Überstunden- betriebliche Erfordernis?

Hallöchen liebe Wissende,

schon wieder habe ich eine Frage:

Angenommen, Arbeitnehmer findet in seinem Arbeitsvertrag folgenden Passus:

_"
Arbeitszeit
Die Wochenarbeitszeit wird auf 40 Stunden festgelegt.

Mehrarbeit
Im Rahmen der betrieblichen Erfordernisse ist der Arbeitnehmer verpflichtet, Überstunden zu leisten. Grundsätzlich ist sämtliche Mehrarbeit mit dem Gehalt abgegolten. Soweit es die betrieblichen Erfordernisse zulassen, kann der Arbeitnehmer selbständig in Abstimmung mit dem Arbeitgeber für einen Freizeitausgleich sorgen. "_

Jetzt sagt Leih-Arbeitgeber zu AN: „Ich habe mit dem Kunden abgemacht, dass Du bis 2015 an 5 Tagen die Woche 9 1/2 Stunden täglich arbeitest.“

Der Vertrag mit dem Kunden zählt für AG als eine „betriebliche Erfordernis“ für die zu leistende Mehrarbeit, ebenso sei es eine betriebliche Erfodernis, dass kein Freizeitausgleich gewährt werden kann.

Ist sowas rechtens?

Gruß,
Michael

Noch einen oben drauf…
Hallo an die Weisen unter uns,

Jetzt sagt Leih-Arbeitgeber zu AN: „Ich habe mit dem Kunden abgemacht, dass Du bis 2015 an 5 Tagen die Woche 9 1/2 Stunden täglich arbeitest.“

Jetzt habe ich diese Aussage gefunden:
http://www.frag-einen-anwalt.de/Status-Leiharbeit,-F…

Nehmen wir mal an, Arbeitnehmer wäre in ähnlicher Situation wie der Fragesteller in jenem Artikel:
AN benötigt mit dem Auto zum Arbeitssitz, welcher Luftlinie quasi direkt auf dem Weg zum Einsatzort liegt, normalerweise rund 20 Minuten (pro Strecke).
Aufgrund verkehrstechnischer Gegebenheiten benötigt AN für die Fahrt von zu Hause zum Einsatzort rund 2 Stunden (pro Strecke).

Um den im Link geschilderten Fall zu zitieren,
" Sind gemäß der Darstellung […] die 1.5h pro Einsatztag als Arbeitszeit anzurechnen und seitens des Arbeitgebers dem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben?
–> Ja, Fahrten sind grundsätzlich als Arbeitszeit zu vergüten."

Das würde bedeuten, dass auf die 9 1/2 Stunden noch mal 3 Stunden, also insgesamt 12 1/2 Stunden täglich vom Arbeitgeber angeordnet sind - über einen langen Zeitraum, ohne Freizeitausgleich und Überstundenbezahlung.

Bewegt sich AG da nicht schon im Bereich „Verletzung des Arbeitsschutzgesetzes“, was den AG in Bezug auf AÜG §2 (2) und §3(1).1 seine Überlassungserlaubnis kosten kann?
Oder kann er das alles auf die „betriebliche Notwendigkeit“ abschieben?

Gruß,
Michael

naja die Klausel könnte eh unwirksam sein:

http://www.heise.de/resale/artikel/Arbeitsvertragskl…

Gruß

Was heißt unwirksam?
Hallöchen,

naja die Klausel könnte eh unwirksam sein:

Der Artikel ist mir bekannt.
Allerdings ist es ja so, dass durch die Unwirksamkeit eines Teils nicht notwendigerweise die ganze Klausel ihre Gültigkeit verliert.
Der Artikel und dessen zugrunde liegendes Gerichtsurteil beziehen sich auf die pauschale Abgeltung von Überstunden ohne Fixierung eines Umfangs.

Davon unberührt steht jedoch die Frage, ob ein Arbeitgeber aus „betrieblich wichtigen Gründen“ Überstunden anordnen darf (was ihm die Klausel ja ermöglicht) - ob eine bewußte Hinwegsetzung des Arbeitgebers über den Arbeitsvertrag des AN einen derartigen Grund darstellt - und natürlich, ob er eben selben „wichtigen Grund“ auch dazu benutzen kann, den vertraglich vereinbarten Freizeitausgleich dauerhaft außer Kraft zu setzen.

Meine persönliche Meinung ist, dass hier etwas nicht stimmen kann, denn das würde ja heißen, dass ein Arbeitgeber nach Gutdünken einem Mitarbeiter nahezu beliebige über das vertraglich vereinbarte Niveau hinausgehende Arbeitszeit aufbrummen darf, weil „wenn der Chef ohne Rücksprache mit dem AN gegenüber dem Kunden vereinbart hat, dass AN jeden Tag 1,5 Überstunden machen muss, dann ist es notwendig, daß AN das halt auch tut“.

Aber einen juristischen Beleg habe ich für diese Meinung erst mal nicht gefunden?

Gruß und Danke,
Michael

Manchmal gültig
Hallo nochmal,

naja die Klausel könnte eh unwirksam sein:

Auf Heise gibt es aber auch diesen Artikel hier:

http://www.heise.de/resale/artikel/Normalerverdiener…

Dort wird gesagt:
"Wie die Richter weiter erklärten, sei eine Regelung, die die Vergütung von Überstunden ausschließt, vor allem bei Höherverdienern in Ordnung, da sie bereits überdurchschnittlich bezahlt würden. Von so einem Fall sei auszugehen, wenn das Gehalt die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet. Bei diesem Personenkreis wird davon ausgegangen, dass sie nach Erfüllung ihrer Aufgaben und nicht nach geleisteten Arbeitsstunden bezahlt würden. "

Spinnen wir den Garn mal so weiter, dass dies der Fall ist.
Wie sieht es also aus, falls die Person ein Höherverdiener ist, aber eben genau die Forderung des Arbeitgebers nicht nach „Erfüllung ihrer Aufgaben“ sondern explizit nach „Ableistung von Stunden vor Ort beim Kunden“ besteht?

Und wie sieht es aus, wenn die Summe der kumulierten Überstunden so hoch ist, dass würde man auf Stundenbasis rechnen, das tatsächliche Gehalt des AN unterhalb des tariflichen Mindestlohns und die tatsächliche Arbeitsleistung inkl. rechtlich zu vergütender Fahrtzeiten oberhalb von 300 Stunden (was tariflich 2 Vollzeitstellen entspricht) im Monat liegt?
Wäre die Klausel dann trotzdem im Sinne der zitierten Aussage rechtmäßig?

Gruß und Danke,
Michael

Hallöchen,

naja die Klausel könnte eh unwirksam sein:

Der Artikel ist mir bekannt.
Allerdings ist es ja so, dass durch die Unwirksamkeit eines
Teils nicht notwendigerweise die ganze Klausel ihre Gültigkeit
verliert.

Doch, das ist so als ständige Rechtsprechung des BAG zu § 307 BGB

Der Artikel und dessen zugrunde liegendes Gerichtsurteil
beziehen sich auf die pauschale Abgeltung von Überstunden ohne
Fixierung eines Umfangs.

Davon unberührt steht jedoch die Frage, ob ein Arbeitgeber aus
„betrieblich wichtigen Gründen“ Überstunden anordnen darf (was
ihm die Klausel ja ermöglicht)

Das ist grundsätzlich durchaus Teil des Direktionsrechts des AG, derartige Mehrarbeit anzuordnen

  • ob eine bewußte Hinwegsetzung
    des Arbeitgebers über den Arbeitsvertrag des AN einen
    derartigen Grund darstellt

Wo ist die „Hinwegsetzung“ über den Arbeitsvertrag, wenn die Mehrarbeit ausgeglichen wird ?

  • und natürlich, ob er eben selben
    „wichtigen Grund“ auch dazu benutzen kann, den vertraglich
    vereinbarten Freizeitausgleich dauerhaft außer Kraft zu
    setzen.

Ein „wichtiger Grund“ spielt bei Ausgleich von Mehrarbeit erst mal grundsätzlich keine Rolle, daß ist einfach nur dummes Geschreibsel. Es zählt allein was wirksam vereinbart wurde. Wurde gar nix oder aber nix Rechtswirksames vereinbart, hat der AG die Mehrarbeit auszugleichen. Es bleibt ihm höchstens das Wahlrecht, ob in Geld oder in Freizeit.

Meine persönliche Meinung ist, dass hier etwas nicht stimmen
kann, denn das würde ja heißen, dass ein Arbeitgeber nach
Gutdünken einem Mitarbeiter nahezu beliebige über das
vertraglich vereinbarte Niveau hinausgehende Arbeitszeit
aufbrummen darf, weil „wenn der Chef ohne Rücksprache mit dem
AN gegenüber dem Kunden vereinbart hat, dass AN jeden Tag 1,5
Überstunden machen muss, dann ist es notwendig, daß AN das
halt auch tut“
.

Aber einen juristischen Beleg habe ich für diese Meinung erst
mal nicht gefunden?

Zuerst einmal empfiehlt sich der Blick auf § 611 BGB und die umfangreiche dazu ergangene Rechtsprechung.
http://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__611.html

Gruß und Danke,

&Tschüß

Michael

Wolfgang

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Danke und…
Hallöchen,

Doch, das ist so als ständige Rechtsprechung des BAG zu § 307 BGB

Super, der Link hat mir hier geholfen.

Davon unberührt steht jedoch die Frage, ob ein Arbeitgeber aus „betrieblich wichtigen Gründen“ Überstunden anordnen darf (was ihm die Klausel ja ermöglicht)

Das ist grundsätzlich durchaus Teil des Direktionsrechts des AG, derartige Mehrarbeit anzuordnen

Soweit auch kein Widerspruch.
Die Frage ist nur, wenn AG den AN dauerhaft mit 9,5h einplant ist dies grundsätzlich

  • ob eine bewußte Hinwegsetzung
    des Arbeitgebers über den Arbeitsvertrag des AN einen
    derartigen Grund darstellt

Wo ist die „Hinwegsetzung“ über den Arbeitsvertrag, wenn die Mehrarbeit ausgeglichen wird ?

Wikitat: „Das Direktionsrecht wird unzulässig ausgeübt, wenn die Weisungen über den Inhalt des Arbeitsvertrages hinweg gehen.“

Eine bewußte Hinwegsetzung ist es, wenn AG genau weiß, dass AN für 8h/Tag angestellt ist und AN für die nächsten 25 Monate mit 9,5h/Tag verbucht.
Wann soll denn da der zeitnahe Freizeitausgleich stattfinden?

Mit dem „erweiterten Direktionsrecht“ braucht AG ja gar nicht erst anfangen, wenn er bei einem auf 8h/Tag ausgelegten Vertragsverhältnis des AN einen Dauervertrag gegenüber einem Kunden auf 9,5h/Tag Basis unterzeichnet: da kann keiner sagen, das wäre ein nicht vorhersehbarer Notfall. Oder?

Gut, gut, der AG kann ja dem AN noch die Überstunden ausbezahlen wenn AN darauf klagt - aber wenn AN den Arbeitsvertrag eigentlich in der Absicht geschlossen hat, wenigstens einmal die Woche seine Kinder vor dem Schlafengehen zu sehen?

  • und natürlich, ob er eben selben „wichtigen Grund“ auch dazu benutzen kann, den vertraglich vereinbarten Freizeitausgleich dauerhaft außer Kraft zu setzen.

Ein „wichtiger Grund“ spielt bei Ausgleich von Mehrarbeit erst mal grundsätzlich keine Rolle, daß ist einfach nur dummes Geschreibsel. Es zählt allein was wirksam vereinbart wurde.

Also: AN kann einfach auf Ausgleich bestehen und AG bitten, das bitteschön konform mit dem Arbeitszeitgesetz zu realisieren.

Könnte AN vom Vertragsverhältnis zurücktreten, wenn AG auf dauerhafter Erhöhung der Arbeitszeit besteht, jedoch AN auf Erfüllung der 40-Stunden-Klausel besteht?

Wurde gar nix oder aber nix Rechtswirksames vereinbart, hat der AG die Mehrarbeit auszugleichen. Es bleibt ihm höchstens das Wahlrecht, ob in Geld oder in Freizeit.

Hat hier AN nicht auch noch ein Wörtchen mitzureden, ob er das Geld überhaupt als Option sieht?
Insbesondere, wenn er die fehlende Freizeit als schädlich für die eigene Gesundheit (und entsprechend auch: Arbeitskraft) sieht?

Zuerst einmal empfiehlt sich der Blick auf § 611 BGB und die umfangreiche dazu ergangene Rechtsprechung. http://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__611.html

Danke, da ist einiges hinter.

Gruß,
Michael

Hallöchen,

Hallo,:

Soweit auch kein Widerspruch.
Die Frage ist nur, wenn AG den AN dauerhaft mit 9,5h einplant
ist dies grundsätzlich

Das mit dem „bis 2015“ hatte ich überlesen. Das ist dann natürlich keine durch das Direktionsrecht abgedeckte gelegentliche Mehrarbeit, sondern eine dauerhafte Änderung der vertraglichen Wochenarbeitszeit, für die eine Änderungskündigung gem. § 2 KSchG nötig ist
http://www.gesetze-im-internet.de/kschg/__2.html

Wikitat: „Das Direktionsrecht wird unzulässig ausgeübt, wenn
die Weisungen über den Inhalt des Arbeitsvertrages hinweg
gehen.“

Mit Zitaten aus Wikipedia-Artikel würde ich bei Rechtsfragen nie argumentieren, da diese Artikel in ihrer Pauschalität wie auch das obige zu oft irreführend sind.

Also: AN kann einfach auf Ausgleich bestehen und AG bitten,
das bitteschön konform mit dem Arbeitszeitgesetz zu
realisieren.

Mit ArbZG kann hier nicht argumentiert werden, da die Arbeitszeit von täglich 9,5 Std. bei 5-Tage-Woche gesetzeskonform ist.

Könnte AN vom Vertragsverhältnis zurücktreten, wenn AG auf
dauerhafter Erhöhung der Arbeitszeit besteht, jedoch AN auf
Erfüllung der 40-Stunden-Klausel besteht?

Nicht so ohne weiteres, da sollte ein Fachmensch zu Rate gezogen werden.

Wurde gar nix oder aber nix Rechtswirksames vereinbart, hat der AG die Mehrarbeit auszugleichen. Es bleibt ihm höchstens das Wahlrecht, ob in Geld oder in Freizeit.

Hat hier AN nicht auch noch ein Wörtchen mitzureden, ob er das
Geld überhaupt als Option sieht?

NEIN !

Insbesondere, wenn er die fehlende Freizeit als schädlich für
die eigene Gesundheit (und entsprechend auch: Arbeitskraft)
sieht?

Arbeits- und Gesundheitsschutz sind eine weitere, besondere Baustelle. Die Selbsteinschätzung des AN reicht da idR nicht aus

Gruß,

&Tschüß

Michael

Wolfgang