Ueberwachungsstaat - wozu?

Hallo,

wie jeder mitbekommen haben muesste werden die Ueberwachungsmassnahmen der Staatsmacht gegen die Bevoelkerung zunehmend verstaerkt.

Ich frage mich welche Interessen die Staatsmacht damit verfolgt.

Die Geschichte zeigt dass meist nur Regime die Angst vor ihrer Bevoelkerung hatten einen grossen Ueberwachungsapperat betrieben haben.

Dies gibt Sinn da Ueberwachung die Bildung von Protestbewegungen welche evtl. zu einem Umsturz fuehren koennen schon im Keim ersticken kann.

Dies klingt ein wenig theoretisch, deshalb einige Beispiele:

-Wenn Kameras mit Gesichtserkennungssoftware Personen identifizieren welche bereits auf Demonstrationen waren koennen diese von der Polizei aufgegriffen werden wenn mehrere davon auf dem Weg zu einer (nicht genehmigten) Demonstration usw. sind.

-Das Verteilen von Flyern, ankleben von Postern fuer politische Veranstaltungen wird durch Ueberwachung ebenfalls erschwert.

-Durch Verbindungsdatenspeicherung wird aufgedeckt welcher politische Aktivist mit anderen Aktivisten Kontakt hat bzw. wer Aktivist sein koennte weil er einmal von einem Aktivisten angerufen wurde.

-Durch Internetueberwachung werden Programme zur Rasterfahndung gefuettert mit Personen die sich auf Seiten bewegen welche politische Inhalte haben bzw. Personen die anonymisiert surfen.

-Durch Chips im Ausweis kann ein Bewegungsprofil von jedem einzelnen erstellt werden (es reicht ein Chipleser, aehnlich wie er hinter den Ladenkassen zur Abwendung von Diebstahl verwendet wird welcher sich auch leicht in einem geparkten Auto verstecken laesst). (Dies kann bereits durch die Benutzung eines Mobiltelefons geschehen, jedoch sind diese meist anonym.) Dies unterstuetzt die Kameras bei der Identifikation von politisch engagierten Personen.

-Kameras mit Stimmerkennung koennen einzelne Stimmen herausfiltern und Gesprochenes analysieren sowie Stimmen Personen zuordnen (Mundbewegungen), z.B. vergleichen ob die gleiche Stimme schonmal auf einer Demonstration aufgezeichnet wurde.

-Durch Kartenzahlung ist bekannt wer was kauft (politische Literatur, Fahrkarten zu Demonstrationen…) was ebenfalls der Rasterfahndung dient.

-hinzu kommt die Ueberwachung der Autobahnen (Tollcollect) welche die Bewegungsprofile ueber lange Strecken aufzeichnen kann.

Proteste wie kuerzlich im Iran haetten niemals stattfinden koennen wenn das Land bereits mit den neuesten Ueberwachungstechniken ausgestatten gewesen waere.

Die Zukunft der meisten Laender wird so aussehen dass nur von der Staatsmacht tolerierte politische Betaetigung moeglich ist - was einer als Demokratie getarnten Diktatur gleichkommt.

Was denkt ihr davon? Liege ich mit meiner These falsch?

Oder wieso denkt ihr wird der Ueberwachungsapperat ausgebaut?
Um ein paar Straftaten aufzuklaeren? Gegen Terroristen?

Gruss

Desperado

Ich frage mich welche Interessen die Staatsmacht damit
verfolgt.

Interessen? Naja…sieh’s mal so: Unser Innenminister wurde vor langer Zeit Opfer eines schweren Attentats. Da kann man schon mal paranoid werden.

Ich glaube, dass es ein bisschen mehr ist, als nur das, siehe Beispiel UK, die uns da noch weiter vorraus sind auch ohne angeschossene Minister.
Ich denke, das Ganze hat System, zumal sogar Bedrohungen erfunden werden, um das Volk toleranter gegen solche Massnahmen zu machen.

Und ja, Desperado, ich glaube, mit Deinen Fragen bist Du auf dem richtigen Weg.

Warum die Kontrolle?
Ein gemäßigter Ansatz ist der, dass mittel- bis langfristig (und durchaus vorhersehbar schon als der Kontrollwahn seine Anfänge hatte) es Unruhen, wie es immer so schön heisst, geben könnte, weil die Zeit des gesicherten Wohlstandes noch vorbeier ist, als die Meisten es noch ahnen, was mit schöner Regelmäßigkeit zu Schwierigkeiten führt.

Gruß, Zahira

Hallo Olaf,

Ich frage mich welche Interessen die Staatsmacht damit
verfolgt.

Interessen? Naja…sieh’s mal so: Unser Innenminister wurde
vor langer Zeit Opfer eines schweren Attentats. Da kann man
schon mal paranoid werden.

Ja und Nein: Ich glaube dass Schaeuble die Welt nur sicherer machen will und keine undemokratischen Absichten hegt - auch wenn man ihn als Psychopathen betiteln koennte ohne das Wort faelschlich zu verwenden (Warum? - „Das perverse Weltbild des Dr. Wolfgang Schäuble“ von Volker Pispers bei youtube eingeben).

Aber wer sorgt dafuer dass jemand mit solchen „Paranoia“ in eine solche Position kommt?

Andere CDU-Groessen, Lobbyisten, wohlwollende Spender… und diese haben evtl. andere Intentionen als Schaeuble und missbrauchen seine (ehrlichen) Beteuerungen dass er ja nur gegen Kriminelle vorgehen will fuer ihre eigenen Zwecke.

Ausserdem ist Ueberwachung kein deutsches Phaenomen sondern wird in fast allen Laendern ausgebaut (es liegt als nicht an einem Minister) - was auch Sinn macht da die Staaten politisch zusammenwachsen und das der Demokratie weniger gut tut (siehe Artikel im Finanzbrett).

Gruss

Desperado

Hallo Zahira,

stimmte Dir 100% zu.

Warum die Kontrolle?
Ein gemäßigter Ansatz ist der, dass mittel- bis langfristig
(und durchaus vorhersehbar schon als der Kontrollwahn seine
Anfänge hatte) es Unruhen, wie es immer so schön heisst, geben
könnte, weil die Zeit des gesicherten Wohlstandes noch
vorbeier ist, als die Meisten es noch ahnen, was mit schöner
Regelmäßigkeit zu Schwierigkeiten führt.

Ich denke hierbei sollte man fuer den interessierten Mitleser dieser Debatte auch erwaehnen dass der Wohlstand nicht von selbst verschwindet sondern dies auch gewollt und geplant ist. Ich erlebe oft dass Phaenomene wie Globalisierung als nicht veraenderbarer Fakt gesehen werden obwohl es nichts anderes ist als ein paar Gesetzesaenderung welche durch Lobbys angeregt wurden welche daran verdienen.

Gruss

Desperado

Ich erlebe oft dass Phaenomene wie Globalisierung als nicht
veraenderbarer Fakt gesehen werden obwohl es nichts anderes
ist als ein paar Gesetzesaenderung welche durch Lobbys
angeregt wurden welche daran verdienen.

Hm, aber das Thema halte ich schon für mehrschichtiger.
Auch ohne lobbys wäre es m.E. zu einer Globalisierung gekommen, und ich denke uch nicht, dass es der richtige Weg ist, rückwärts zu gehen.
Ob ich Globalisierung auf die Weise , wie sie geschieht toll finde steht auf einem anderen Blatt geschrieben.

Gruß
Zahira

Hallo Zahira,

ich halte im Falle der Globalisierung Rueckschritte fuer Fortschritte fuer die Menschheit - ich habe dazu einen Thread im Finanz- und Wirtschaftsbrett eroeffnet (Weltregierung…). Ich will hier nur nicht alle Argumente gegen die Globalisierung nochmals auflisten.

Gruss

Desperado

Sehenswerter Vortrag (Andrej Holm)& Entwicklung GB
Moin,
ich finde die Entwicklungen gefährlich. Ein Beispiel ist der Fall Andrej Holm.

Andrej Holm wurde 2007 festgenommen. ‚Meistgesuchter Terrorist Deutschland endlich gefasst!‘ hieß es.
Es stellte sich heraus, das BKA hat ‚Gentrification‘ und ‚Prekarisierung‘ gegoogelt, zwei Wörter, die die ‚miltante gruppe‘ (mg) häufig benutzt. Der Berliner Soziologe A.H., der in dieser Richtung forscht wurde daraufhin über ein Jahr observiert, alle seine Kontakte (also ca. 2000) überprüft. Schlussendlich wurde er und zwei weitere Personen festgenommen, der Hafbefehl enthielt unter anderem:

„Die Beschuldigten verfügen über die intellektuellen Fähigkeiten, vergleichsweise anspruchsvolle Texte (wie die mg) zu formulieren“
„… sie haben als Wissenschaftler die Gelegenheit, unauffällig in Bibliotheken zu recherchieren“
„… eine Beteiligung an der Erstellung von Selbstbezichtigungsschreiben ist nicht ausgeschlossen.“

Nicht ausgeschlossen bedeutet, es könnte ja immer sein.

Desweiteren konspiratives Verhalten, wie:

  • Terminverabredung ohne Nennung von Grund, Zeit oder genauer Addresse, also: ‚treffen wir uns wieder in Kneipe x?‘ anstatt ‚wir treffen uns am xy um yx in kneipe x musterstraße 20 um das fußballspiel zu gucken‘
  • Treffen ohne Mobiltelefone
  • Verschlüsselte Emails
  • Nutzung anonymer E-Mail-Addressen (also NICHT vorname.nachname)
  • Nutzung von Internetcafes

Ein sehr sehenswerter Vortrag über das Leben mit der Überwachung gibt Anna List (annalist.noblogs.org), Freundin von AH:
http://media.ccc.de/browse/conferences/sigint09/SIGI…

Es zeigt sich, wie sehr Überwachung die Verhaltensweisen einzelner verändert.

Darüber hinaus lohnt sich ein Blick nach Großbritannien, wo sich jetzt 11 Millionen Leute registrieren lassen müssen, weil sie über mehrere Ecken mit Kindern zu tun haben.
Der Fall GB zeigt auch, wie wenig Überwachung wirklich bringt. Die Vorratsdatenspeicherung bringt laut BKA eine Erhöhung der Aufklärungsquote von 0.006 %, in London ist trotz flächendeckender Videoüberwachung die Aufklärungsquote für Straßenraub nur 3 %. Auf 1000 Kameras kommt somit eine aufgeklärte Straftat. Was wir also gerade in den Nachrichten hören, ist ein absoluter Sonderfall und sollte keinesfalls als Argument für Videoüberwachung gesehen werden.
Es ist sogar gefährlich, denn die Gewerkschaft der Polizei klagt schon jetzt, sie hätte 50 % zu wenig Polizisten. Was, wenn man das Geld statt in Videokameras in Personal setzen würde?

Kurzum: die Entwicklung von verdachtabhängiger Untersuchung hin zu einer präventiven Strafverfolgung ist sehr kritisch zu sehen. Extreme Kosten sowie Einschränkung der Freiheit vieler stehen einem sehr geringen Nutzen gegenüber. Es ist mMn. nicht hinnehmbar, dass der Staat alle Bürger unter Generalverdacht stellt. Es ist doch krank, dass der Staat, welcher vom Bürger legitimiert wird, vor selbigem Angst hat.

Ich habe es hier schonmal geschrieben: wäre die StaSi, wenn sie Regimekritiker nicht inhaftiert und gefoltert hätte, in Ordnung gewesen?

Der Staat will einfach nur einen Gläsernen Bürger und wir als B+ürger wollen eigentlich einen gläsernen Staat. :wink: Das Problem ist, das die Politiker die Macht haben, das Volk zu faul ist sich auf sein Gesetz(„Alle Staatsgewalt geht vom VOlke aus“) zu nutzen und mal zu demonstrieren, wenn dien Politiker blödsinn machen. Macht aber keiner. Naja kaum einer. Leider…