Umgangsrecht für Großeltern

Ich habe mein Enkelkind bis vor kurzer Zeit regelmäßig betreut, nun verweigern die Mutter den Umgang. Das Kind leidet u. droht wegzulaufen oder sogar vom Balkon zuspringen. Mit der mutter ist kein Gespräch möglich.
Wer kann da eventuell aus eigener Erfahrung helfen

Außergerichtlicher Handlungsansatz für betroffene Großeltern, um ohne anwaltliche Vertretung den Umgang herzustellen.

Wenn die Partnerschaft von Eltern endet, sich diese bedingt durch ihre neue Situation umorientieren, neue Rollen eingenommen werden, tangiert das ebenso die Großeltern von Trennungskindern. Und zwar in nicht zu vernachlässigendem Maße. Nicht selten wird im Fall von Trennung oder Scheidung ein Großelternpaar, gewollt oder ungewollt, von Ihren Enkeln ausgegrenzt und entfremdet. Im nachfolgenden Artikel möchte ich diese Thematik näher beleuchten, auf familien- rechtliche Umgangsansprüche von Kindern und Großeltern eingehen und anhand eines konkreten Handlungsansatzes einen Vorschlag für die Wiederherstellung oder Verbesserung des Umgangs anbieten.

Viele Großeltern widmen sich der Entwicklung ihrer Enkel mit großer Hingabe und Aufmerksamkeit – umso ungerechter empfinden Sie im Falle einer Trennung der Eltern, den eingeschränkten Kontakt. Oft werden sie im Streit der Eltern instrumentalisiert oder in ihren Intentionen falsch dargestellt. Jährlich verlieren in der BRD Hunderttausende Betroffene den Kontakt zu den Enkeln. Die Folge ausbleibenden Umgangs ist eine bemerkbare Abnahme der Bindung und massive Gefahr der Entfremdung. Um diesem Prozess vorzubeugen bzw. entgegen zu wirken empfehle ich betroffenen Omas und Opas zeitnah die moderate Auseinandersetzung zu suchen. Seien Sie sich Eines bewusst: die Zeit arbeitet in diesem Fall nicht für Sie!

Der Gesetzgeber kennt diese Problematik - So wird die starke Bindung von Kind und Großeltern beispielsweise durch § 1685 Absatz 1 BGB anerkannt und ein beidseitiger Anspruch auf angemessenen Umgang gesetzlich begründet. Art und Umfang dieses Umgangs sollte sich, so wird zusätzlich in § 1626 Absatz 3 BGB ausgeführt, am Kindeswohl orientieren und die kindliche Entwicklung fördern. Es besteht also ein genereller Rechtsanspruch – praktisch durchsetzbar ist dieser jedoch nur auf Umwegen. Hier treten Mängel im derzeit angewandten Familienrecht zutage.

Art und Intensität der Bindung zwischen Enkeln und Großeltern werden durch Professionen, wie dem Jugendamt, Verfahrens- beiständen, Familienrichtern usw. als Maßstab für eventuelle Beschlüsse herangezogen. Es stellt sich diesen Stellen die Frage: ist eine Intervention im Sinne der Schaffung von „Umgangsräumen“ entscheidend für die psychische Gesundheit des Kindes, dient sie der kindgerechten Entwicklung und einem vernünftigen Aufwachsen?

Und eben hier liegt der konkrete Handlungsansatz, welchen ich nun ausführlich darlegen möchte. Basierend auf der Annahme, eine konstante und sichere Bindung zu Bezugspersonen wie den Großeltern bedeutet für das Kind eine Bereicherung und sichert dessen Entwicklungschancen additiv ab, sollten von Umgangsentzug betroffene Großeltern nicht zögern aktiv zu werden. Es sei noch Eines bemerkt: es spielt keine Rolle welcher Art die ehemals bestehende Beziehung der Kindseltern ausgeformt war. Solange eine anerkannte Elternschaft vorliegt und eine zuvor bestehende Bindung zum Enkel existierte, lässt sich nachfolgende Handlungsstrategie praktizieren!

Wichtig bei der Umsetzung ist Ihr unbedingter Wille zur Aufrecht- erhaltung bzw. Verbesserung der Beziehungen zu Ihrem Enkelkind. Ein eloquentes Auftreten, gegenüber allen im Umsetzungsprozess beteiligten Parteien, bei jederzeit eingehaltener Distanz und Förmlichkeit ist zwingend notwendig. Sie brauchen, seien Sie sich dessen stets bewusst, viel Selbstdisziplin und einen langen Atem, Geduld sowie Ausdauer. Es wird sich aber lohnen!

Gegebenenfalls treten im Umsetzungsprozess der von mir ange- ratenen Handlungsstrategie weitere Fragen oder ungewöhnliche Ereignisse auf. Zögern sie in diesem Fall nicht mich oder einen anderen Vertreter der GLEICHMASS e.V. anzusprechen und um Rat zu ersuchen. Wir helfen Ihnen gern weiter. Gefährden sie keine Zwischenergebnisse durch Frustratation über einen eventuellen Rückschlag. Es geht immer weiter - wenn man will und die nötige mentale Kraft aufbringt. Diese sollten Sie, wie eingangs bereits erwähnt, mitbringen. Es geht um viel - es geht um Ihr Enkelkind.

Bevor Sie beginnen zu agieren, sollten Sie etwas Abstand zu aktuellen Auseinandersetzungen gewinnen. Nehmen Sie sich für ein paar Tage raus, dann kann es wie folgt los gehen:

Nehmen Sie mehrfach, persönlichen, ggf. schriftlichen Kontakt zu beiden Elternteilen auf. Versuchen Sie die derzeit praktizierte Umgangsregelungen durch konkretes Erfragen im Detail zu erfassen.

Weisen Sie beide Elternteile auf die bestehenden Defizite im Umgang mit Ihrem Enkelkind hin und thematisieren Sie die negativen Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes anhand konkreter Beispiele und untermauern Sie diese ggf. mit Ihren Beobachtungen.

Versuchen Sie im Vorfeld weiterer Maßnahmen eine Einigung mit den Eltern zu erreichen. Oft hat z.B. der nichtbetreuende, aber umgangsberechtigte Elternteil ein Einsehen und gibt von seinem „Umgangskontingent“ Teile für Zeit zwischen Kind und Großeltern frei. Vorsicht: Formulieren Sie diesen angestrebten Umgangszeitraum angemessen. Das ein Enkel nach Monaten der Trennung nun permanent bei den Großeltern ist, wäre unrealistisch. Alles ist ausbaubar, tritt eine gewisse Routine ein.

Sollte dies nicht möglich sein, aber ein Umgang seitens des nichtbetreuenden Elternteils stattfinden, klären Sie in wie weit dieser Bemühungen zur Ausweitung des elterlichen Umgangs und späteren Teilung mit Ihnen, mittragen bzw. aktiv unterstützen würde. Ich möchte hier auf eine gewisse Besonderheit im Familienrecht hinaus: Ist ein Antrag auf Ausweitung des elterlichen Umgangs begründet gestellt, so sollte dieser immer größer dimensioniert geäußert werden, da im Einigungsverfahren häufig Kompromisse (Vergleiche) als Lösung herangezogen werden. Damit nach einem solchen " Deal", eine Ausweitung stattfindet, sollte man also zunächst erhöhte Forderungen stellen, die sich dann von selbst relativieren.

Haben Sie mit Ihren Bemühungen bei den Eltern keinen Erfolg, bleibt Ihnen der Weg selbst als Akteur bei Ämtern aufzutreten. Dokumentieren Sie anhand von Kalendereinträgen gemeinsame Aktivitäten und legen Sie Fotoalben an, um die Bindung zum Kind genau zu dokumentieren. Sie tragen nun Ihr Anliegen der zuständigen Abteilung Jugendhilfe im Jugendamt (am Ort des gewöhnlichen Lebensmittelpunktes des Kindes) vor. Formulieren Sie ein ausführliches Schreiben, möglichst objektiv und förmlich, indem Sie Ihre Situation darlegen. Im Vorfeld sollten Sie versuchen, telefonisch den zuständigen Sachbearbeiter heraus zu recherchieren. In der Regel wird Ihnen eine entsprechende Auskunft erteilt. Wählen Sie als Versandform Ihres Schreibens Einschreiben mit Rückschein. Auf Wunsch stehen wir Ihnen bei
der Erstellung eines entsprechenden Schriftsatzes zur Seite.

Etwa eine Woche nach Eingang des Schreibens im Jugendamt sollten Sie den Vorgang nachtelefonieren. Lassen Sie sich nicht abwimmeln! Sie sollten als Resultat aus dem Telefonat mit dem zuständigen Sachbearbeiter, einen Termin für ein persönliches Gespräch heraus argumentieren. Eine gewisse Wartezeit bis zum Gesprächstermin ist normal.

Wenn Sie Ihr Anliegen der Jugendhilfe des Jugendamtes vortragen, sollten Sie um eine konstruktive, lösungsorientierte Atmosphäre bemüht sein. Der Ton macht die Musik! Im besten Fall lässt sich der Sachbearbeiter von der Notwendigkeit zu Handeln überzeugen, und lädt das betreuende Elternteil aus gegebenem Anlass zum Dreiergespräch. Das Jugendamt ist im Allgemeinen neutral - erwarten sie also keine Parteilichkeit. Erfragen Sie zum Abschluss des Gesprächs ein Protokoll. Es sollte Ihnen postalisch zugehen.

Bereiten Sie sich mental gut auf das bevorstehende Dreiergespräch vor. Versuchen Sie sich in Ihr Gegenüber hinein zu versetzen. Legen Sie Emotionen bezüglich vorangegangener Ereignisse möglichst ab. Ihr Ziel ist das betreuende Elternteil davon zu überzeugen, dass es Umgang zwischen Ihnen und Ihrem Enkel zulässt. Berufen Sie sich auf die dokumentierte Bindung und den gegenseitig bestehenden Rechtsanspruch. Positionieren Sie sich eindeutig, lassen Sie keinen Zweifel aufkommen beim Scheitern außergerichtlicher Auseinandersetzungen den Klageweg einzuschlagen - selbst wenn Sie es nicht vor haben. Manchmal muss man „bluffen“ um sein Gegenüber zum Handeln zu bewegen.

Lassen Sie es nicht zum Streitgespräch eskalieren. In der Regel sorgt dafür aber auch der anwesende Jugendamtsmitarbeiter. Verhärten sich die Fronten, seien Sie diplomatisch, um einen Gesprächsabbruch zu umgehen. Sollten Gesprächsergebnisse zustande kommen, die als Verbesserung zur derzeit bestehenden Situation gewertet werden können, lassen Sie sich diese in jedem Fall durch das Jugendamt schriftlich, in Form eines Ergebnis- protokolls dokumentieren. Achten Sie auch darauf das der Jugendamtsmitarbeiter Notizen zum Gespräch macht. Sollte das nicht der Fall sein, sprechen Sie Ihn höflich aber bestimmt darauf an und lassen sich den Umstand erklären.

Jugendamt und betreuendes Elternteil habe spätestens jetzt registriert, wie wichtig Ihnen der Umgang mit dem Enkel ist. Zudem ist Ihr Bemühen dahingehend nun beim Jugendamt aktenkundig. Lassen Sie etwa eine Woche vergehen, damit die Eindrücke und Gefühle auch bei Ihrem Gegenüber setzen können.

Es ist nun Zeit Ergebnisse beim hauptbetreuenden Elternteil abzufragen. Kontaktieren Sie diesen und versuchen Sie einen ersten Termin für einen gemeinsamen Umgang zu vereinbaren. Für das erste Wiedersehen / Zusammentreffen sollten Sie auf die Möglichkeit eingehen, den Umgang mit dem Elternteil zusammen zu gestalten. Es steht Ihnen auch ein sogenannter „begleiteter Umgang“ zu. Das Jugendamt muss diesen organisieren. So lassen sich Brücken bauen. Auch werden Vorurteile entkräftet, Sie wären nicht in der Lage den Enkel währende der Umgangszeit zu versorgen.

Schlägt Ihnen ein ablehnende Haltung entgegen, haben Sie die Option, Unterstützung anzubieten. Es ist moralisch nicht bedenklich, beispielweise finanzielle Hilfe gegen das Gewähren von Umgang in Aussicht zu stellen. Auch zeitliche Entlastung für das betreuende Elternteil wäre ein Punkt. Argumentieren Sie die Vorteile einer solchen Entlastung deutlich heraus. Mir sind viele Fälle bekannt in denen es in diesem Stadium der außer- gerichtlichen Umgangsverhandlungen zu einer Einigung kam.

Wie Sie sehen steht Ihnen ein breites Instrumentarium zur Verfügung, ohne anwaltliche Vertretung und damit verbundenem Einsatz von Geldern aktiv zu werden.

Sie stehen nicht rechtlos, einer übermächtigen Elternschaft gegenüber. Sie besitzen Lebenserfahrung und Geschick, schwierige Situationen zu händeln. Verlassen Sie sich auf diese Fähigkeiten.

Möchten Sie Kontakt zu uns aufnehmen? Zögern Sie nicht uns zu kontaktieren. wir sind für Sie da!

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