Hallo Benjamin,
offensichtlich gehört deine Mutter auch zu der Personengruppe, die nach langjähriger Ehe das Scheitern der Beziehung „offiziell“ nicht eingestehen möchte und dann versucht ohne formelle Scheidung die Trennung zu vollziehen.
Das wäre ein schlimmer Fehler, denn leider entwickeln sich fast alle Trennungen zu handfesten Scheidungskriegen, meistens mit zeitlicher Verzögerung, wenn es dann ums Geld geht, das Sorgerecht für die Kinder oder ein neuer Partner auf der Bildfläche erscheint.
Die anfänglich gut gemeinte Absicht, man könne die Trennung auch ohne Anwalt und Gericht vollziehen, oder noch besser, man könne ja „Freunde bleiben“, klappt nicht in der Praxis.
Man sollte eine Trennung/Scheidung genau planen und dann der Strategie unbedingt folgen, sonst verliert man alles.
Die finanziellen Aspekte lassen sich durch eine fachkundige Vorausberechnung von jedem Fachanwalt für Familienrecht klären. Der Gang zum Anwalt ist unabdingbar, weil für eine Scheidung Anwaltszwang besteht. Von der Wahl eines gemeinsamen Anwalts rate ich ab, es sei denn, dein Vater wäre zu Zugeständnissen bereit, die er mit deiner Mutter in einer gemeinsamen Erklärung vor dem Anwalt bescheinigen will.
Zunächst sollte deine Mutter die Füße still halten und alle relevanten Unterlagen (Kopien der Bezügeblätter, Kontoauszüge, Vermögenswerte etc.) beschaffen und sich für eine zukünftige Auseinandersetzung vorbereiten.
Selbstverständlich hat sie auch Anspruch auf Unterhalt und Trennungsunterhalt für die Dauer des Trennungsjahres (bis zum Termin der Rechtskräftigkeit der Scheidung), falls dein Vater ein höheres Einkommen erzielt und leistungsfähig ist.
Da ich die genauen Verhältnisse nicht kenne, kann ich nicht abschätzen, welche Fragen außergerichtlich geklärt werden könnten. Die Vermögensaufteilung erledigen einige (schlaue) Paare vor der Scheidung, damit der Streitwert begrenzt wird.
Neben Unterhalt und Aufteilung von Vermögen, steht auch die Frage des Versorgungsausgleiches an. Das ist sehr wichtig und ist das entscheidende Argument für eine offizielle Scheidung. Es geht um den Zuspruch von Rentenanteilen an den Ehepartner, welcher ein geringeres Einkommen hatte. Bei 25 Jahren kann das schon etwas ausmachen.
Die Nachweise über Einkommen und Vermögen müssen die Ehepartner auf schriftliche Anfrage des eingeschalteten Rechtsanwalts erbringen, da das Familiengericht vorher das Verfahren nicht bearbeiten kann.
Im Vorfeld auf Ansprüche großzügig zu verzichten, halte ich für einen Fehler. Deine Mutter weiß nicht, was noch auf sie zukommt. Dann ist es besser, wenn man einen Unterhaltstitel als vollstreckbare Ausfertigung zur Hand hat und damit eine Notlage verhindert.
Rate deiner Mutter also zur Vereinbarung eines Anwaltstermins für die erste Beratung und begleite sie dabei, wenn sie einverstanden ist. Der Anwalt wird dann der Gegenseite (so nennt man deinen Vater ab sofort!!) die Scheidungsabsicht mitteilen und ihn zur Vorlage der Einkommensnachweise auffordern. Gleichzeitig wird ein Anspruch auf Trennungsunterhalt angemeldet.
Wenn deine Eltern vor Auszug deiner Mutter aus der gemeinsamen Wohnung noch nicht die „Trennung von Tisch und Bett“ vollzogen hatten, bilt der Auszugstermin als Beginn des Trennungsjahres. Frühestens nach 1 Jahr kann das Familiengericht die Ehe als gescheitert erklären und die Scheidung aussprechen. In Ausnahmefällen kann man das beschleunigen, falls dies sinnvoll erscheint.
Falls du weitere Fragen hast, kannst du mir gern direkt schreiben.
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Bis demnächst!
Steve
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