Hallo,
Seit zwei Wochen geht die Ältere immer wieder auf die Jüngere los, für uns ohne Grund, es kommt manchmal ganz plötzlich.
Es ist möglich, dass die Aggression der Althündin in direktem Zusammenhang mit ihrer Läufigkeit steht. Wäre sie gedeckt worden, stünde die Ankunft von Welpen ins Haus. Manche Hündinnen beginnen instinktiv, ihr Revier für den eigenen Nachwuchs zu sichern und verhalten sich entsprechend aggressiv gegen andere Hündinnen, die sich im selben Revier aufhalten und damit zu potentiellen Nahrungskonkurrenten durch ihren eigenen Wurf werden könnten. Dass die andere Hündin kastriert ist, weiß die Althündin ja nicht.
Ist dies der Fall, sollte sich das Ganze wieder beruhigen, wenn der „Wurftermin“ vorbei ist. In diesem Fall könnte eine Kastration der Althündin sogar erfolgreich sein, da die Aggressivität in direktem Zusammenhang mit ihren Hormonen stünde. Um sich da sicher zu sein, müsste man aber zumindest die nächste Läufigkeit abwarten. Im Moment könnt ihr mal beobachten, ob sie Anzeichen von Scheinträchtigkeit zeigt. Das würde den Verdacht erhärten.
Eine andere Möglichkeit ist, dass die Jüngere die Rangordnung hinterfragt. Dazu genügen oft Blicke oder nur ein verzögertes aus-dem-Weg-Gehen, wenn die Althündin kommt. Für den Menschen ist das nicht unbedingt sichtbar. In diesem Fall würde eine Kastration die Sache eher verschlimmern als bessern. Im Gegensatz zum Rüden geht bei der Kastration der Hündin die dämpfende Wirkung der Hormone verloren, was oft zu erhöhter Aggression führt, also genau die gegenteilige Wirkung dessen hat, was man möchte.
Bei Rangordnungsproblemen ist es zudem immer sinnvoll, wenn deutliche Statusunterschiede bestehen. Die Althündin als Chefin im Ring unkastriert zu lassen bestätigt ihre Position, was in diesem Fall durchaus hilfreich sein kann.
Problem: Nicht alle Hündinnen geben sich mit einem Auskaspern der Rangordnung zufrieden, wenn es um andere Hündinnen geht. Im eigenen Rudel - wie bei euch - sind die Chancen noch etwas höher als bei einander fremden Tieren, dennoch ist es grundsätzlich möglich, dass eure Althündin nur noch ein Ziel hat: Die Junge loszuwerden, indem sie sie entweder vertreibt oder tötet.
Es ist nicht ganz einfach zu erkennen, was Sache ist, denn wenn es um die Rangordnung geht, muss diese ausgekämpft werden, sonst kommt nie Ruhe rein. Eure Junghündin ist bereit, sich zu unterwerfen, was eine gute Voraussetzung ist - nun gilt es herauszufinden, ob es einen dauerhaften Burgfrieden zwischen den Mädels geben kann. Ein wichtiges Kriterium ist, ob die Schäferhündin die andere schon mal ernsthaft verletzt hat. „Ernsthaft“ bedeutet z.B. ein Biss mit Gegenbiss - also eine Wunde, bei der man erkennen kann, dass sowohl der Ober- als auch der Unterkiefer sich geschlossen haben. Man sieht dann z.B. an einer Seite des Beins die Abdrücke der oberen Fangzähne und auf der anderen Seite die der unteren. Charakteristisch sind auch feste Bisse in den Hals und die Weichteile oder der Versuch, die Gegnerin totzuschütteln. Kleine einseitige Risswunden sind eher Kollateralschäden, die im Eifer des Gefechts schon mal passieren können. Ich sag’ mal ein wenig platt: Alles, was nicht zum Tierarzt musste, war keine ernsthafte Verletzung.
Wenn sich die Aggressionen nicht in den nächsten Wochen von selbst legen, wäre mein Tipp, die Schäferhündin mit einem Maulkorb auszustatten. Zu diesem Zweck unbedingt einen stabilen Gittermaulkorb aus Plastik oder Draht verwenden, nicht die schwarzen Nylonteile. Zum einen reißen die leicht, zum anderen kann der Hund damit nicht richtig abhecheln, was nicht besonders gesund ist. Der Maulkorb macht es möglich, dass die Kämpfe zu Ende ausgetragen werden, ohne dass die Gefahr besteht, dass die Junghündin ernsthaft verletzt wird. Durch das Trennen, was ihr gerade praktiziert, unterbrecht ihr jedesmals die Auseinandersetzung, so dass die beiden immer wieder bei Null beginnen müssen.
Hinzu kommt, dass die Schäferhündin natürlich lernt, dass sie gestört wird und unter Umständen immer schneller und heftiger angreift, um endlich zu einem Ergebnis zu kommen. In aller Regel bedarf es dennoch immer mehrerer Kämpfe, bis die Sache gegessen ist.
Aus der Entfernung ist es mir leider unmöglich zu beurteilen, welche der angesprochenen Möglichkeiten für eure beiden zutrifft. Ich würde erst mal hoffen, dass es wirklich hormonell bedingt ist und sich in ein paar Wochen wieder beruhigt und die Hunde bis dahin weitgehend trennen.
Wenn ihr Pech habt, wird es gar nichts mehr mit den beiden, dann werdet ihr euch von einer der beiden trennen müssen. Zwei Hündinnen sind leider die schlechtestmögliche Konstellation - vor allen Dingen dann, wenn es sich um Rassen handelt, die nicht unbedingt für ihr unproblematisches Sozialverhalten berühmt sind, wie der DSH. Dennoch kann es natürlich auch hier funktionieren.
Schöne Grüße,
Jule