Unter welchen Bedingungen entsteht Gehirn?

Hallo,
mich beschäftigt die Frage, wie es dazu kommt, dass Lebewesen wie die Menschen oder die Vögel ein Gehirn haben, andere Lebewesen wie Pflanzen oder Einzeller keins (ich hoffe diese Annahme ist richtig). Welche Bedingungen müssen denn vorliegen, damit ein Lebewesen mit einem Denkapparat ausgestattet ist? Sind das evolutionsbedingte Gründe oder vielleicht biochemische/biophysikalische Reaktionen? Gibt es überhaupt eine Grenze zwischen Gehirn und „kein Gehirn“?
Es existiert sicherlich Leben auf anderen Planeten. Aber auch hier: Was muss passieren (oder passiert sein), damit sich intelligente Lebewesen herausbilden?
Würde mich über fachliche Antworten sehr freuen,
lynndinn

Hallo,
mich beschäftigt die Frage, wie es dazu kommt, dass Lebewesen
wie die Menschen oder die Vögel ein Gehirn haben, andere
Lebewesen wie Pflanzen oder Einzeller keins (ich hoffe diese
Annahme ist richtig).

Hi
Vielleicht wäre es angebracht, „Gehirn“ überhaupt zu definieren. Für mich ist es eine mehr oder weniger große Ansammlung von Nervenzellen, die als Gemeinsamkeit die „Schaltzentrale“ des Organismus bilden.

Somit kann ein Einzeller kein Gehirn haben, da er ja selbst nur aus einer Zelle besteht :wink:

Welche Bedingungen müssen denn
vorliegen, damit ein Lebewesen mit einem Denkapparat
ausgestattet ist? Sind das evolutionsbedingte Gründe oder
vielleicht biochemische/biophysikalische Reaktionen?

Aus evolutionärer Sicht bildet sich dann ein Gehirn, wenn ein Organismus immer komplexere Wege findet, Reize in Aktionen umzusetzen. Für einen Einzeller mag es reichen, so lange ziellos im Wasser herumzuirren, bis mal zufällig Nahrung in sein „Maul“ schwimmt. Aber für Mehrzeller reicht das nicht.

Dabei ist die grundsätzliche sogenannte „Cephalisation“ (Ausbildung eines Gehirns) festzustellen, die quasi proportional zur Komplexität zunimmt (mit wenigen Ausnahmen).

Jetzt ist es so, dass die meisten Tiere ihre Hauptsinnesorgane und den Darmeingang vorne haben. Da macht es Sinn, möglichst viele Nervenzentren vorne zu sammeln, ein Gehirn entsteht. Das kann man auch bei Insekten beobachten, dort hat der Hauptnervenstrang allerdings einen anderen Weg genommen, es gibt ein Bauchmark, statt wie bei Wirbeltieren ein Rückenmark.

Gibt es
überhaupt eine Grenze zwischen Gehirn und „kein Gehirn“?

Das ist wohl eher schwammig. Bei einfachen Würmern könnte man von einer Nervenzellanhäufung sprechen, aber nicht von einem Gehirn. Auch wenn es sich stammesgeschichtlich mal zu einem entwickeln könnte.

Es existiert sicherlich Leben auf anderen Planeten. Aber auch
hier: Was muss passieren (oder passiert sein), damit sich
intelligente Lebewesen herausbilden?

Ich glaub das ist der Punkt! Es braucht kein Gehirn für Intelligenz!
Sieh dir Beispielsweise die Kraken an, dort gibt es zwar an bestimmten Stellen auch „Nervenhaufen“, aber so ein Gehirn wie wir besitzen sie nicht. Und dennoch sind sie in der Lage, intelligent zu Handeln.

Und selbst die komplexen Regelwerke, die in einem Einzeller vorgehen, sind nicht so weit erforscht, als dass wir sagen könnten, das ist Intelligenz oder keine Intelligenz. Was ist überhaupt Intelligenz?

Natürlich wird ein Pantoffeltierchen niemals eine Rechenaufgabe lösen, aber es überrascht den Laien schon, dass dort Organellen vorkommen, die man sonst nur für höhere Tiere in Betracht gezogen hätte.
Einen Mund, eine ziemlich ausgeklügelte Fortbewegung, Reaktion auf äußere Reize. Woher weiß das Pantoffeltierchen beispielsweise, dass es irgendwo vorgeschwommen ist? Es hat keine Nervenzellen, die ihm sagen „dreh um“ und dennoch: es dreht um und schwimmt in die andere Richtung.

Es ist also wie immer in der Wissenschaft: je mehr man weiß, desto mehr Fragen tun sich auf :wink:

Grüße

Laralinda

Hallo Laralinda,
vielen Dank für die ausführliche und für einen Laien wie mich gut verständliche Antwort. Sie hat mir eine Reihe von Impulsen gegeben, über die es sich lohnt nachzudenken.
Gruß,
lynndinn

Hallo,

Wenn ich mich weiter recht entsinne, hatte es z.B. besonders bei Säugetieren auch einen Einfluss, wie die verfügbaren Ressourcen in
den Zusammenhängen Nahrungsbeschaffung / Verwertung und Aufbereitung
einen Grundenergiebedarf benötigen.

Nehmen wir bei den Primaten mal den Stammbaum der Menschen allgemein.
Dort setzte sich irgendwann der aufrechte Gang zum Sprung von Wäldern
und Bäumen auf ein vorteilhaftes Leben in Savannen o.ä. durch.
Damit wurden Arme und Hände für andere Herausforderungen frei und der
Urahn des Menschen konnte andere Nahrungsquellen erschließen.
( Evolution und Konkurrenzdruck, sowie der Drang, Neues zu versuchen )
unter diesem Druck lernten unsere Vorfahren u.A. die Vorteile des
Feuers im allgemeinen Lebenskampf für sich zu nutzen.
( etwas Zufall und Entdeckungswillen trugen dazu bei )
Gegartes Fleich ist leichter verdaulich, die Angst vieler anderer Lebewesen vor Feuer half als Erkenntnis bei der Jagd.

Im Endeffekt konnten die Menschlichen Vorfahren mit weniger Aufwand
breitere Nahrungsquellen erschließen, konnten sich mithilfe des wärmenden Feuers körperlich einfacher vor kälte schützen und gegarte
Nahrung einfacher in nutzbare Energie für den Körper umwandeln.

Da bleib mehr Zeit und Körperenergie für die Neugierde über, denn
es brauchte mit den Generationen zunehmend weniger Energie für
" klimatisierung " , Verdauung und Aktivität des Körpers aufgebracht
werden. Die genetischen Grundlagen des " nachäffens " lagen ihnen ja
schon im Blut, aber unsere Vorfahren lernten auch zunehmend durch
Zufälle und schauten sich Handlungsweisen fremder Arten ab.
Das geistige Aktivität auch die Neubildung neuronaler Netzwerke begünstigt, ist durch zahlreiche Studien öffentlich erläutert.
Die nötige Energie stand ja zunehmend bereit, weil körperlicher Aufwand der Nahrungssuche und Verstoffwechselung letztlich durch
Rückbildung einiger Körpermerkmale abnehmen konnten.
Der Stoffwechsel neuronaler Aktivität benötigt letztlich auch Energie,
welche unseren Vorfahren zunehmend zur Verfügung stand.

Die " Klassiker " an den Spitzen der jeweiligen Nahrungsketten
haben diese Entwicklung m.W. nach nicht gleichermaßen durchlebt,
weil sie:

  • Relativ konkurrenzlos ohnehin an der Spitze standen…
  • Sinne meitbrachten und weiter entwickelten, als die Beute sie hatte
  • Ihre Optimierung und anpassung an Beute und Umgebung fast immer zu
    ausreichender Nahrungsversorgung ( also auch Überleben ) führte.

Lassen wir menschliche Eingriffe außer acht, haben sich Instinkt,
Anpassung und Beuteschema bei manchen Arten so weit entwickelt, das sie auch magere Zeiten überleben konnten.
Unser Nachteil:
Befreit um Wissen und Technologie wären wir der Natur relativ hilflos
ausgeliefert. Neben Zufall und etwas Glück bei unserer genetischen
Entwicklung sind wir mehr als alle anderen Organismen auf Wissens-
vermittlung durch Wissende angewiesen.
" Caspar - Hauser " ist ein Hinweis darauf, das wir von langjähriger
Erfahrungs- und Wissensbildung doch recht unbeholfen und benachteiligt
wären.
Dann gab es noch Entdeckungen bei Waisen, die unter Wölfen groß wurden
oder mit uralten Kulturen das Überleben in den jeweiligen Ökosystemen
erst erlernten. Auch wir haben neben körperlichen Grundfunktionen
nur die Urinstinkte körperlicher und sinnlicher Wahrnehmung
" programmiert ".
Manche Arten leben zu kurz…manche sind als Spezialisten so erfolgreich, das sich lange Lernphasen oder hohe Anzal von Nervenzellen nicht für den eigenen Überlebenstrieb lohnen würde.
Andere treiben so viel Aufwand bei der Nahrungssuche und Verwertung
( z.B. die vielen rein Vegetarischen, das wenig Reserve für " Gehirn "
bliebe )
Wer zu groß oder zu schnell und flink für die meisten Räuber war,
brauchte nicht viel ändern um die eigene Art zu erhalten.
Manche Gattungen produzieren auch extrem viele Nachkommen, um die
hohe Sterblichkeit durch Räuber oder natürliche Gegebenheiten
auszugleichen. ( kostet auch körperliche Energie )

Evolution ist also oft an den zufall genetischer Mutationen gebunden.
Was gerade regional gut paßt, setzt sich dort auch durch…für globale
Verbreitung von Merkmalen bedurfte es weiterer Zufälle.
Manche hatten mehr Druck, Andere weniger…zum " Erfolgsmodell ".

mfg

nutzlos

1 Like

Hallo nutzlos,
vielen Dank für die ausführlichen Erläuterungen. Sie erinnern mich etwas an den materialistischen Ansatz von Friedrich Engels (was mir auch ganz sympathisch ist).
Inzwischen habe ich ja nun viel dazugelernt. Aber eines lässt mich noch nicht in Ruhe:
Liegen denn nicht auch biochemische/biophysikalische Voraussetzungen vor, um Gehirn zu schaffen, sprich, um eine Ansammlung von Nervenzellen zu initiieren? Anders gefragt: Wieso weiß eine „neugeborene Zelle“, dass sie sich hier und nicht in den Fußspitzen anlagern soll und dass sie mit den Kollegen kommunizieren soll?
Gruß,
lynndinn

Hallo lynndinn,

Ich bin nur popeliger Handwerker, aber eventuell kann Dir das Stichwort " Stammzellen " in manchen Fragen weiterhelfen.
Sollen DIE Zellen in unserem Körper sein, die multifunktional
in ihrer Ausrichtung sind…
Aber neuronaler Ausbau und Verknüpfungen sind m.W. nach nicht von
Stammzellen, sondern von geistiger Betätigung äbhängig.
Mein Vergleich wäre der Muckibudenmann mit Muckseln zum Forscher
bei Verknüpfungen im Hirn.
Aber so richtig erforscht scheint das Hirn an sich noch nicht zu sein.
( bleibt halt mehr und anders, als ein popeliger Core I7 )
Sorry, aber AMD gefällt mir besser…
( das themenabweichend …aber nicht vergleichbar zum Hirn )
CT und analog funzen halt auf verschiedene Weise, wobei Neuronen
flexibel bleiben. Ein Prozi bleibt ( noch ) fest verknüpft.

mfg

nutzlos

Guten Tag,
im Grunde genommen hat jede Zelle eines Körpers die gleiche Information in Form des „Bauplanes DNA“ in ihrem Zellkern mitbekommen. Was dann davon auch tatsächlich umgesetzt wird hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zellen kommunizieren z.B. über Zell-Zell-Kontakte. D.h. eine Zelle die durch Teilung neu entsteht (z.B. beim Wachstum des Körpers oder nach einer Verletzung) ist sich darüber im klaren, wer ihre „Zell-Nachbarn“ sind und was sie demzufolge sinnvollerweise von ihrer DNA-Anleitung umsetzen soll. Weiter wirken noch Hormone mit um Zellen zu informieren, wie und ob sie grade wachsen sollen.

Im Grunde genommen ist also durch die Information, die in der DNA der ersten Zelle eines Organismus vorhanden ist, schon festgelegt, ob es mal später ein Gehirn geben wird.

Schöne Grüße,
Lebkuchenmädchen

danke Lebkuchen, das klingt interessant und einleuchtend.
Gruß,
lxnndinn

Weiß ja nicht, ob du die Antwort zu einer so alten Frage noch liest, aber:

Die Entwicklung von Gehirnen hat sich unabhängig voneinander 3mal vollzogen:

  1. Wirbeltiere (Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel, Säuger)
  2. Artropoden (Krebse, Spinnen, Insekten)
  3. Weichtiere (Tintenfische)

Die Vorteile eines Gehirns sind offensichrtlich, Nachteile sind der Energieverbrauch und natütlich der Erhaltungsaufwand (was nicht gebraucht wird, verkümmert, was gebraucht wird bleibt nur, wenn die, die es nicht haben (nurch Mutation) sterben). Muscheln z.B. haben Gehirn komplett wegoptimiert.

Weiß ja nicht, ob du die Antwort zu einer so alten Frage noch
liest, aber:

Hallo Zoelomat,
ja, na klar, ich finde das nach wie vor ein spannendes Thema. Vielen Dank für deine Anmerkungen.
Gruß,
lynndinn