Unterschiedliche Arbeitsethik der Christen

Hallo,
ich habe gelesen, dass die katholischen Christen im Mittelalter Arbeit als eine Strafe Gottes angesehen haben, nachdem die Menschen aus dem Paradies vertrieben worden sind und deshalb nur so viel gearbeitet haben, wie nötig war.

Auf welche Stellen in der Bibel beziehen sich denn jetzt die Aussagen der evangelischen Christen, die damals geglaubt haben, dass die Arbeit den Ruhm Gottes mehrt und wie haben sie verhindert trotzdem nicht allzu kapitalistisch zu werden und das Soziale nicht zu vernachlässigen, da ja mit der Arbeit auch Reichtum verbunden war. Nur mit dem Gebot, du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst?
Wenn dann aber Reichtum erwünscht ist, dann würde das Gebot doch aber nicht in voller Konsequenz gelebt, oder?

Aus welchen Textstellen in der Bibel lässt sich also schließen, dass man viel Arbeiten soll und Reichtum anhäufen soll?
Hier eine Textquelle über Arbeitsethik:
www-gs.informatik.tu-cottbus.de/~wwwgs/ea2/krueger.pdf

Danke
Tim

Moin, Tim,

ich habe gelesen, dass die katholischen Christen im
Mittelalter Arbeit als eine Strafe Gottes angesehen haben,
nachdem die Menschen aus dem Paradies vertrieben worden sind
und deshalb nur so viel gearbeitet haben, wie nötig war.

ich fürchte, da hast Du Falsches gelesen. Es ist noch keine hundert Jahre her, dass sich die Menschen krummgearbeitet haben, nur um nicht zu verhungern.

Auf welche Stellen in der Bibel beziehen sich denn jetzt die
Aussagen der evangelischen Christen (…)

Welche Aussagen?

Aus welchen Textstellen in der Bibel lässt sich also
schließen, dass man viel Arbeiten soll und Reichtum anhäufen
soll?

Mir sind keine derartigen Textstellen bekannt, obwohl ich die Bibel einigermaßen kenne.

Gruß Ralf

Hallo, Tim,

dazu liest du am besten

Max Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus.

Aus der Prädestinationslehre, die besagt, wem es auf Erden wohl ergeht, wird es auch im Himmel wohl ergehen, häben - so Weber - die Protestanten nichtlutheranischer Art den Schluss gezogen: Wir müssen auf Erden fleißig sein und erfolgreich, damit wir es auch im Himmel sind.

So sei die Arbeitsethik der Protestanten die Triebfeder des Kapitalismus geworden.

Gruß Fritz

Hallo Tim,

Bibelstellen habe ich leider keine parat, aber zum Einstieg in das Thema eine Buchempfehlung:
Max Weber: Die protestantische Ethik und der ‚Geist‘ des Kapitalismus. Vollständige Ausgabe… Hrsg. von Dirk Kaesler. 2.Aufl. München:C.H.Beck 2006. ISBN 3-406-51133-3 Buch anschauen
(siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Die_protestantische_Eth…)

Tatsächlich hatte die Reformation erhebliche Auswirkungen auf den Umgang mit Armen. Während es im Mittelalter noch als dem Seelenheil förderlich galt, Almosen zu geben, und zumindest ortsansässige Bettler (welche mitunter sogar zunftartig organisiert waren) als integrale Bestandteile der Gesellschaft angesehen wurden, kam es mit der frühen Neuzeit zu einer immer stärkeren Reglementierung, einer obrigkeitlich organisierten ‚Armenfürsorge‘ mit Arbeitshäusern u.ä. Und nachdem erst einmal der Gedanke in der Welt war, dass man die Armen nur an ein gottgefälliges, arbeitssames Leben heranführen müsse und dass die, die sich nicht darein fügen können oder wollen, selbst Schuld an ihrem Schicksal seien, gab es im Umgang mit diesen schon bald keine konfessionellen Unterschiede mehr.
Meiner persönlichen Ansicht nach ist auch die noch heute vorherrschende Haltung Arbeitslosen gegenüber darauf zurückzuführen.

Beste Grüße

=^…^=
Katze

Aus der Prädestinationslehre, die besagt, wem es auf Erden
wohl ergeht, wird es auch im Himmel wohl ergehen, häben - so
Weber - die Protestanten nichtlutheranischer Art den Schluss
gezogen: Wir müssen auf Erden fleißig sein und erfolgreich,
damit wir es auch im Himmel sind.

Hat Jesus aber nicht ständig gesagt, dass nur die Armen vor Gott reich sind und so weiter?
Wo steht denn in der Bibel oder im Neuen Testament, dass unser Schicksal schon vorherbestimmt sein soll?
Irgendwie sind das doch Widersprüche. Zum einen geht es den Armen schlecht, denen schenkt Gott/Jesus aber ganz besonders viel Aufmerksamkeit.
Jetzt glauben die Puritaner aber, dass man eben in Reichtum auf der Erde leben soll, dass man es im Himmel auf gut hat.
So ein Gegensatz kann doch in der Bibel/Neues Testament, auf das sich alle Christen berufen und auch gleich ist, nicht sein.
Ich würde sogar sagen, dass eine Partei doch „falsch“ liegen muss, oder?
Wenn man arbeitet, dann doch nicht um sich Reichtum anzuwerben (Theologische Sicht), sondern um anderen ein einfacheres Leben zu ermöglichen und Leid aus der Welt zu schaffen, jeder so gut er kann, weil die anderen doch meine Nächsten sind, oder?

Hat Jesus aber nicht ständig gesagt, dass nur die Armen vor
Gott reich sind und so weiter?
Wo steht denn in der Bibel oder im Neuen Testament, dass unser
Schicksal schon vorherbestimmt sein soll?

Was hat Jesus, was hat die Bibel mit den heutigen religiösen Überzeugungen und den Handlungsweisen religiöser Menschen zu tun?

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Hallo Tim,

Wo steht denn in der Bibel oder im Neuen Testament, dass unser
Schicksal schon vorherbestimmt sein soll?

Mir als alter Ungläubiger rollen sich bei dem Link zwar fasst die Fußnägel auf, aber es werden zumindest ein paar Bibelstellen genannt:
http://www.evangelium.ch/predestination.htm
Ansonsten empfehle ich Dir, ein bisschen zu ‚Prädestination‘ und ‚Calvinismus‘ herumzugoogeln - da müsste sich eigentlich einiges anfinden.

Beste Grüße

=^…^=
Katze

Hi,

ein Anhaltspunkt könnte die Schöpfungsgeschichte selber sein. Der Mensch wird dort nämlich nicht als passives Wesen dargestellt, das einfach mal genießen kann. Gott gibt ihm eine Aufgabe: „dass er ihn bebaue und bewahre“ (Gen 2, 15). Das ist ganz klar Arbeit im Paradies…

LG

Chris

Servus Ralf,

ich habe gelesen, dass die katholischen Christen im
Mittelalter Arbeit als eine Strafe Gottes angesehen haben,
nachdem die Menschen aus dem Paradies vertrieben worden sind
und deshalb nur so viel gearbeitet haben, wie nötig war.

ich fürchte, da hast Du Falsches gelesen. Es ist noch keine
hundert Jahre her, dass sich die Menschen krummgearbeitet
haben, nur um nicht zu verhungern
.

Meine Markierung soll zeigen, dass ich den Widerspruch zwischen Tim und Dir nicht finden kann (abgesehen davon dass „Mittelalter“ und „vor hundert Jahren“ nicht zusammenpassen).

Übrigens könnte Tim ein Werk wie Hannah Arendt - Vita Activa oder vom tätigen Leben gelesen haben, in dem Tims Satz zwar so vermutlich nicht fällt, aber der Sache nach durchaus ähnlich drin steht.

@Tim:
beispielsweise:
So ist bis zum Beginn der Neuzeit die Vorstellung der Vita activa [lies hier vereinfacht: Arbeit] immer an ein Negativum gebunden; sie stand unter dem Zeichen der Un-ruhe, sie war nec-otium, a-scholia
S. 25 (Piper, 1999)

danach wurde das Verhältnis umgekehrt, otium wurde der moralisch verwerfliche Mangelzustand von negotium, das neuzeitliche Animal laborans siegte über den alten Homo faber, das heißt Arbeiten über Herstellen, das Tier über den Menschen (der Mensch schickt sich an, sich in die Tiergattung zu verwandeln, von der er seit Darwin abzustammen meint)

oder:

Vor allem bei Thomas von Aquin hören wir, dass Arbeit eine Pflicht für diejenigen ist, die sonst keine Mittel haben, sich am Leben zu erhalten, aber die Pflicht ist, sich am Leben zu erhalten, nicht, zu arbeiten; wenn man sich durch Betteln seinen Lebensunterhalt verschaffen kann, umso besser
S. 404

Arendt sieht Thomas gerade nicht dem bekannten Pauluswort zu folgen, und nicht Arbeit als Strafe Gottes in Folge der Erbsünde aufzufassen; stattdessen sieht sie bei ihm ein direktes Zurückgehen auf Aristoteles, hinter die Kirchenväter und Paulus.

Man kann diesen Deinen Satz „Arbeit als Strafe Gottes“ ja auch zweifach auffassen,

  1. als eine Art conditio humana, mit der man sich unter der Prämisse der Selbsterhaltung eben arrangieren müsse (so wie Thomas das hier tut) oder
  2. als Imperativ (so wie angeblich das Paulus-Wort: wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen!, das freilich auch alles andere als dieses blindwütige Arbeitsgebot der protestantischen Ethik ist).

Ich habe nun wirklich keine Ahnung von Theologie, aber trotzdem meine Privatmeinung … man möge mich korrigieren:

ich sehe spontan drei verschiedene Arbeitsethiken im Christentum:

  • das Arbeit-zum-Leben-Prinzip, bei dem wohl der Imperativ der Selbsterhaltung vom Christentum geschärft wurde und das auf alle Menschen ausgeweitet wurde, das aber im Kern auf die griechische Antike zurückgeht mit seiner Haltung „Arbeit ist Edlen nicht würdig, sie ist für Unfreie“.

  • das Paulus-Prinzip, das m.E. im Kern einer vorhandenen römischen Arbeitsethik entspringt, die sich mit der christlichen Erbsünderhetorik verbindet.

  • die protestantische Ethik, die m.E. die einzig genuin christliche ist (solange man sie nicht besser gleich im Sinne Marx’ vom Kopf auf die Füße stellt und als bloßen Überbau der „ursprünglichen Akkumulation“ betrachtet).

Viele Grüße
Franz

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Arbeitsethik der Christen Hör- oder Lesetipp
Hallo,

eben kam im SWR2 eine Sendung, die mit diesem Thema zusammen hängen könnte.

_Das Wertezentrum moderner Gesellschaften
Über das Verhältnis von Politik und Religion

Von Ulrich Sarcinelli

Natürlich ist der liberale Verfassungsstaat in religiöser und weltanschaulicher Hinsicht neutral, darin besteht eines seiner wichtigsten Prinzipien. Dennoch ist er nicht wertneutral, was schon allein die Bedeutung der Menschenwürde als Bezugspunkt des Rechts deutlich macht. Für seinen Zusammenhalt braucht gerade der säkularisierte Staat mehr als nur funktionierende Institutionen, gute Wirtschaftsdaten oder außenpolitische Erfolge.

Der Kitt, der ein liberales Gemeinwesen zusammenhält, besteht aus Bürgertugenden und Werten, die Solidarität fördern. Professor Ulrich Sarcinelli, geschäftsführender Leiter des Instituts für Politikwissenschaft an der Universität Koblenz-Landau, plädiert für eine neue Vertrauenskultur.

Ulrich Sarcinelli

Ulrich Sarcinelli, Jahrgang 1946, studierte Lehramt an Grund- und Hauptschulen, absolvierte das 1. und 2. Staatsexamen, dann den Schuldienst von 1971-1975; es folgte ein Zweitstudium (gleichzeitig Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der EWH, Abt. Koblenz) der Politikwissenschaft, Rechtswissenschaft, Soziologie und Pädagogik, Magister Artium (M.A.) an der Universität Mainz 1977; dort auch Promotion zum Dr. phil. 1978/79, Habilitation (1984) an der Universität Koblenz-Landau, Abteilung Koblenz über „Symbolische Politik“; 1988-1995 Prof. für Politikwissenschaft an der Universität Kiel sowie an der Pädagogischen Hochschule Kiel.

Seit WS 1995/96 ist Sarcinelli Prof. für Politikwissenschaft an der Universität Koblenz-Landau, Abt. Landau. 2002 Gastprofessur am Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung (IPMZ) der Universität Zürich/Schweiz._

Auf dieser Seite kann man rechts oben zwischen hören und lesen wählen, wenn es wen interessiert:

http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/wissen/-/i…

Gruß Fritz

Hi Tim,
die ArbeitsEthik von Christen erscheint mir sehr hoch, was in Sprüche über Faule bestätigt ist. Die Unterschiedlichkeit bedingt sich aus der Individualität als auch dem Wandel des ArbeitsBegriffes wie auch Inhalten der Arbeit, die einen betändigen Wechsel von der Physe zur Psyche durchläuft: Der GeistesAnteil wächst gegenüber dem körperlichen Anteil, den zunehmend Maschinen übernehmen. Wir suchen diesen Wandel zwecks Auslastung und GesundErhaltung mittels Sport und Hobbys zu kompensieren.
Meine AusBildung verlangte von mir, immer nach Senkung der Kosten, Zeiten, ManPower etc. der Arbeit zu trachten, was ich auch in der Praxis als gesellschaftliches GrundAnliegen bestätigt finde.
In den Wirren und Irrtümern der Vergangenheit zu wühlen, halte ich für müßig und kontraproduktiv notwendigen heutigen Lösungen gegenüber,
wo Arbeit, auch der Christen, s.a. Job der LokFührer, in genereller Weise nicht genügend respektiert und honoriert wird, so daß wir nach meiner Auffassung, Dauer- und MassenArbeitsLosigkeit wie ArbeitsArmut beweisen das, von einem fairen ArbeitsMarkt nicht reden können.
Alle Vorteile liegen auf der KapitalSeite und diese Situation öffnet einer „neuen Linken“ Tür und Tor.
„Ein jeder ist seines (Tages)Lohnes wert“, heißt es in der Bibel und so sollte es eigentlich sein, zumal es in Artikel 23 der Allgemeinen Erklärung der MenschenRechte und GrundFreiheiten der UN gesetzliche Bestätigung findet in einer Form, die nach Artikel 25 GG als unmittelbar geltendes Recht über allen deutschen Gesetzen anzuwenden ist.
liebe Grüße
Chris

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