Hallo Michael,
sorry … es gibt „das altgermanische“ nicht. es hat es nie
gegeben.
das Altgermanische hat es nie gegeben, richtig. Allerdings eine Gruppe von Sprachen, die mit diesem Sammelbegriff bezeichnet werden. Dazu gehört das von dir genannte Althochdeutsche, dem jedoch nicht die Ehre zukommt, „die ersten wirklichen schriftlichen Überlieferungen“ aufzuweisen - das gilt (mit deutlichem zeitlichen Abstand) für das altgermanische Gotisch, das zum ostgermanischen Zweig dieser Sprachfamilie gehörte.
Was der UP meint, ist wohl das sog. Urgermanisch. Dass es das nun wiederum nicht gegeben haben soll, ist eine ziemlich unwahrscheinliche Annahme. Zwar ist Urgermanisch - bzw. das, was mit den Methoden der vergleichenden Sprachwissenschaft als Urgermanisch erschlossen wurde - eine reine Rekonstruktsprache; es gibt mithin keine Nachweismöglichkeit, ob diese Sprache tatsächlich so gesprochen bzw. verstanden wurde, wie sie von der Sprachwissenschaft rekonstruiert wurde. Das Problem dabei besteht hauptsächlich in der Gewichtung des Gotischen - der frühesten schriftlich belegten germanischen Sprache, für die überdies eine große Fülle von Material vorliegt (vor allem natürlich Wulfilas Bibelübersetzung aus dem 4. Jahrhundert) - gegenüber westgermanischen Sprachen (insbesondere Voralthochdeutsch und Altfränkisch), für die erst im 5. und 6. Jahrhundert Belege auftauchen - überdies äußerst spärlich. Die ersten nordgermanischen Belege sind noch ein paar Jahrhunderte jünger. Das Rekonstrukt dürfte dem Original - das etwa um 1000 v.d.Z. im südskandinavisch / norddeutschen Raum aus einem indogermanischen Vorläufer, einem nichtindogermanischen Substrat und die sog. germanische Lautverschiebung entstanden war und sich ab ca. 200 n.d.Z. deutlich in verschiedene Sprachen differenzierte - allerdings einigermaßen nahe kommen.
Man sollte dabei allerdings auch nicht übersehen, dass dies ein Zeitraum von über 1.000 Jahren ist und sich dabei vor Augen halten, welche Wandlung in diesem Zeitraum das Deutsche durchgemacht hat. Wobei das Deutsche eine Schriftsprache ist - und Schrift ist ein Faktor, der den sprachlichen Wandel verlangsamt. Eine Rekonstruktsprache ist dagegen nur eine hypothetische Momentaufnahme.
Wie auch immer - nach Schilderung dieser Voraussetzungen wird vielleicht auch deutlich, warum ich keine Lust habe, dem UP einen ‚urgermanischen‘ Namen zusammenzubasteln und ihn womöglich für authentisch auszugeben. Wie Du richtig schreibst, hat das eher mit dichterischer Freiheit als seriöser Wissenschaft zu tun.
Schon mit Althochdeutsch wäre die Frage nicht mit Sicherheit zu beantworten. ‚Stern‘ ist noch verhältnismäßig simpel (ahd ‚sterno‘, gotisch übrigens sehr ähnlich ‚stairno‘), bei ‚Denker‘ wird’s schon schwieriger. Zwar kann man ahd. ‚denkāri‘ bilden - das hat jedoch den Schönheitsfehler, dass es nicht belegt ist. Belegt ist hingegen der ‚dencman‘ - jemand, der bestimmte Ereignisse erinnert und sie bezeugt (ein Erinnerungszeuge - ein ‚sternodencman‘ wäre also eine Art Astronom). Dies belegt, dass der Begriff des ‚Denkers‘ im heutigen Sinne den Sprechern des Althochdeutschen fremd war (was natürlich für die Sprecher des Urgermanischen erst recht gilt). Wenig überraschend wurde für das, was wir heute unter einem ‚Denker‘ verstehen, zunächst einmal ein lateinisches Lehnwort benutzt - ‚loicus‘ (von mlat ‚logicus‘).
Freundliche Grüße,
Rȃtuuolf