Umgangsrecht bei Obdachlosigkeit

Hallo Rechtsgelehrte,

nehmen wir einmal folgenden fiktiven Fall an:

Frau F und Herr M leben in eheähnlicher Gemeinschaft und haben ein gemeinsames Kind K im Kleinkindalter.

Da die Beziehung schon seit geraumer Zeit zerrüttet ist, trennt sich F von M. F bietet aber M an, noch in der bislang gemeinsam genutzten (allerdings von F angemieteten) Wohnung verbleiben zu können, bis er eine eigene gefunden hat, und ist ihm auch bei der Suche behilflich; sie tut dies ausdrücklich, damit er in der Nähe bleiben und den Kontakt zu dem Kind aufrecht erhalten kann.

Trotzdem zieht M in einer Nacht- und Nebelaktion mit nur wenigen Kleidern und ohne sich von K zu verabschieden aus und meldet sich beim Einwohnermeldeamt als ‚ohne festen Wohnsitz‘ an. Zunächst kommt er bei einem Bekannten unter, nach ein paar Wochen aber ist er de facto obdachlos; dabei spricht er stark dem Alkohol zu. Er meldet sich mehrere Monate lang nur sporadisch per Telephon, und bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen K ihm zufällig begegnet, ist er nahezu nicht ansprechbar und erscheint hochgradig verwahrlost,

Das Kleinkind K reagiert auf das plötzliche Verschwinden seines Vaters, zu dem es bislang ein enges Verhältnis hatte, mit starken Verlustängsten, und es dauert einige Monate, bis sich sein Verhalten wieder normalisiert hat.

Nach etwa einem Jahr meldet sich M, der immer noch obdachlos ist, wieder bei F und verlangt sein Kind zu sehen; F befürchet, dass K durch den Kontakt mit dem verwahrlosten, alkoholabhängigen Vater erneut traumatisiert wird, und verweigert dies. M kündigt nun an, sein Umgangsrecht mit Hilfe eines Anwaltes (der ihn bereits in einer anderen Angelegenheit vertritt) durchsetzen zu wollen.

Aus diesem Sachverhalt ergeben sich nun folgende Fragen:

  1. Muss auch dann das Umgangsrecht gewährt werden, wenn für das Kind, wie in diesem Fall geschildert, eine Begegnung mit dem Vater in dessen derzeitigen Zustand äußerst belastend wäre?

  2. Könnte F, sollte das Umgangsrecht gewährt werden müssen, darauf bestehen, dass die Begegnungen auf neutralem Boden (z.B. in den Räumen des Jugendamtes) und unter der Aufsicht eines (kinder)psychologisch geschulten Dritten stattfinden?

  3. Sollte M beschließen, nicht den Weg über den Anwalt zu wählen, sondern einfach persönlich vor der Wohnungstür zu erscheinen - dürfte F in diesem Fall die Polizei rufen? M hat sie bereits per Telephon bedroht, wofür es natürlich aber keine Zeugen gibt; allerdings ist M mehrfach wegen gefährlicher Körperverletzung vorbestraft.

Und eine kleine Nebenfrage am Rande: Ist F verpflichtet, die in der Wohnung verbliebenen persönlichen Gegenstände des M aufzubewahren, und wenn ja, wie lange?

Besten Dank schon einmal für Eure kenntnisreichen Antworten

=^…^=
Katze

Hallo!

Eltern können und sollten sich in Fragen des Umgangsrechts vom Jugendamt beraten und unterstützen lassen, besonders in problematischen Fällen. Dies gehört zu den Aufgaben des Jugendamts.

Wenn ein Elternteil sich zur Durchsetzung seines Umgangsrechts von einem Rechtsanwalt vertreten lässt, sollte der andere Elternteil ebenfalls einen Rechtsanwalt, am besten einen Fachanwalt für Familienrecht, mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragen. Wenn dieser Elternteil aus wirtschaftlichen Gründen die Kosten des Rechtsanwalts nicht aufbringen kann, kann er Beratungshilfe in Anspruch nehmen. Die meisten Rechtsanwälte werden ihrem künfigen Mandanten bei der Beantragung von Beratungshilfe behilflich sein.

Können sich Eltern auch mit Hilfe des Jugendamts und nach Einschaltung von Rechtsanwälten nicht über die Ausübung des Umgangsrechts einigen, wird auf Antrag desjenigen, der das Umgangsrecht beansprucht, das Familiengericht über die Art und Weise der Ausübung des Umgangsrechts entscheiden.

Wer hat das Sorgerecht?

LG Belle

Hallo,

zunächst eine kleine Korrektur:

bei denen K ihm zufällig begegnet

Natürlich war F gemeint - das Kind hat den Vater seit dessen Verschwinden nicht mehr gesehen.

Es bestand ursprünglich gemeinsames Sorgerecht, inzwischen wurde aber der Mutter das alleinige Sorgerecht zugesprochen - der Vater ist nicht bei dem Gerichtstermin erschienen.

So weit ich weiß, hat aber doch das Sorgerecht nichts mit dem Umgangsrecht zu tun, oder?

Beste Grüße

Katze

Hallo,

so weit, so klar.

F würde sich nur gerne bereits im Vorfeld erkundigen, zumal das Umgangsrecht des Vaters ja in der jüngeren Vergangenheit gestärkt wurde und in der Literatur bzw. bei Google der Sonderfall mit der Obdachlosigkeit nicht vorzukommen scheint.

Darüber hinaus wäre es F besonders wichtig zu klären, welche Möglichkeiten sie hätte, falls - was sehr viel wahrscheinlicher als der Weg über den Anwalt ist - M einfach vor ihrer Tür stünde und das Kind zu sehen verlangte.

Beste Grüße

Katze

Hallo!

Die Mutter kann sich weigern, dem Vater, der sein Umgangsrecht ausüben möchte, das Kind zu übergeben. Gegebenenfalls muss sie ihr Verhalten rechtfertigen können, zum Beispiel damit, dass dem Kind durch den Umgang mit seinem Vater eine Gefährdung droht.

Ob sie im Hinblick darauf, dass der Vater ein Recht auf Umgang mit seinem Kind und übrigens auch das Kind auf Umgang mit seinem Vater hat, die Ausübung des Umgangsrechts durch den Vater einschränken oder gar ganz ausschließen darf, kann meines Erachtens nicht in einer „Ferndiagnose“ beantwortet werden. In solchen Fällen einen Rat zu erteilen, gehört gerade zu den Aufgaben des Jugendamts.

Das Jugendamt wird auch einen Rat geben können zu der Frage, ob die Mutter verpflichtet sein kann, das Kind dem Vater zu jedem Zeitpunkt zu übergeben, wenn er gerade vor der Tür steht, oder ob nicht die Art und Weise, vor allem auch der Zeitraum der Ausübung des Umgangsrechts zwischen den Eltern abgesprochen werden muss.

Gruß, Franz

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Hallo Franz,

Darüber hinaus wäre es F besonders wichtig zu klären, welche
Möglichkeiten sie hätte, falls - was sehr viel
wahrscheinlicher als der Weg über den Anwalt ist - M einfach
vor ihrer Tür stünde und das Kind zu sehen verlangte.

Bei diesem Punkt geht es F nicht so sehr um die Ausübung des Umgangsrecht, sondern vielmehr darum, ob es ihr möglich wäre, in solch einem Fall z.B. die Polizei zu rufen, da er ihr bereits telephonisch gedroht hat, sie umzubringen, er auch zur Gewalttätigkeit neigt und die Situation in einem solchen Fall leicht eskalieren könnte (aber eben bevor es eskaliert).

Bislang liegt kein Stalking vor, so dass die entsprechenden Regelungen wohl nicht greifen; würde er versuchen, in die Wohnung einzudringen, wäre die Sachlage auch klar - wie wäre es aber z.B., wenn er auf der Strasse vor dem Haus stünde und lautstark seine Meinung von ihr im Allgemeinen und Besonderen verkünden würde? F würde gerne vermeiden, dass das Kind M in dieser Form erleben muss.

Beste Grüße

Katze