Überholer überholt Überholer

Hallo Zusammen,

ich hätte da mal eine (natürlich) rein hypothetische Frage:

Jemand fährt um eine Kurve, auf der Landstraße, hinter der sich eine sehr lange Gerade befindet. Vor- und hinter ihm befindet sich jeweils ein Auto. Auf der Geraden angekommen erscheint am gegenüberliegenden Ende ein Auto (Gegenverkehr ca. 800 Meter entfernt). Der Fahrer beschließt das langsamere Auto vor ihm zu überholen und tut dies. Der Hintermann überholt ebenfalls (gesehen im Rückspiegel).

Nach dem Überholvorgang beschleunigt der Fahrer weiter und als er ca. 200 Meter vom Gegenverkehr entfernt ist (auf seiner Spur, deutlich zu schnell) bemerkt er ein Auto neben sich, aus dem toten Winkel auftauchend. Ein Wahnsinniger steuert direkt auf den Gegenverkehr zu!

Der Wahnsinnige war der Hintermann, der sich offenbar dachte: „Überholen ist toll, den kriege ich auch noch!“ Er war wohl nicht wieder eingeschert, so wie man es bei Gegenverkehr erwarten sollte. Der Hauptakteur erschrickt und tritt die Bremse, was zugegebenermaßen dumm war, weil´s den jetzt sehr gefährdeten Überholer daran hindert sicher dahinter einzuscheren. Selber schuld muss ich sagen!

Der Überholer legt ´ne Vollbremsung hin und schert in der Mitte ein (wild gestikulierend, schreiend, verängstigt…). Danach bedrängt er den Hauptakteur von hinten, ist aber egal – anderes Thema – Hauptsache ist, dass nichts passiert war!

Wie sieht die Justiz diesen konstruierten Fall?

Gruß Kai

Moin,

ich hoffe, das richtig verstanden zu haben.

Wir haben hier einen langsam/normal fahrenden.

Dieser wird vom Hintermann (Auto 1) überholt,
dessen Hintermann (Auto 2) zieht ebenfalls vorbei.

Zu diesem Zeitpunkt alles noch normal, wenn man von möglichen Geschwindigkeitsüberschreitungen absieht.

Fahrer 2 schert aber nicht ein, sondern bleibt links.
Fahrer 1 beschleunigt weiter (nach deiner Aussage „deutlich zu schnell“).

Fahrer 1 hätte aber nicht beschleunigen dürfen, wenn er überholt wird.
Fahrer 1 hat nach eigener Aussage bemerkt, das Fahrer 2 das langsame Fahrzeug überholt. Ich lege dem Fahrer 1 zur Last, dass dieser das Nichterscheinen des Autos 2 im Rückspiegel hätte sehen müssen.
Ich lege ihm ferner zur Last, dass im Außenspiegel Auto 2 ständig hätte gesehen werden können (bis kurz vorm Eintreten in den toten Winkel, den es so bei vielen Spiegeln kaum noch gibt).

–> Fahrer 1 hat vermutlich gegen StVO §5 Absatz 6 verstoßen. Die Umstände legen es nahe, dass er den weiteren Überholvorgang des Fahrer 2 sehr wohl kannte oder zumindest bei der nötigen (und in §1 geforderten!) Aufmerksamkeit hätte kennen müssen.

Fahrer 2 hingegen überholt ein Fahrzeug trotz immer knapper werdenden Abstand zum Gegenverkehr. Er hätte Schall- und/oder Leuchtzeichen geben können und dies m.E. auch tun müssen, als er erkannte, das Fahrer 1 weiter beschleunigte.
Er hätte wegen der unklaren Verkehrslage nicht überholen dürfen.
Er hätte ebenfalls nicht überholen dürfen, weil seine Geschwindigkeit nicht deutlich über der des Autos 1 lag.
Und er hätte nicht überholen dürfen, weil er nich klar übersehen konnte, dass jede Behinderung des Gegenverkehrs auszuschließen war.
Und er überholte ein Fahrzeug, was schon „deutlich schneller“ als erlaubt unterwegs war.

Nun kommt es zum gefährlichsten aller Missverständnisse:
Der Überholer will abbrechen, der Überholte will durch Abbremsen das Einscheren und Überholen ermöglichen.

Beide Fahrer handeln nun das erste mal jeder für sich richtig, in der Folge aber ggf. tödlich.

Ich habe keine Ahnung, wie man im Falle eines Unfalls die Schuldquote festsetzen würde, hielte aber dann den Fahrer 2 für hauptschuldig.

Und in der Realität kenne ich solche Beinaheunfälle, weil Fahrer 1 aus Eitelkeit und „Sportsgeist“ nicht überholt werden will und sich denkt „schauen wir mal, was der unter der Haube hat, Hehe!“, während Fahrer 2 sich denkt „Super, ein Rennen!“.

Vielleicht war es auch genau das. Falls beide Fahrer über eine Fahrerlaubnis verfügen, sollte man das ggf. nun ändern.

Hallo xstrom,

es geht bei dieser Frage nur um die Rechtslage. Die ethisch-moralischen Gründe sind zweitrangig, da bei fiktiven Personen davon auszugehen ist, dass sie über keinerlei Gewissen verfügen!

Im konstruierten Fall ist jedenfalls davon auszugehen, das Fahrer 1 den Fahrer 2 nicht töten wollte. Fahrer 1 hat Fahrer 2 erst im Augenwinkel gesehen als er neben ihm war (und das Gegenteil kann ihm keiner Beweisen). Die angenommene Gerade war eine Baumstraße und es gab ein Sommergewitter (ziemlich dunkel, aber kein Regen und kein Spezialspiegel ohne toten Winkel).

Muss Fahrer A auf einer geraden Straße ständig den Rückspiegel beobachten, weil ihn irgendjemand (verbotener Weise, weil zu schnell) überholen könnte? …-weil irgendjemand viel zu schnell Fahren könnte? …-weil irgendjemand Mist macht?

Was wäre im Falle eines Kindes, das unvermittelt auf die Straße läuft und überfahren wird, weil der Fahrer des Autos gerade seine regelmäßige Pflicht erfüllt hat und die Autos hinter sich beobachtete. Pech für das Kind? - Ich denke Nein!

Folglicherweise hieße das ja auch, dass sich jemand mitschuldig machen würde, wenn er den Fehler eines Anderen nicht bemerkt und es zum Unfall kommt! - Das glaube ich nicht! - Jeder ist doch für sein Tun selber verantwortlich - oder?

Gruss Kai

Blick in die Rückspiegel
Hi!

Muss Fahrer A auf einer geraden Straße ständig den Rückspiegel
beobachten,

Ja, mehr oder weniger. Er muss die Situation überblicken, dazu muss er ja nicht laufend in den Spiegel gucken.

weil ihn irgendjemand (verbotener Weise, weil zu
schnell) überholen könnte? …-weil irgendjemand viel zu
schnell Fahren könnte? …-weil irgendjemand Mist macht?

Die StVo fordert ausdrücklich dazu auf, Rücksicht zu nehmen. Wenn jemand anderer einen Fehler macht, setzt das nicht die StVo außer Kraft.

Was wäre im Falle eines Kindes, das unvermittelt auf die
Straße läuft und überfahren wird, weil der Fahrer des Autos
gerade seine regelmäßige Pflicht erfüllt hat und die Autos
hinter sich beobachtete. Pech für das Kind? - Ich denke Nein!

Das ist konstruiert. Müsste dann ja ständig passieren, weil es einfach immer wieder nötig ist, in den Rückspiegel zu gucken.

Folglicherweise hieße das ja auch, dass sich jemand
mitschuldig machen würde, wenn er den Fehler eines Anderen
nicht bemerkt und es zum Unfall kommt!

Wie genau die Schuld verteilt würde, ist theoretisch kaum zu sagen. Aber man muss natürlich aufmerksam sein und mitbekommen, was um einen rum passiert.

Grüße
kernig

In so einer Situation müsste Fahrer 1 den Verkehr hinter sich stets beobeachten…

es geht bei dieser Frage nur um die Rechtslage.

Hallo,

die hat doch @xstrom schön beschrieben. Es haben sich zwei falsch verhalten und dadurch eine gefährliche Situation geschaffen.

Im konstruierten Fall ist jedenfalls davon auszugehen, das
Fahrer 1 den Fahrer 2 nicht töten wollte. Fahrer 1 hat Fahrer
2 erst im Augenwinkel gesehen als er neben ihm war (und das
Gegenteil kann ihm keiner Beweisen).

Das mit den Beweisen ist so eine Sache. Es reicht für den Richter keine vernünftige Zweifel zu haben. In solchen Situationen weiß man schon was hinter einem los ist, oder ist der fiktive Fahrer ohne Rückschau ausgeschert?

Muss Fahrer A auf einer geraden Straße ständig den Rückspiegel
beobachten, weil ihn irgendjemand (verbotener Weise, weil zu
schnell) überholen könnte? …-weil irgendjemand viel zu
schnell Fahren könnte? …-weil irgendjemand Mist macht?

In so einer Situation, ja.

Was wäre im Falle eines Kindes, das unvermittelt auf die
Straße läuft und überfahren wird, weil der Fahrer des Autos
gerade seine regelmäßige Pflicht erfüllt hat und die Autos
hinter sich beobachtete. Pech für das Kind? - Ich denke Nein!

Wenn die Argumente schwach werden kommt das DEFA-Kind.

Folglicherweise hieße das ja auch, dass sich jemand
mitschuldig machen würde, wenn er den Fehler eines Anderen
nicht bemerkt und es zum Unfall kommt! - Das glaube ich nicht!

  • Jeder ist doch für sein Tun selber verantwortlich - oder?

Wenn er den Unfall hätte vermeiden können, ja.

Schau dir mal den §315c StGB an, der könnte auf beide passen. Da geht es gleich in das Strafrecht.
http://dejure.org/gesetze/StGB/315c.html

Netter Strafrahmen, da sind die Übeltäter längere Zeit Fußgänger.

Gruß

Nostra

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