Unterscheiden Schwaben zwischen das und dass?

Guten Tag!

Unterscheiden Schwaben zwischen „das“ und „dass“ (lautlich)?

Konjunktion + Demonstrativpronomen
…, dass das

„I glaub, dass des falsch isch.“

Demonstrativpronomen, bestimmter Artikel

„Des Kraut schmeckt aber gut.“

Das „das“ im Relativsatz kennen sie nicht:

„Des Geschenk, was mir ihr geben hän.“

Servus,

Unterscheiden Schwaben zwischen „das“ und „dass“ (lautlich)?

ja. Wenn wir Standarddeutsch reden, erkennt man sehr deutlich den Unterschied zwischen dem langen a: in „das“ und dem kurzen a in „dass“. Sehr zum Leidwesen eines unserer Lehrer, der aus der Gegend von Itzehoe stammte und zutiefst von der kulturellen und rassischen Überlegenheit der nördlich des 51. Breitengrades beheimateten Deutschen überzeugt war, und somit meinte, man müsse uns diesen Unterschied mühevoll einhämmern - bis er merkte, dass es da gar nichts zu hämmern gab.

Das „das“ im Relativsatz kennen sie nicht:

Aber scho! Zeig mir einen Schwaben, der den Dialekt nicht parallel zum Standarddeutschen verwendet.

Unabhängig davon sind hier einige Korrekturen nötig - selbst wenn man berücksichtigt, dass es keine einheitliche Schreibung für das Schwäbische und ohnehin kein einheitliches Schwäbisch gibt:

„Des Geschenk, was wo mir mer ihr a ge ä ben hä e n d.“

Etz bassts - ogfähr. Immerhin hast Du freundlicherweise das Geschenk nicht in den angeblich ach so schwäbischen Diminuitiv gesetzt. Da sag ich Vergeltsgott.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

Vielen Dank für die Antwort!

Sehr zum Leidwesen eines unserer Lehrer, der aus
der Gegend von Itzehoe stammte und zutiefst von der
kulturellen und rassischen Überlegenheit der nördlich des 51.
Breitengrades beheimateten Deutschen überzeugt war,

Wie bitte, ihr (du) habt (hast) den Versuch eines Lehrers, euch Hochdeutsch beizubringen, als „kulturelle und rassische“ Unterlegenheit gewertet? Wie kommt’s?

Guten Tag!

Unterscheiden Schwaben zwischen „das“ und „dass“ (lautlich)?

Ja, fällt Schwaben sogar sehr leicht, schon alleine deswegen weil man „das“ mit dem schwäbichen „des“ ersetzten kann und „dass“ nicht.

Servus,

uns musste man im Alter von elf Jahren natürlich kein Standarddeutsch mehr beibringen. Die Evangelischen unter uns hatten das spätestens ab einem Alter von etwa vier Jahren gelernt, die Katholischen spätestens mit sechs.

Wie Herr M. zu seiner Einschätzung kam, und wie diese sich äußerte, beschreibe ich an dieser Stelle nicht.

Falls Du übrigens einmal genauer zuhörst, wenn Leute aus verschiedenen Gegenden Deutschlands Standarddeutsch reden, wird Dir auffallen, dass alle, die südlich des 52. Breitengrades aufwachsen, nicht die geringste Mühe haben, „das“ und „dass“ zu unterscheiden - das Problem ergibt sich nur in den Gebieten, in denen die beiden Worte nicht phonetisch durch unterschiedliche Länge des a unterschieden werden.

Daher: Es gab in diesem konkreten Zusammenhang für Herrn M. tatsächlich nichts einzuhämmern - der Ärmste versuchte da, Eulen nach Athen zu tragen.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

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Hallo,
Zwei deiner Aussagen stehen irgendwie im Gegensatz zueinander:

uns musste man im Alter von elf Jahren natürlich kein
Standarddeutsch mehr beibringen.

und

das Problem ergibt sich
nur in den Gebieten, in denen die beiden Worte nicht
phonetisch durch unterschiedliche Länge des a unterschieden
werden.

Das impliziert für mich irgendwie, dass du es für Standarddeutsch hältst, das und dass lautlich zu unterscheiden. Das ist allerdings nur in den Dialekten bzw. dialektgefärbten Regionen so, im Standarddeutschen werden beide Wörter [das] ausgesprochen, mit kurzem /a/.

Es sollte optimalerweise (wenn man davon ausgeht, dass man perfektes Standarddeutsch sprechen müsse) nur eine Art Eselsbrücke für Schwaben, Bayern, Schweizer usw. sein, dass man von der dialektalen Aussprache auf die standarddeutsche Schreibweise schließen kann. Die Aussprache ist im Standarddeutschen ja identisch, nämlich immer kurz.

Grüße,

  • André

Klangfärbung vs. Dialekt
Hallo André,

der Widerspruch hängt damit zusammen, dass ich Standarddeutsch als eine Schriftsprache betrachte; die sehr seltenen Fälle, in denen es regelkonform gesprochen wird, dürften sich im wesentlichen auf Bühne und manchmal - dort extrem selten - Radio und Fernsehen beschränken.

Lokal/regional abweichende Aussprache - z.B. „Beag“ für „Berg“, „Mäan“ für „Möhren“, „heakomm“ für „herkommen“, „Zuchch“ für „Zug“ - macht, meine ich, für sich alleine keinen Dialekt aus; auch deswegen nicht, weil dadurch der Gebrauch der Kunstsprache Standarddeutsch als gemeinsames Verständigungsmittel im ganzen deutschen Sprachraum nicht behindert wird: Ein Chorleiter wird sich mit Leuten, die „Berg“ auf zwei Silben singen, weil sie das „r“ wie „a“ aussprechen, ohne große Mühe zusammenraufen können.

Kennzeichen für Dialekte sind doch, meine ich, vom Standard abweichendes Vokabular und abweichende Grammatik? So, wie sie der früher erwähnte Lehrer Uwe M. verwendete, als er mich im Sportunterricht beim Antreten anblaffte: „Runta mit die Hände!“

Schöne Grüße

MM

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Kennzeichen für Dialekte sind doch, meine ich, vom Standard
abweichendes Vokabular und abweichende Grammatik?

Das sind auch Kennzeichen von Dialekten, aber nicht nur. Dialekte können sich auf allen linguistischen Beschreibungsebenen – von der Phonetik über die Syntax bis zur Idiomatik – von der Standardsprache unterscheiden (und tun das bekanntermaßen auch). Da allerdings praktisch jeder Dialektsprecher auch mit der Standardsprache (oder einer dieser näheren Varietät) in Berührung gekommen ist, entsteht ein Dialekt-Standard-Kontinuum, bei dem zumindest theoretisch jede Stufe zwischen Vollmundart und nicht regional verortbarem Standard möglich ist. Der Phonetik kommt insofern eine besondere Rolle zu, als die Unterschiede in diesem Bereich am schwersten abzulegen sind und bis in die standardnächsten Varietäten wahrnehmbar bleiben. Daher verwendet man für diese Unterschiede einen eigenen Begriff: ›Akzent‹ – während es für, sagen wir, rein morphologischen Dialekteinfluss auf standardnahe Varietäten keinen eigenen Begriff gibt, der mir bekannt wäre. In jedem Fall stimme ich André zu, dass es sich bei der Längung von [a] in ›das‹ um einen dialektalen Einfluss auf die Lautung handelt, gebe aber auch dir Recht, dass es falsch wäre, ausgehend von solchen phonetischen Eigenheiten zu behaupten, jemand spräche ›Dialekt‹. Dazu gehört noch einiges mehr.

Gruß
Christopher

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Vielen Dank!

Gut gebrüllt…!
Schönen Dank, Christopher,

damit hatte ich grade eben eine erfreuliche und erhellende Lektüre.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

Hallo André

Das impliziert für mich irgendwie, dass du es für
Standarddeutsch hältst, das und dass lautlich zu
unterscheiden.

sicher, das ist ist doch ganz eindeutig so. Daaaaas Haus, daaaaaas Auto aber: „dassssss es Dir schmecke!“

Das ist allerdings nur in den Dialekten bzw.
dialektgefärbten Regionen so, im Standarddeutschen werden
beide Wörter [das] ausgesprochen, mit kurzem /a/.

André, Du weißt, dass ich Deine enormen Kenntnisse sehr schätze, aber dies Aussage ist gelinde gesagt Unsinn. Krasser falsch als „dassssss Haus, in dem ich wohne“ kann Deutsch nicht klingen.

Die Aussprache ist im
Standarddeutschen ja identisch, nämlich immer kurz.

Nein, ist sie nicht, überhaupt nicht, ganz und gar nicht, nie und nimmer *schauder schüttel graus*

Viele Grüße

Alexander

Die Aussprache ist im Standarddeutschen ja identisch, nämlich immer kurz.

Nein, ist sie nicht, überhaupt nicht, ganz und gar nicht, nie und nimmer *schauder schüttel graus*

Ich weiß nicht, ob dein Entsetzen Scherz oder Ernst ist. Für diejenigen, die das auch nicht unterscheiden können, weise ich zur Sicherheit darauf hin, dass André Recht hat: Die Wörter ›das‹ und ›dass‹ (bzw. ›daß‹ – das macht keinen Unterschied) werden in der Varietät, die man gemeinhin als Hochdeutsch oder auch Standarddeutsch bezeichnet, identisch ausgesprochen, und zwar [das] (drei kurze Laute). Ein Blick in jedes gängige Wörterbuch bestätigt dies.

Gruß
Christopher

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Etymologische Anmerkung
Hallo mitenand

Die Wörter ›das‹ und ›dass‹ (bzw. ›daß‹ – das macht keinen Unterschied) werden in der Varietät, die man gemeinhin als Hochdeutsch oder auch Standarddeutsch bezeichnet, identisch ausgesprochen, und zwar [das] (drei kurze Laute). Ein Blick in jedes gängige Wörterbuch bestätigt dies.

Dazu als Anmerkung, dass die Konjunktion „dass“ per Grammatikalisierung (Reanalyse) aus dem Pronomen „das“ entstanden ist und somit etymologisch das gleiche Wort ist (siehe z. B. hier) – der Längenunterschied im Süddeutschen hat sich dann wohl erst später entwickelt.

Gruss
dodeka

und somit etymologisch das gleiche Wort ist
(siehe z. B. hier) – der Längenunterschied im Süddeutschen hat
sich dann wohl erst später entwickelt.

Sehr richtig, guter Gedanke. Im Englischen (und ich glaube auch im Niederländischen, bin mir aber nicht sicher) wird ja für beides auch das gleiche Wort verwendet, nämlich that bzw. dat, die beide das Demonstrativpronomen der 2. Stufe (im Unterschied zu this/dit) sind.

Das Demonstrativpronomen weist (etymologisch gesehen) auf den folgenden Satz hin: „I know that: water is wet.“, so war das auch im Deutschen, nur dass sich ein Wortstellungswechsel vollzog (den gab’s ja auch im Altenglischen).

Gruß,

  • André

Servus,

– der Längenunterschied im Süddeutschen hat sich dann wohl erst später entwickelt.

dieser ist besonders merkwürdig, weil es den Artikel „das“ - wenn ichs richtig sehe - in keinem oberdeutschen Dialekt gibt (er heißt da dess, dees, dös, ös, es etc.) und das Relativpronomen „das“ eh nicht (es heißt da „wo“). Daher ja auch das Erstaunen, wenn man einem „da:s“-Sager sagt, dass sein langes „das“ nicht der Standardaussprache entspricht: Er kennt das Wort „das“ aus seinem eigentlichen Dialekt gar nicht.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

Sali

– der Längenunterschied im Süddeutschen hat sich dann wohl erst später entwickelt.

dieser ist besonders merkwürdig, weil es den Artikel „das“ - wenn ichs richtig sehe - in keinem oberdeutschen Dialekt gibt (…) und das Relativpronomen „das“ eh nicht (es heißt da „wo“).

Du hast recht, es ist keine Frage von Dialekt vs. Hochsprache, sondern eine regionale Besonderheit der letzteren.

Zur Lösung des Mysteriums verdächtige ich jetzt mal ganz unverfroren zweifelhafte Figuren unter den Deutschlehrern einer (vermeintlichen) „Aussprache nach der Schrift“, entweder um letztere zu rechtfertigen oder den Schülern eine orthographische Eselsbrücke zu bauen.

Disclaimer: Es handelt sich hierbei um nichts anderes als eine wilde Spekulation.

Sei herzlich gegrüsst
dodeka