Universalgelehrte

Hallo.

Gab es früher wirklich die Universalgelehrten, die sich zugleich mit „Philosophie, Juristerei und Medizin und Theologie“ und noch anderen Wissenschaften befaßten?
Wenn ja, wann ging dies zuende und aus welchen Gründen?

Welche Leute waren das? Ich gehe davon aus, daß sie genug Geld hatten,um ihr ganzes Leben nur lernen zu können. Ansonsten gibt es ja nur zwei Erklärungen: Entweder die Gelehrten damals waren um ein Vielfaches schlauer als die heutigen Wissenschaftler oder das Niveau in den einzelnen Bereichen war vergleichsweise niedrig.

Ich freue mich auf Antworten.

Ostlandreiter

Hallo,

offenbar ja. Goethe - Philosophie, Juristerei und Medizin und (leider auch :wink: ) Theologie- und Leibniz gehörten dazu und gelten als die letzten „Polyhistoren“.

Ich denke, die Tatsache, daß es heute keine Polyhistoren in diesem Sinne gibt, hängt mit der sog. „Halbwertszeit“ des Wissens, also mit dem rasanten Anstieg desselben zusammen und ergo mit dem begrenzten möglichen Lernpensum pro Zeiteinheit des Menschen zusammen.

IMHO.
Gruß JS

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Hallo Ostlandreiter.

Gab es früher wirklich die Universalgelehrten, die sich
zugleich mit „Philosophie, Juristerei und Medizin und
Theologie“ und noch anderen Wissenschaften befaßten?
Wenn ja, wann ging dies zuende und aus welchen Gründen?

Welche Leute waren das? Ich gehe davon aus, daß sie genug Geld
hatten,um ihr ganzes Leben nur lernen zu können. Ansonsten
gibt es ja nur zwei Erklärungen: Entweder die Gelehrten damals
waren um ein Vielfaches schlauer als die heutigen
Wissenschaftler oder das Niveau in den einzelnen Bereichen war
vergleichsweise niedrig.

Was Goethe anspricht, war selbst damals, zu seiner Studentenzeit ein alter Hut. Das heißt, er spricht im Faust von einer vergangenen Zeit des Mittelalters.

Geschichte der Universitäten in kürzester Form:
ungefähr ab 1200 entstanden überall in Europa kirchlich geleitete Wissenszentren, an denen zuerst nur künftige Geistliche und erst in zweiter Linie die Söhne des Adels die klassischen drei Künste lernen konnten: Theologie, Philosophie, Jura. Mehr gab es nicht, mehr war von der Kirche nicht erlaubt. Gegen 1500 kam noch Medizin dazu, das war dann das sogenannte Quadrivium.

Der Wissensstand war um 1500 einesteils so niedrig, oder sagen wir lieber so wenig umfangreich, dass junge Männer das gesamte Studium generale(quadrivium) innerhalb von sagen wir 3-4 Jahren absolvieren konnten. Man begann sein Studium damals übrigens zwischen dem 12. und 15. Lebensjahr und war mit 16-20 fertig.

Dazu kommt aber noch, dass die Kirche jahrhundertelang im Namen des reines Glaubens Fortschritt behinderte oder sogar blockierte. Denk an Galilei und Giordano Bruno, was den Fortschritt der Wissenschaft angeht. Denk an Calvin und Luther, was abweichende Interpretationen der christlichen Lehre angeht.

Noch etwas Grundsätzliches zum damaligen Studium:
einige Dinge, die Studenten heute zum Teil für ihr Studium erst lernen müssen, wurden als Wissensstand vorausgestzt. Latein zum Beispiel, es war bis ins 18. Jg. hinein die Sprache, die Klerus und Gelehrte von gemeinen Volk trennte.

Und was das von Dir vermutete lebenslange Lernen angeht: wirkliche Gelehrte wurden tatsächlich nur die, die danach als Geistliche in Klöstern forschen konnten, zum Teil unter Lebensgefahr, oder als Regierende ihres Landes Muße fanden.

Und nicht vergessen: Frauen waren bis ins 20. Jahrhundert von Universitäten ausgeschlossen. Einige Ausnahme(Vorzeige)Damen lernen privat mit Vätern, Ehemännern, Brüdern und durften extrern die Prüfungen machen, nur zu ihrem eigenen Vergnügen. Es gibt auch in jedem Jahrhundert mindestens eine Doctora. Doch diese Geschöpfe wurden als sonderbare Ausnahmen der Natur betrachtet.

Bücher zum Thema Geschichte der Wissenschaft gibt es so viele, dass ich Dir hier keines besoners anempfehle.

viele Grüße
geli

Hi,

der letzte bekannte Universalgelehrte war G. W. Leibnitz (1646 - 1716), der angeblich über das gesamte Wissen seiner Zeit verfügte. Es besteht die Vermutung, dass er körperliche Defizite (er war relativ klein und hatte einen Sprachfehler) durch unermüdliche Wissensanhäufung kompensierte. Davor ist Leonardo da Vinci (1452-1519) als Universalgenie nennenswert. Beiden gemeinsam ist (ob freiwillige oder auferlegte) sexuelle Enthaltsamkeit, wobei man letzterem nachsagt, er habe einmal homosexuelle Neigungen nachgegeben (erwiesen ist das allerdings nicht).

Gruß Tom

Hi,

Beispiel:
Eine physikalische Doktorarbeit von ca. 1920 ist heute gerade mal ein Praktikumsversuch von allerhöchstens 2 Tagen.
Was der Doktorand von damals über 1 oder 2 Jahre hinweg erarbeitet hat, wird heute in wenigen Minuten erlernt.
Das Selbe singemäss für 1850 statt 1920 findet sich heute in Experimentierbaukästen für Kinder.

Gemessen an der Menge Wissen innerhalb eines menschlichen Gehirnes könnte man sagen, dass es heute vor "Hyper-Universalgelehrten " nur so wimmelt, denn auch die Wisenserwerbsmethoden haben sich extrem verbessert. Was man heute in 5 Jahren Studium eingeprügelt bekommt, kann ein normaler Mensch zu Lebzeiten niemals selbst erlernen.

Gruss,

Tach Helge,

Eine physikalische Doktorarbeit von ca. 1920 ist heute gerade
mal ein Praktikumsversuch von allerhöchstens 2 Tagen.

find ich etwas übertrieben, aber vom Prinzip her richtig.

Gemessen an der Menge Wissen innerhalb eines menschlichen
Gehirnes könnte man sagen, dass es heute vor
"Hyper-Universalgelehrten " nur so wimmelt, denn auch die
Wisenserwerbsmethoden haben sich extrem verbessert. Was man
heute in 5 Jahren Studium eingeprügelt bekommt, kann ein
normaler Mensch zu Lebzeiten niemals selbst erlernen.

Das wiederum halte ich für falsch, bzw. es trifft den Kern der Frage nicht.
Unbestritten ist es so, daß sich in den Einzeldisziplinen inzwischen eine Unmenge von Wissen angesammelt hat, ein Universalgelerter ein „Hyper-Universalgelehrter“ ist man dadurch aber auf keinen Fall, denn das setzt voraus, daß man sich in allen aktuellen Disziplinen zumindestens grundlegend auskennen muß - und wer tut das.
Bist Du in allen Naturwissenschaften fit, dann noch in den Geisteswissenschaften, den Gesellschaftswissenschaften, Kunst-Musik, den Handwerken, Medizin und was weiß ich noch alles - wohl eher nicht.
Was Du ansprichst nenne ich mal Inselgelehrter.

Gandalf

1 Like

unauffällig
Ich halte es für durchaus möglich, dass
es auch heute noch Universalgenies gibt.

Ein solches Genie muss dem Wissen so starke
Priorität einräumen, dass für Ruhmsucht
und Lautstärke nichts mehr übrig bleibt.

Zur Enthaltsamkeit: Starke Glücksgefühle,
die bei Aha-Effekten auftreten können angeblich
das Triebzentrum auf ähnliche Weise stimulieren,
wie ein Orgasmus. D.h. ein Genie ist nicht
absichtlich enthaltsam, für es ist ein „Heureka!“
einfach interessanter als ein „Jaaahh!!“ :smile:

Gruss, Marco

Aha! Interessante These!

Ciao, JS

P.S. Was ist eigentlich ein Eglektiker??

D.h. ein Genie ist nicht
absichtlich enthaltsam, für es ist ein „Heureka!“
einfach interessanter als ein „Jaaahh!!“ :smile:

Gruss, Marco

Aha! Interessante These!

Danke, stammt abe leider nicht
von mir. Die Quelle ist mir allerdings
entfallen. Hatte glaub ich irgendwas mit
Hormonausscuettungen im Limbischen
System zu tun…

Ciao, JS

P.S. Was ist eigentlich ein Eglektiker??

Eglektiker ist eigentlich falsch geschrieben,
wollte es schon aendern. Eklektiker sind
Menschen, die nicht eine bestimmte Philosophische
Schule oder Religion komplett und in jeder Einzelheit
anerkennen oder sogar vertreten, sondern
sich ihr Weltbild wie Patch-Work aus
verschiedenen Weltanschauungen zusammenstückeln.

Gruss, Marco.