Unter welchen Bedingungen ist eine Neuwahl der deutschen Regierung möglich?

In der Koalition herrscht Alarmstimmung - trotz aller Bemühungen der Spitzen von Union und FDP, die Krise zu entschärfen. In der FDP hieß es, die am Freitag und Samstag geplanten Verhandlungen über die Gesundheitsreform könnten zum Knackpunkt für die Regierung von Kanzlerin Angela Merkel sein, die vor acht Monaten gestartet war. Die SPD fordert weiterhin eine Neuwahl. Doch unter welchen Bedingungen ist eine Neuwahl möglich?

Es gibt zwei Möglichkeiten für eine Neuwahl: Die Vertrauensfrage oder das konstruktive Misstrauensvotum.

Die Vertrauensfrage wird von der Kanzlerin an den Bundestag gestellt; spricht der Bundestag ihr nicht das Vertrauen aus, kann die Kanzlerin entweder ohne das Vertrauen des Bundestages weiter regieren, oder aber den Bundespräsident um die Ansetzung von Neuwahlen bitten. Letzteres geschah 2005, als Gerhard Schröder die Vertrauensfrage stellte.

Das konstruktive Misstrauensvotum geht vom Bundestag aus. Misstrauensvotum heißt es, weil der Kanzlerin das Misstrauen ausgesprochen, sie also faktisch abgewählt wird. Konstruktiv heißt es, weil der Bundestag gleichzeitig eine neue Kanzlerin wählen muss, sonst hat das Misstrauensvotum keine Wirkung. 1982 wurde Helmut Schmidt durch ein konstruktives Misstrauensvotum abgewählt und Helmut Kohl als neuer Bundeskanzler gewählt.

Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG „kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den Bundestag auflösen“, wenn „ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages“ findet. Darüber hinaus enthält Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts jedoch noch ein ungeschriebenes sachliches Tatbestandsmerkmal: „Die politischen Kräfteverhältnisse im Bundestag müssen seine [d.h. des Bundeskanzlers] Handlungsfähigkeit so beeinträchtigen oder lähmen, dass er eine vom stetigen Vertrauen der Mehrheit getragene Politik nicht sinnvoll zu verfolgen vermag.“
Art. 63 Abs. 4 Satz 3 GG betrifft die Situation, dass im Falle der Wahl eines neuen Kanzlers - der nicht nur beim Zusammentritt eines neuen Bundestages, sondern auch bei einem Rücktritt des Kanzlers eintreten kann -, die Mehrheit der Mitlglieder des Bundestages nicht dem Wahlvorschlag des Bundespräsidenten gefolgt ist, innerhalb von 14 Tagen einen anderen Bundeskanzler nicht gewählt hat und in einem daraufhin stattfindenden Wahlgang der Gewählte nicht die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereinigt hat. Dann „hat der Bundespräsident binnen sieben Tagen entweder ihn zu ernennen oder den Bundestag aufzulösen“ (Art. 63 Abs. 4 Satz 3 GG).
Mehr dazu siehe: http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2005/w_…

  1. (Konstruktives oder Dekonstruktives )Misstrauensvotum siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Misstrauensvotum
  2. Vertrauensfrage siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Vertrauensfrage

Die Vertrauensfrage haben übrigens schon Helmut Kohl und Gerhard Schröder benutzt. Bei Schröder kam es danach auch wirklich zu Neuwahlen.

Grüße

Wenn es um eine Neuwahl geht, dann nur eine Neuwahl des Deutschen Bundestages.

Dieser wählt die Kanzlerin/den Kanzler.Die Minister werden nicht gewählt, sondern vom Bundespräsidenten berufen (auf Vorschlag der Bundeskanzlerin / des Bundeskanzlers).
Der Bundestag hat laut GG kein Recht zur Selbstauflösung; er kann auf Antrag der/des BK vom Bundespräsidenten aufgfelöst werden, wenn eine vom BK gestellte Vertrauensfrage scheiter, d.h. sie oder er nicht die Mehrheit der Stimmen der Mitglieder des Hauses („Kanzlermehrheit“) bekommt.
Das ist in der jüngeren Vergangenheit zwei Mal geschene, nämlich einmal bei Helmut Kohl nach seiner Wahl durch ein konstruktives Mißtrauensvotum, obwohl er eine rechnerische Mehrheit hatte („unechte“ Vertrauensfrage) und bei Gehard Schröder nach der mißlungenen Landtagswahl in NRW 2005. Auch er hatte rein rechnerisch noch eine Mehrheit, konnte aber Bundespräsident Köhler überzeugen, die Auflösungsverfügung zu unterschreiben.
Man sieht, so einfach ist das mit Neuwahlen auf Bundesebene wegen des fehlenden Rechts zur Selbstauflösung nicht!