ auf
‚Harre-Niemeyer‘ als Sitzverteilungssystem wechselt. Aber
das kratzt ja keinen Journalisten …

Viele Grüße

Jake