Umgang mit Bindungsängsten - bräuchte Rat

Hallo zusammen,

ich habe ein recht kompliziertes Problem und es wäre ganz toll, wenn ich ein paar Erfahrungswerte bekommen würde…

Ich versuche es mal zu erklären:

Mein Partner und ich führen seit vier Jahren eine tolle Beziehung. Vor meiner Zeit hatte er einen wichtigen Menschen an seiner Seite, der ihn völlig für sich eingenommen und sehr unter Druck gesetzt hat. Letztlich drohte dieser sogar mit Suizid, wenn mein Partner sich nicht so verhielt, wie er es wollte. D.h. es gab Situationen, wo mein Partner besagten Menschen von Hochhausdächern oder Bahngleisen „runterholen“ musste und immer in Angst lebte.
Irgendwann, als er schon lange genug nicht mehr konnte, hat er den „Absprung“ geschafft und alle Kontakte abgebrochen. Er war so resigniert und verzweifelt, dass er sogar einen Suizid der Person in „Kauf“ genommen hätte.

Seither hat er immer wieder Phasen in seinem Leben, während denen er sich von seinem Umfeld abschottet und verkriecht. Das kann auch gerne mal einige Monate dauern. Er verspürt dann einfach einen Druck, den er nicht zu deuten weiss, ja sogar einen richtigen Fluchinstinkt. Er hat für sich die Erfahrung gemacht, dass er das aussitzen kann und es irgendwann wieder vorbei geht.

Und sitze aber ich mit im Boot und er steckt wieder in einer solchen Phase. Er liebt mich,möchte sein Leben mit mir verbringen, kann sich niemand anderen für sich vorstellen - will aber gleichermaßen flüchten.

Das letzte Mal habe ich ihn flüchten lassen - nach 6 Wochen kam er wieder und alles war wieder in Ordnung. Nun hat er gemerkt, dass es wohl doch noch nicht überstanden war.

Ich bin mittlerweile der Meinung, dass seine Flucht dann ja nicht wirklich ein Lösungsweg sein kann. Sein Problem erledigt sich eben nicht, wenn er es einfach aussitzt. Es hat auch eine viel größere Intensität dadurch, dass ich ihm so nahe stehe wie niemand anderes. Eigentlich musste es ja zwangsläufig dazu kommen, dass dieses Problem in der Beziehung mit mir verstärkt auftritt. Ich muss noch mal dazu sagen - es hat mit Lieben oder nicht Lieben nichts zu tun. Es ist wie ein Dämon in seinem Kopf.

Ich denke dass das ein wichtiger Punkt in seinem Leben ist und ich habe das Gefühl, wenn er jetzt vor diesem Problem kapituliert, wir uns vielleicht trennen etc - er noch viel mehr in seinem Leben zerstört, bzw. noch ganz andere Probleme für ihn hinzukommen. Denn sein Dämon wird ihn immer wieder ereilen - sei es nun mit mir, oder in irgendeiner anderen Partnerschaft. Es wäre so tragisch, wenn er sich selbst so zerstört - denn das hat er nicht verdient.

Manchmal denke ich, wir müssen es jetzt einfach völlig anders anpacken. Weglaufen hilft bekanntlich nichts. Also müssen wir uns dem stellen - er muss sich dem stellen, damit es ihm wieder besser gehen kann.

Ich weiss nur einfach nicht wie ich das anstellen soll, was ICH tun kann - denn ich weiss dass ich jetzt eine Art „Schlüsselfigur“ bin.

Himmel, das klingt vielleicht alles ziemlich vermurkst - aber kann irgendwer mir etwas dazu sagen? Das wäre lieb…

Vielen Dank!
Chrisi

Hi Chrisi!

Dein Partner stand zu seiner vorherigen Partnerin in einer gewissen Abhängigkeitsbeziehung und hat sich deshalb immer wieder von ihr emotional erpressen lassen. Immerhin hat er erkannt, dass er sich daraus lösen musste und konnte das auch umsetzen. Allerdings hat er in gewisser Weise psychischen Schaden davongetragen. Ist auch kein Wunder.

Dieses Problem kannst du nicht lösen, egal, ob du eine Schlüsselfigur bist oder nicht.

Er wird dieses Problem ganz offensichtlich auch nicht lösen können, denn seine bisherige Strategie - Flucht - ist keine Lösung, die dauerhaft funktioniert.

Ich bin der Meinung, dass er sich professionelle Hilfe suchen sollte. Spricht etwas dagegen?

Gruß, Flaschenpost

hallo,

die „lösung“ (zumindest den ansatz dazu) hast du selbst bereits formuliert:

  • flucht ist keine lösung
  • ER muß sich der schwierigkeit stellen
  • er hat bereits erkannt, daß es ein problem gibt und worin dies liegt

es ist an ihm, hilfe in anspruch zu nehmen - professionelle hilfe. das kannst und darfst du auch gar nicht leisten.
was du tun kannst, ist, ihn sanft darauf vorzubereiten, ihn zu begleiten, ihn zu unterstützen und ihm das gefühl zu geben, daß er, wenn er das umsetzt, auf einem guten weg für euch beide ist.
das ist „alles“ - aber das ist sehr, sehr viel!

viel glück!
saludos, borito

Dein Partner stand zu seiner vorherigen Partnerin in einer
gewissen Abhängigkeitsbeziehung und hat sich deshalb immer
wieder von ihr emotional erpressen lassen.

Hallo,

und jetzt erpresst er selbst, wenn ich es richtig sehe. Und einen Dämon haben bzw von dem geritten zu werden halte ich für eine schlechte Erklärung.

Ich glaube nicht, dass die frühere Beziehung etwas mit dem Verhalten zu tun hat; das halte ich eher für eine Ausrede.

Das Thema könnte heissen: „Erwachsen werden“

Ich denke, da sollte man Grenzen ziehen und klar ansagen: So weit und weiter nicht!

Alles Gute

PW

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Hallo Chrisi.

Wenn du eine Schlüsselperson bist, habe ich den Eindruck, dass sich dein Partner schon wieder zu stark gebunden hat.

Dass ihm sein eigenes Verhalten dann manchmal derart gegen den Strich geht, dass er „fliehen“ muss, wundert mich nicht.

Wie Christine bin ich der Meinung, dass hier nur eine psychologische Behandlung helfen kann.

Gruß, Nemo.

Hi Flachenpost,

nein, es spricht nichts gegen professionelle Hilfe. Im Moment möchte er aber mit niemandem sprechen.

Es ist, als würde er in einer tiefen Depression stecken. Er sieht überhaupt kein Land mehr, ist gar nicht mehr zugänglich. Zusätzlich eher abweisend.

Ich habe das Gefühl, dass er die Beziehung beenden könnte - einfach weil er das nicht mehr ertragen kann. Dass wieder andere Zeiten kommen können und er das auch bitter bereuen könnte, sieht er momentan nicht.

Es ist völlig paradox - ich bekomme gesagt, dass ich die Frau seines Lebens bin, er sich niemals eine andere vorstellen könnte,er mich liebt etc. - und dann im nächsten Moment " meinst Du, wir könnten auch eine Freundschaft haben?" - andererseits habe ich ihn gefragt, ob er weg will und ich ihn irgendwo hinfahren soll. Das will er wiederum nicht. Auch nicht, dass wir getrennt schlafen.

Das ist alles ein völliger Alptraum. Ich würde ihn am Liebsten schütteln.

Chrisi

Hallo,

ich glaube nicht, dass er mich erpresst - letztlich fordert er ja nichts von mir.
Und ich denke sehr wohl, dass solche Erlebnisse auch Auswirkungen auf spätere Bindungen haben.

„Bis hier hin und ich weiter“ kann ich ihm leider nicht sagen - ich liebe ihn zu sehr. Und wahrscheinlich habe ich meine Grenzen noch nicht erreicht.

Manchmal denke ich, ich sollte vielleicht einfach mal verschwinden… aber das wird das Problem nicht lösen. Denn es liegt ja nicht an mir.

Liebe Grüße,
Chrisi

Was mich persönlich an dieser Stelle interessiert: in welchem Verhältnis stand dieser „wichtige Mensch“ zu deinem Partner. Ich denke das spielt schon eine wichtige Rolle.

Hallo,

es war der beste Freund. Die beiden hatten aber fast schon so etwas wie eine „Symbiose“ - zumindest stellt sich das in Erzählungen so dar.

Gruß,
Chrisi

ich glaube nicht, dass er mich erpresst -

„Bis hier hin und ich weiter“ kann ich ihm leider nicht sagen

  • ich liebe ihn zu sehr.

Hi,

ja wenn das für Dich ok ist … dann alles Gute.

Gruss
PW

Hallo,

gut, dass du nachgefragt hast.

Ich denke das spielt schon eine wichtige Rolle.

Befinde ich auch.

Franz