Umgang mit Demenz bei Hirntumor

Hallo,

wie reagiert man am besten auf verwirrte Sätze von dementen Menschen mit einem Hirntumor?
Ein Beispiel: Er sagt ohne Zusammenhang, dass die Zimmerdecke viel zu hoch ist. Er fragt, ob wir genug Kronen zum bezahlen dabei haben etc. Im Fahrstuhl fragt er plötzlich, ob die Fähre schon angelegt hat.

Gar nicht darauf eingehen? Verbessern und erklären? Seine Sätze ernst nehmen (also das Gespräch mit der Zimmerdecke aufgreifen)?
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass er überhaupt weiß, was er da eben gesagt hat?

Vielleicht könnt ihr mir Anregungen geben, wie man mit dementen Menschen ein Gespräch (soweit es geht) führen kann. Ich habe gelesen, dass demente Menschen sich meist an früher erinnern können. Doch ich vermute, bei einem Hirntumor sieht es wieder etwas anders aus.

Wenn jemand zusätzlich eine Idee hat, über welches Mitbringsel er sich in diesem Zustand freuen könnte, dann dürft ihr das gerne schreiben. Ich dachte zunächst, an ein Bild von mir (er hat kein aktuelles).

Gruß
Tato

PS: Ich hoffe, dieses Brett ist halbwegs richtig. Ich würde es gerne aus der psychologisch-professionellen Sicht betrachten, ohne mir bis zum Besuchstermin noch zahlreiche Bücher zum Thema Demenz durchlesen zu müssen.

Hallo Tato!

Ich habe keine Ahnung, wie man sich „richtig“ verhält, aber wir sind immer noch am besten gefahren, indem wir dem Dementen in jeglicher Hinsicht recht gegeben haben und ihm versprochen haben, uns um jedes seiner geäußerten Anliegen zu kümmern. In den von Dir genannten Beispielen würde ich also bestätigen, dass die Zimmerdecke viel zu hoch ist. Und natürlich hätte ich genügend Kronen dabei, und die Fähre hätte auch schon angelegt.

Meines Erachtens geht es in solchen Momenten ausschließlich darum, das seelische Wohlbefinden des Patienten zu gewährleisten. Der Kranke soll beruhigt werden, er soll sich keine Sorgen machen und nicht mit irgendwelchen Problemen herumschlagen. Erleichtert ihm das Leben, indem Ihr ihm zu verstehen gebt, dass Ihr Euch um alle Belange kümmert. Hinweis auf die Realität und daraus resultierender Streit verschlechtert unnötig das Klima und belastet alle Beteiligten.

Hanna

Hallo Tato,

wie reagiert man am besten auf verwirrte Sätze von dementen
Menschen mit einem Hirntumor?

Wie bei einem anderen Dementen auch. Der Grund für die Demenz ist beim psychosozialen Umgang egal.

Immer bestätigen, stabilisieren und von Fall zu Fall ablenken.

Ein Beispiel: Er sagt ohne Zusammenhang, dass die Zimmerdecke
viel zu hoch ist. Er fragt, ob wir genug Kronen zum bezahlen
dabei haben etc.

Ja, klar. Wenn das öfter kommt, dann nimmst Du Kronen mit bzw. läßt ihm eine Geldbörse mit ein paar Kronen da.

Im Fahrstuhl fragt er plötzlich, ob die Fähre
schon angelegt hat.

Ja, klar - ihr seid gerade unterwegs zur Fähre. Kurze Zeit später wird er das vergessen haben.

Gar nicht darauf eingehen? Verbessern und erklären?

Hier ist ein Beispiel:
http://myblog.de/alzheimer/archiveofmonth/2005/08/00

Keinesfalls verbessern oder erklären - das bringt nix. Ist nur zusätzlich angstauslösend.

Google mal unter „Validation“ - das ist ein wichtiges Konzept im Umgang mit Dementen.
Weitere Tipps findest Du auch auf der Website der Alzheimer-Angehörigen-Initiative
http://www.alzheimerforum.de/
und im Alzheimer-Weblog:
http://www.myblog.de/alzheimer

Seine

Sätze ernst nehmen (also das Gespräch mit der Zimmerdecke
aufgreifen)?

So gut Du kannst. Oft dauert es eine Zeit, bis man draufkommt, was gemeint ist.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass er überhaupt weiß,
was er da eben gesagt hat?

Irgendetwas will er mitteilen / verarbeiten.
Emotional wichtige Sachverhalte werden behalten.

Vielleicht könnt ihr mir Anregungen geben, wie man mit
dementen Menschen ein Gespräch (soweit es geht) führen kann.

Siehe oben

Ich habe gelesen, dass demente Menschen sich meist an früher
erinnern können. Doch ich vermute, bei einem Hirntumor sieht
es wieder etwas anders aus.

Es gibt unterschiedliche Formen der Demenz. Dass viele Inhalte im Langzeitgedächtnis gespeichert sind, aber andererseits das Kurzzeitgedächtnis nur noch wenig funktioniert, ist aber allen Formen der Demenz gleich.
Unterschiedlich ist, wie lange die sprachliche Kommunikationsfähigkeit erhalten bleibt und wie lange das Sozialverhalten (im Sinn des Wissens um soziale Konventionen) möglich ist.

Wenn jemand zusätzlich eine Idee hat, über welches Mitbringsel
er sich in diesem Zustand freuen könnte, dann dürft ihr das
gerne schreiben.

Das was früher wichtig war, könnte ein Anhaltspunkt sein. Wenn er gern Schokolade mochte, bring ihm Schokolade mit …

Ich dachte zunächst, an ein Bild von mir (er
hat kein aktuelles).

Bring ihm ein altes und ein aktuelles Bild mit. Es kann sein, daß wenn Du wieder weg bist - er das aktuelle Bild nicht mehr erkennt. Vergrößere das Bild und laminiere es, damit es haltbarer ist. Das verhindert auch, daß er das Bild zerreißt, wenn er in einem Verwirrungszustand nichts damit anfangen kann.

Wenn Du den Dementen länger betreust, wäre vielleicht Austausch in der Alzheimer-Mailingliste sinnvoll:
http://www.alzheimerforum.de/mailing/listen.html

Alles Gute und viele Grüße

Iris

Hallo,

ich bin kein Psychologe, aber ich habe berufsbedingt oftmals Kontakt mit Erkrankten.
Da hilft mir ein Foto der Angehörigen, dass an der Wand hängt. Ich kann den Patienten darauf ansprechen. Ab und an erhalte ich eine Reaktion.

Persönlich gehe ich auf die Gespräche ein. Ich lebe in der Realität des Erkrankten, weil ich das Gefühl habe, dass es dem Patienten damit gut geht.

Das Positive dieser Krankheit, so erlebe ich es, ist, dass der/die Betroffene keine Schmerzen hat. Andere Patienten in der Altersgruppe klagen über Schmerzen in Knie, Rücken etc… Aber Demenzerkrankte nicht.

Ich denke, dass jede Art von Zuwendung und Zärtlichkeit gespürt wird. Deshalb finde ich es wichtig, dass du dich nicht zurückhälst und in den Arm nimmst und streichelst. Ich bemerke bei meinen zeitlich begrenzten Kontakten, wie positiv auf Körperkontankt reagiert wird.

Gruß
jederman

Hallo,

Wir hatten das bei meiner Mutter auch (Hitnutumor plus Demenz) - es war für uns sehr schwierig, angemessen zu reagieren. Zu Beginn hab ich immer versucht, sie zu „verbessern“ und sie wieder in „meine Welt“ zu ziehen. Das war für alle Seiten sehr, sehr anstrengend.

Ich hab dann ein sehr gutes Gespräch mit einem Altenheimleiter gehabt. Er wies darauf hin, dass man versuchen sollte, den Gefühlsgehalt hinter den Äußerungen zu verstehen. Ist der Kranke z.B. ängstlich oder fühlt er sich „eigentlich“ ganz wohl. Und auf diesen Gefühlsgehalt kann man dann eingehen, alos z.B. sich mit ihm freuen oder ihn beruhigen.

Sehr, sehr gut war auch der Tipp, klassische Musik vorzuspielen. Das hat meine Mutter super beruhigt, so dass Pflege überhaupt erst möglich wurde. Die Pflegerinnen haben dann immer Vivaldis 4 Jahreszeiten angemacht - und dann ging es ganz gut.

Man kann auch Berührungen „anbieten“. Also z.B. die Hand des Dementen auf die eigene Hand legen, aber so, dass er sie jederzeit wegziehen kann, wenn er dies möchte. Oder leicht über den Arm streicheln. Dann kommt menschliche Wärme - auch ohne Worte - an.

Bilder und Fotos aus der eigenen Jugend können u.U. auch ganz gut sein. Meine Mutter war aber schon so in einer anderen Welt, dass sie zwar jeden auf den Fotos erkannte, aber überhaupt keine Lust hatte, sich die Fotoalben überhaupt anzusehen.

Zum Thema Mitbringsel: Manche Demente haben viel Vergnügen an Süßigkeiten. Man muss natürlich nachfragen, ob von medizinischer Seite aus nichts dagegen spricht. Allerdings muss man u.U. „vormachen“, wie das mit dem Essen geht. Meine Mutter wusste zum Schluss nicht mal mehr, was sie mit Löffel oder Gabel machen sollte. Wenn ich ihr das vormachte, klappte es einigermaßen. Auch gut: Klassische Musik (s.o.) Ggf. auch ein Kinderliederbuch, das Ihr gemeinsam singt. (Das hat meine Mutter damals sehr gefreut!!)

Alles, alle Gute!!!
Anne

Hallo,

Danke für die Antworten. Wir waren ihn heute besuchen und es lief eigentlich ganz gut.
Sein Zustand verschlechterte sich jedoch so rapide, dass meine Gedanken über die Gesprächsführung von den Sorgen über ihn überdeckt wurde. Mittlerweile redet er nur noch wirr, vor einer Woche hingegen überwogen noch die wacheren Momente. Er hat mich auch nicht mehr erkannt und hat stark abgebaut.
Alles Mist.

Gruß
Tato