Unklare Verkehslage

Liebe/-r Experte/-in,

ich habe folgendes Problem…

Ich fuhr Kolonne mit Schrittgeschwindigkeit.
Ich wollte wenden und die Fahrt in entgegengesetzter Richtung fortsetzten. Hierzu betätigte ich rechtzeitig den Blinker links, schaute kurz in den Rückspiegel und wollte in die gegenüber befindliche Einfahrt vorwärts einfahren. Da mir kein Fahrzeug entgegen kam und ich auch im Rückspiegel nichts gesehen hatte, fuhr ich langsam und vorsichtig nach links auf den anderen Fahrstreifen ein. Als ich mich mit meiner linken Fahrzeugfront ca. 1 Meter auf dem anderen Fahrstreifen (dort war keine Mittellinie) befand, machte mich plötzlich meine Mitfahrerin (die im Fahrzeug hinten links saß) auf etwas aufmerksam. In diesem Moment bemerkte ich, daß sich links neben mir ein Tandem befand. Ich bremste sofort ab, der Tandemfahrer ebenso. Wir konnten allerdings nicht verhindern, daß dessen Vorderrad leicht meine Fahrertür touchierte.

Nun meine Frage…ich habe den Schulterblick vergessen und irgendwie überhaupt nicht damit gerechnet, daß ich links von einem Tandemfahrer überholt werde. Aber war dies nicht auch eine unübersichtliche Verkehrssituation??? Würde es da evtl. auf eine Teilschuld hinauslaufen???

Vielen Dank!!!

…es gibt da mehrere Urteile
(siehe z.B. auch Kammergericht Berlin: 12 U 26/01)

…auch:

KG, Urteil vom 07.10.2002 - 12 U 41/01 (DAR 2002, 557)

Kommt es in unmittelbarem örtlichen und zeitlichem Zusammenhang mit dem Linksabbiegen/Wenden zu einer Kollision mit einem links überholenden Fahrzeug, spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine Sorgfaltspflichtverletzung des Linksabbiegers/Wendenden (ständige Rechtsprechung).

Wegen der besonderen Sorgfaltspflichten des Linksabbiegers/Wendenden haftet dieser im Falle der Kollision mit einem ordnungsgemäß überholenden Kfz grundsätzlich allein, wobei die Betriebsgefahr des Kfz des Überholers zurücktritt (ständige Rechtsprechung).

Der Fahrtrichtungsanzeiger ist dann „rechtzeitig“ i.S.d. § 9 I S. 1 StVO betätigt, wenn sich der Verkehr auf das Abbiegen einstellen kann; maßgeblich dafür ist weniger die Entfernung vom Abbiegepunkt als vielmehr die Zeit zwischen Anzeigebeginn und Abbiegen unter Berücksichtigung der Fahrgeschwindigkeit.

Eine "unklare Verkehrslage ", die nach § 5 III Nr. 1 StVO das Überholen verbietet, liegt vor, wenn nach allen Umständen mit ungefährdetem Überholen nicht gerechnet werden darf. Sie ist insbesondere dann gegeben, wenn sich nicht sicher beurteilen lässt, was Vorausfahrende sogleich tun werden; dies ist der Fall, wenn an einem vorausfahrenden oder stehenden Fahrzeug der linke Fahrtrichtungsanzeiger betätigt wird, dies der nachfolgende Verkehr erkennen konnte und dem nachfolgenden überholenden Fahrzeugführer noch ein angemessenes Reagieren - ohne Gefahrenbremsung - möglich war. Dagegen liegt eine unklare Verkehrslage nicht schon dann vor, wenn das vorausfahrende Fahrzeug verlangsamt, selbst wenn es sich bereits etwas zur Fahrbahnmitte eingeordnet haben sollte.

Hallo Patrizia,

ob die Situation unübersichtlich war, kann ich schwer entscheiden. Eigentlich war es ein einfacher Abbiegevorgang. § 9 Abs. 5 der StVO sagt:

„(5) Beim Abbiegen in ein Grundstück, beim Wenden und beim Rückwärtsfahren muß sich der Fahrzeugführer darüber hinaus so verhalten, daß eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls hat er sich einweisen zu lassen.“

Das hast Du wohl nicht ausreichend beherzigt.

Der Tandemfahrer hat überholt. Überholen ist nicht zulässig bei „unklarer Verkehrslage“ (§ 5 Abs. 3 StVO).
Ob die Verkehrslage unklar war, kann ich nicht beurteilen. Angesichts dieser Urteile: bezweifle ich allerdings eine unklare Verkehrslage. Die volle Schuld läge dann also bei Dir.

Ich gehe da von einer Teilschuld aus.
Mfg.Heinz

Sehr geehrte Frau Patrizia72,

leider nicht mein Fachgebiet.

mfg

Falk Ambrasas