Unantastbar?

Hallo,

ich überlege gerade (angeregt durch eine Anfrage im Rechtsfragen-Brett), wie „unantastbar“ zu verstehen ist.

Im GG ist sicherlich gemeint:
Die Würde des Menschen darf nicht angetastet werden.

Aber bei den Wörtern, die mir gerade so einfallen, heißt das „un“ vor dem Adjektiv doch eher etwas Anderes:

unbeweglich: Man kann etwas nicht bewegen. Erlaubt wäre es schon, aber es geht per se nicht.

unstrittig: Man kann etwas nicht bestreiten.

Aber hier wird ja nicht gesagt, dass die Würde des Menschen nicht angetastet werden kann, sondern dass sie nicht angetastet werden darf.
Es ist mithin keine Feststellung der Unmöglichkeit des Antastens, sondern eine unbedingte Aufforderung, sie nicht anzutasten.

Kann man das mal für mich auflösen?

Wie wäre es mit unverzichtbar? Auf unverzichtbare Dinge kann man meist noch verzichten, sollte es aber nicht.
Und unglaublich(/unvorstellbar)? Das heißt oft nur, dass es schwer zu glauben (oder einfach unerwartet) ist.

Ich würde sagen, dieses un- mit einem auf ein Verb zurückfühbaren Bestandteil heißt eher „nicht zu …en“. (Ähnlich dem lateinischen Ger un divum :smile: (Zufall…))
Ob es dann zu einem Können oder zu einem Dürfen oder zu einem Müssen kommen darf, muss nicht festgelegt sein.

mfg,
Che Netzer

Servus,

Wie wäre es mit unverzichtbar? Auf unverzichtbare Dinge kann
man meist noch verzichten, sollte es aber nicht.

Also genau hier ist mein Sprachgefühl gegenteilig. Auf „Unverzichtbares“ kann man eben gerade nicht verzichten, wenn man einen bestimmten Zweck erreichen will.

z.B.
Unverzichtbarer Bestandteil der Suppe ist Pfeffer.
Das Ausfahren der Landeklappen ist unverzichtbar für eine sichere Landung.
etc.

Zum UP:

„Unantastbar“ ist daher für mich stärker als „nicht antastbar“ bzw. „nicht anzutasten“. Gewissermaßen das „Denken an ein Antasten“ ist schon unzulässig, nicht erst die eigentliche Handlung.

Gruß,
Sax

z.B.
Unverzichtbarer Bestandteil der Suppe ist Pfeffer.

Aber man kann auch Suppen ohne Pfeffer zubereiten.

mfg,
Che Netzer

Servus,

Aber dann ist es keine Pfeffersuppe mehr. Somit „kann“ man eigentlich nicht.

Gruß,
Sax

Aber dann ist es keine Pfeffersuppe mehr.

Es gibt ja auch noch andere Suppen…

mfg,
Che Netzer

Servus,

Aber dann ist es keine Pfeffersuppe mehr.

Es gibt ja auch noch andere Suppen…

Für eine Pfeffersuppe ist Pfeffer jedoch unverzichtbar. Fertig.
Ob es auch Spargelsuppen gibt, lässt sich weder von dem Wort „unverzichtbar“ ableiten, noch ist es durch dieses Wort impliziert, noch war das in irgendeiner Form gefragt.

Das Wort „unverzichtbar“ zeigt einfach, dass es eben keine sonstige Möglichkeit gibt.

Alternative Worte wären „unentbehrlich, unerlässlich“.

Genauso bedeutet „unantastbar“ „ausnahmslos geschützt“, „unverletzlich“, „unverletzbar“, „unberührbar“, „sakrosankt“, etc.

Gruß,
Sax

Für eine Pfeffersuppe ist Pfeffer jedoch unverzichtbar.
Fertig.
Ob es auch Spargelsuppen gibt, lässt sich weder von dem Wort
„unverzichtbar“ ableiten, noch ist es durch dieses Wort
impliziert, noch war das in irgendeiner Form gefragt.

Du meintest allerdings, Pfeffer sei für Suppe unverzichtbarer Bestandteil. Oder so.
Pfeffersuppe hattest du (anfangs) nicht erwähnt.

mfg,
Che Netzer

Servus,

na man kann auch versuchen durch absichtliches Missverstehen den eigentlichen Sinn einer Aussage zu verdrehen.

Eine Suppe in der Pfeffer unverzichtbar ist, ist nunmal eine Pfeffersuppe (bzw. für die Spitzfindingen eine pfefferhaltige Suppe).

Wenn ich den Pfeffer weglasse habe ich eine anderen Suppentypus geschaffen, somit die Art der Suppe geändert. Daher ist Pfeffer unverzichtbarer Bestandteil der genannten spezifischen Suppe.

Oder weil Du so gerne mit mathematischen Ausdrücken arbeitest:

„Pfeffer“ ist ein Element von „Suppe“, und „Suppe“ ist durch das Wort „unverzichtbar“ definiert als eine Menge, die „Pfeffer“ zwingend enthält.

Lasse ich Element „Pfeffer“ weg, habe ich die Menge „Suppe“ (unzulässig) in eine andere Menge „pfefferlose Suppen“ verändert.

Gruß,
Sax

Eine Suppe in der Pfeffer unverzichtbar ist, ist nunmal eine
Pfeffersuppe (bzw. für die Spitzfindingen eine pfefferhaltige
Suppe).

Wenn ich den Pfeffer weglasse habe ich eine anderen
Suppentypus geschaffen, somit die Art der Suppe geändert.
Daher ist Pfeffer unverzichtbarer Bestandteil der genannten
spezifischen Suppe.

Also „Pfeffer ist unverzichtbar für Suppen, die Pfeffer enthalten (sollen)“.
Naja, da habe ich schon sinnvollere Anwendungen von „unverzichtbar“ gehört :wink:
Etwa „Die richtige Ausrüstung ist unverzichtbar für diese Reise“.
Aber man könnte auch ohne jede Vorbereitung einfach loslaufen.

Aber gut, eine andere Interpretation der ursprünglichen Aussage…
Das Gesetz schreibt vor, dass die Würde unantastbar sein soll.
Angenommen, jemand tastet diese Würde doch an. Indem er dies tut, zeigt er, dass die Würde doch antastbar ist und verstößt so gegen das Gesetz :smile:

mfg,
Che Netzer

PS: Und es gibt bestimmt auch synthetische Pfefferaromen ohne Pfeffer :wink:

Hallo,

interessanter Blickwinkel, aber ich finde, dass sich das gut unter einen Hut bringen lässt.

Lass es mich so formulieren:

„Die Würde des Menschen darf „sowas von“ nicht angetastet werden, dass es gar nicht denkbar ist, diese anzutasten. Sie ist unantastbar.“

Hallo,

Im GG ist sicherlich gemeint:
Die Würde des Menschen darf nicht angetastet werden.

so ist es. Was da allerdings nach üblichem Sprachverständnis steht, ist, wie Du richtig bemerkt hast, dass sie nicht angetastet werden kann. Was wiederum täglich widelegt wird.

Die eigenartige Formulierung erklärt sich daraus, dass man hier den lateinischen Rechtsbegriff sacrosanct vermeiden wollte und ihn mit ‚unantastbar‘ übersetzte. Sacrosanctitas war im klassischen römischen Recht ein besonderer Rechtsstatus, der bestimmten Personen (i.e. Volkstribunen) zukam. Damit wurden körperliche Angriffe auf die betreffende Person unter Todesstrafe gestellt. Der Begriff sacrosanctitas deutet auf die Herkunft aus der sakralen Sphäre - es geht da ursprünglich um eine religiöse Tabuisierung.

Das ‚unantastbar‘ ist also nicht umgangssprachlich zu verstehen, sondern als Fachbegriff für einen absolut geschützten Rechtsstatus. ‚Absolut‘ heisst, dass das durch Art. 1 GG garantierte Grundrecht nicht - wie einige andere - durch Gesetze eingeschränkt, ‚angetastet‘ werden darf.

Freundliche Grüße,
Ralf

Hallo Che

Wie wäre es mit unverzichtbar?

ein gelegentlicher Blick ins Fernsehprogramm vor allem der Privatsender belehrt einen schnell, dass es eine Menge Menschen gibt, die ihre Würde für durchaus verzichtbar halten …

Freundliche Grüße,
Ralf

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Moin, xstrom,

möglicherweise fällt hier unter den Tisch, was das Grundgesetz regelt: Nicht das Verhältnis von Mensch zu Mensch, sondern von Staat zu Mensch. Das war den Schöpfern wohl so selbstverständlich, dass sie darauf nur im Nachsatz hingewiesen haben:

Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Frage am Rande: Gibt es eigentlich irgend etwas außer der Menschenwürde, das unantastbar wäre?

Gruß Ralf

unantastbar ist korrekt für das, was es aussagen soll: Die Würde des Menschen kann nicht angetastet werden.
Damit ist nämlich keine Forderung an den Staat gemeint, sondern es ist lediglich eine Feststellung. (Eine philosophische Grundlage quasi.)
Einfach gesagt: Der Mensch besitzt aufgrund seines Menschseins die Menschenwürde und die kann er niemals verlieren oder veräußern(, so lange er Mensch ist).
Gleiches gilt für Menschenrechte: Sie sind unveräußerlich kraft des Menschseins. -> Sie gelten auch in Unrechtsstaaten, in denen gefoltert wird oä.

unantastbar = kann nicht angetastet werden
ist nicht nur grammatikalisch, sondern auch von der beabsichtigten Bedeutung her korrekt.
(Ob man jetzt an dieses Konzept der Menschenwürde glaubt, ist eine andere Frage.)

(Ob man jetzt an dieses Konzept der Menschenwürde glaubt, ist
eine andere Frage.)

http://www.bild.de/

Kommentarlos,
Che Netzer

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Guten Morgen,

allgemein „übersetzt“ man Konstruktionen mit „-bar“ mit „nicht können“. Wenn etwas „unsichtbar“ ist, kann man es nicht sehen.

Genauso gut könnte man aber auch „übersetzen“: Wenn etwas unsichtbar ist, ist es nicht möglich , es zu sehen.

Wenn also etwas „unantastbar“ ist, kann man es auch so „deuten“, dass es nicht möglich ist, es (die Menschenwürde) anzutasten. Dagegen kann man natürlich sagen, dass das sehr wohl möglich ist. Aber eine Formulierung mit „soll nicht“ oder „darf nicht“ klänge vielleicht eher wie ein (frommer) Wunsch. Die „nicht-realistische“, sehr absolute Feststellung „ist unantastbar“, klingt hingegen viel verbindlicher. Das hat nicht zu geschehen, sozusagen.

Ohne Widerspruch. Ohne Diskussion. Ohne Ausnahme.

Ich vermute, dass man deshalb diese Formulierung gewählt hat.

-jero-